de fr it

Gonzague deReynold

Gonzague de Reynold mit seiner Frau Marie-Louise geborene von Reding von Biberegg im Schloss Cressier, ihrem Freiburger Wohnsitz, 1955 (Ringier Bildarchiv, RBA1-4-33600; Fotografie Schürch) © Staatsarchiv Aargau / Ringier Bildarchiv.
Gonzague de Reynold mit seiner Frau Marie-Louise geborene von Reding von Biberegg im Schloss Cressier, ihrem Freiburger Wohnsitz, 1955 (Ringier Bildarchiv, RBA1-4-33600; Fotografie Schürch) © Staatsarchiv Aargau / Ringier Bildarchiv.

15.7.1880 Freiburg, 9.4.1970 Freiburg, katholisch, von Cressier (FR). Sohn des Alphonse-Marie, Barons und Dragonerhauptmanns, und der Nathalie-Victorine geborene de Techtermann. Graf. 1905 Marie-Louise von Reding von Biberegg, Kunstmalerin und Zeichnerin, Tochter des Franz, Grafen, Nichte des Rudolf von Reding (1859-1926). Gonzague de Reynold besuchte 1891-1899 das Kollegium St. Michael in Freiburg. 1899-1901 studierte er in Paris an der Sorbonne und am Institut catholique, dann in Freiburg im Breisgau. 1909 promovierte er. Sein Onkel Arthur de Techtermann prägte seine Bildung mit. Mit Adrien Bovy, den Brüdern Alexandre und Charles-Albert Cingria sowie Charles Ferdinand Ramuz lancierte Reynold 1904 die Zeitschrift "La Voile latine", die zur Erneuerung der Westschweizer Literatur beitrug. Mit der Veröffentlichung seiner "Histoire littéraire de la Suisse au XVIIIe siècle" (1909-1912) schuf er ein Standardwerk des Helvetismus. 1914 gründete Reynold die Neue Helvetische Gesellschaft. Er war Privatdozent, dann 1909-1915 Lehrbeauftragter an der Universität Genf und ab 1915 ordentlicher Professor für französische Literatur in Bern. Nach dem Erscheinen seines Werks "La démocratie et la Suisse" (1929) musste er 1931 von seinem Lehrstuhl zurücktreten. Er nahm den Ruf der Universität Freiburg an und lehrte hier 1932-1950.

Auf Ersuchen von General Ulrich Wille baute Reynold 1914 den Vortragsdienst der Armee auf und leitete diesen bis 1918. Er stellte sich hinter Carl Spittelers Rede "Unser Schweizer Standpunkt" von 1914 und publizierte die Werke "Sagen und Erzählungen aus der alten Schweiz" (1939, französisch 1914), "Schweizer Städte und Landschaften" (1932, französisch 1914-1920) sowie "La Suisse une et diverse" (1923), in denen er ein konservatives, auf der Geschichte und Geografie beruhendes Bild der Schweiz entwarf. 1929 erschien "La démocratie et la Suisse", das eine heftige Kontroverse auslöste. Darin greift Reynold die liberal-radikale Staatskonzeption an, unterstreicht die Schwächen der Demokratie und betont die Notwendigkeit eines Gegengewichts. Dieses beschreibt er vor allem in "Selbstbesinnung der Schweiz" (1939, französisch 1938), in dem er das Ideal eines autoritären und föderalistischen Staats unter der Führung eines Landammanns preist. Nachdem er Beziehungen zu Georges Oltramare und der Union nationale unterhalten hatte, änderten sich Reynolds politische Einstellungen zwischen 1940 und 1941 mehrmals. So schlug er vor, sich auf das Neue Europa auszurichten. Dann begann er mit der Abfassung von "La formation de l'Europe" (1944-1957), einer umfassenden, aber veralteten Synthese, die auf einer Geschichtstheologie fusste.

Reynold betätigte sich früh an verschiedenen Fronten: Er schuf 1918 das Auslandschweizersekretariat, präsidierte ab 1919 das Komitee Pro Vorarlberg und gehörte 1922-1945 als Mitglied und Berichterstatter der Kommission für Geistige Zusammenarbeit des Völkerbunds an. Er traf Benito Mussolini und António de Oliveira Salazar, in dem er ein Vorbild sah. In seinem Buch "D'où vient l'Allemagne?" (1939) revidierte er seine Einschätzung von Deutschland und des Nationalsozialismus, wie er sie in der ersten Ausgabe von "Die Tragik Europas" (1935, französisch 1934) dargelegt hatte. Er schrieb 1941-1970 zahlreiche Artikel und hielt unzählige Vorträge über Europa. Zur europäischen Integration ging er jedoch auf Distanz. 1957 gründete er mit Eric Thilo und dem Maler Yoki das Freiburger Institut, das 1968 die "Sprachencharta" entwarf. Von 1958 an widmete sich Reynold der Niederschrift seiner "Mémoires". In "Destin du Jura" (1968) sympathisierte er mit den Anliegen der Jurassier. Die jüngere Geschichtsschreibung sieht in Gonzague de Reynold den Vordenker aller rechten Bewegungen in der Schweiz von den 1910er bis in die 1940er Jahre. Sie wirft ihm seine politischen Einschätzungen und seine Aufrufe zur Anpassung vor, anerkennt aber, dass er zu den Fronten Distanz hielt und dem Faschismus und Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstand. 1955 Grosser Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.

Quellen und Literatur

  • SLA, Nachlass
  • Gonzague de Reynold, 1880-1970, hg. von J.R. Bory, 1983
  • H.U. Jost, Die reaktionäre Avantgarde, 1992
  • A. Clavien, Les helvétistes, 1993
  • A. Mattioli, «Gonzague de Reynold», in Intellektuelle von rechts, hg. von A. Mattioli, 1995, 135-156
  • A. Mattioli, Zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur: Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz, 1994
  • U. Altermatt, M. Pfister, «Gonzague de Reynold», in ZSK, 1998, 91-106
  • P. König, Gonzague de Reynold, der europ. Gedanke, 2003
  • E. Santschi, Par delà la France et l'Allemagne: Gonzague de Reynold, Denis de Rougemont et quelques lettrés libéraux suisses face à la crise de la modernité, 2009
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 15.7.1880 ✝︎ 9.4.1970

Zitiervorschlag

Marius Michaud: "Reynold, Gonzague de", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.07.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016570/2010-07-05/, konsultiert am 29.03.2024.