Unter Familienpolitik können alle öffentlichen Massnahmen zur Gestaltung und Beeinflussung des familiären Lebens verstanden werden (Familie). In der Schweiz war die Familienpolitik allerdings nie ein eigenständiger Politikbereich und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stellt die Schweiz den Prototyp für eine liberalistische familienpolitische Entwicklung dar. Dies ist vor allem das Ergebnis eines föderalistischen Staatsaufbaus und einer starken Betonung des Prinzips der Subsidiarität.
Vereinzelte familienpolitische Massnahmen wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts ergriffen, so mit der Beseitigung der meisten Ehehindernisse 1874 und mit Schutzbestimmungen im eidgenössischen Fabrikgesetz von 1877. Das 1912 in Kraft gesetzte Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) verankerte eine patriarchale Familienordnung. 1923 wurde im Kanton Waadt die erste Liga der Pro Familia gegründet. Diese Initiative griff nach und nach auf andere Kantone über. Aber erst ab zirka 1930 kann von einer schweizerischen Familienschutz-Bewegung gesprochen werden, die sich stark am französischen Vorbild orientierte. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage trat der Schutz der Familie als sozialpolitischer Grundsatz in den Vordergrund. Im Anschluss an eine nationale Studientagung 1931 wurde eine Familienschutzkommission eingerichtet, die in den folgenden Jahren unzählige politische Vorstösse lancierte. Auch der Geburtenrückgang stimulierte familienpolitische Initiativen, zum Beispiel Postulate zur Förderung kinderreicher Familien und zur Bekämpfung der Abtreibung. Die Familienpolitik entwickelte sich zu einem Instrument der nationalen Selbstbehauptung.
Ergebnis und Höhepunkt dieser familienpolitischen Bestrebungen war die 1945 erfolgte Annahme des Familienschutzartikels in der Verfassung (neue Bundesverfassung Artikel 116), der unter anderem eine Mutterschaftsversicherung vorsah. Nach 1945 trat in der familienpolitischen Diskussion allerdings eine lange Ruhephase ein. Gesellschaftlich setzte sich das Modell des Vaters als Alleinernährer durch, die Familie galt zunehmend als privater Raum. Die Realisierung des Verfassungsartikels ging nur schleppend voran: Im Bereich der Wohnbauförderung für Familien wurde der Bund zwar immer wieder aktiv, die Einführung von Familienzulagen auf kantonaler Ebene zog sich aber bis in die 1960er Jahre hin. 1970 wurde die Volksinitiative «Recht auf Wohnung und Ausbau des Familienschutzes» abgelehnt. Nachdem eine bundesrechtliche Regelung der Familienzulagen 1968 noch gescheitert war, wurde ein entsprechendes Bundesgesetz 2009 in Kraft gesetzt. Gesamtschweizerische Richtlinien hatten bisher nur ab 1952 für Kleinbauern und Personen, die in der Landwirtschaft beschäftigt waren sowie ab 1959 für das Bundespersonal bestanden.
In den 1970er Jahren änderte sich die Stossrichtung familienpolitischer Argumente. Zum einen wurde zunehmend die Gleichstellung von Frau und Mann betont, zum anderen setzte sich immer mehr eine am Individuum orientierte Familienpolitik durch. So wurden mit der Revision des Kindesrechts (in Kraft seit 1978) die individuellen Rechte ausserehelicher Kinder gestärkt und mit dem neuen Eherecht (in Kraft seit 1988) ein partnerschaftliches Familienmodell verankert. Neue familienpolitische Vorhaben zielten primär auf die Verbesserung der Stellung und Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie ab.
Die Mutterschaftsversicherung dagegen stiess beim Souverän auf Widerstand: Die 1980 eingereichte Volksinitiative «Für einen wirksamen Schutz der Mutterschaft» wurde 1984 mit 84% Nein-Stimmen verworfen, 1999 gab es 61% Nein-Stimmen zum Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung. Erst 2004 fand die Mutterschaftsversicherung die Zustimmung des Volkes (mit 56% Ja-Stimmen). Die nur für die erwerbstätigen Mütter geltende Versicherung wurde in die Erwerbsersatzordnung (EO) integriert, so dass auf die Schaffung einer neuen Sozialversicherung verzichtet werden konnte. Auch familiengerechte Schulzeiten (Blockzeiten, Tagesschulen) setzten sich nur lokal durch. Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz stiess die Verwirklichung familienergänzender Formen der Kinderbetreuung (Krippen, Horte usw.) auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf Widerstand; die Nachfrage übertraf das vorhandene Angebot bei weitem. Das 2003 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung ermöglichte die Umsetzung eines auf acht Jahre begrenzten, vom Bund unterstützten Impulsprogramms (zwei Verpflichtungskredite von 2002 bzw. 2006 zu 200 Mio. bzw. 120 Mio. Franken) zur Schaffung zusätzlicher Plätze für die Tagesbetreuung. Die Revision der Familienbesteuerung hat mit der Ablehnung des «Steuerpakets» in der Abstimmung vom 16. Mai 2004 einen Rückschlag erlitten. Im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern ist die Familienpolitik in der Schweiz weniger ausgebaut. Die Sozialausgaben für Mutterschaft und Familienfragen liegen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt, Kinder bedeuten für manche Familien ein Armutsrisiko. Namentlich Familien von allein Erziehenden und kinderreiche Familien weisen überdurchschnittlich hohe Armutsquoten auf.