Unter dem Begriff Pflegekinder werden meist Kinder verstanden, die nicht von ihren Eltern betreut und erzogen werden, sondern in einer anderen Familie bzw. bei Pflegeeltern leben. Auch Heimkinder können zu den Pflegekindern gezählt werden, während adoptierte Kinder nicht dazu gehören (Adoption).
Im Mittelalter wurden Pflegekinder, zum Beispiel Findelkinder (Kindesaussetzung), Waisen oder vernachlässigte Kinder, die nicht von ihren Verwandten aufgenommen wurden, im Spital untergebracht. Hier lebten sie mit kranken, alten und sozial auffälligen Erwachsenen zusammen. Um die Zahl der bettelnden Kinder zu verringern, wurden im 17. und 18. Jahrhundert in Städten Zucht- und Waisenhäuser (Anstaltswesen) errichtet. Mit Blick auf die zum Teil katastrophalen Zustände in den Waisenhäusern des 18. und 19. Jahrhunderts propagierte Johann Heinrich Pestalozzi, beeinflusst von den pädagogischen Idealen der Aufklärung, die Familienpflege als bessere und erst noch billigere Alternative. Das in den ländlichen Gebieten entstehende Verdingwesen (Verdingung) entsprach jedoch Pestalozzis Idee einer familienähnlichen Gesellschaft nicht. Die dem Almosenamt unterstellten Kinder (Fürsorge) wurden von den Behörden ― auch in Ermangelung geeigneter Anstalten ― an diejenigen Leute verdingt, die am wenigsten Kostgeld verlangten. Die Pflegekinder wurden somit meist auf dem Land als billige Arbeitskräfte missbraucht. Ab der Mitte des 19. Jahrhundert entstanden andere Formen des Pflegekinderwesens, so zum Beispiel modellhaft in der Kirchgemeinde Zürich-Neumünster. Hier suchte deren Waisenpflege Pflegeplätze in sogenannten rechtschaffenen Familien, platzierte die Kinder gegen eine Entschädigung an die Pflegeeltern und beaufsichtigte die Familien. Dieses in den Grundzügen moderne Pflegekinderwesen praktizierten vor allem Armenvereine auch in anderen Regionen der Schweiz.
Die Kantone regelten das Pflegekinderwesen unterschiedlich und zum Teil gar nicht. In das Zivilgesetzbuch (ZGB) von 1907 wurden keine die Pflegekinder betreffenden gesetzlichen Bestimmungen aufgenommen. Mit den im ZGB verankerten Kindesschutzbestimmungen, welche die Wegnahme von Kindern als Schutzmassnahme vorsahen, wurde die Anzahl der Pflegefamilien vergrössert. Dem Pflegekinderwesen kam dadurch – und durch den Ausbau der vormundschaftlichen Fürsorge – eine neue Bedeutung zu. 1928 schrieb das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Tuberkulose für das «Halten von Pflegekindern» eine Bewilligung vor. Erst im neuen Kindesrecht von 1976 wurde das Pflegekinderwesen im ZGB geregelt (Artikel 294, 307, 316). 1978 trat die Verordnung des Bundes über die Aufnahme von Pflegekindern in Kraft. Während andere Bereiche der Kinder- und Jugendfürsorge gut ausgebaut wurden, blieb das Pflegekinderwesen bis Ende des 20. Jahrhunderts uneinheitlich und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, schlecht organisiert. 2010 befand sich die Pflegekinderverordnung in Totalrevision.
In der Fachdiskussion um die vormundschaftliche Fürsorge wurden schon früh eugenische Konzepte diskutiert. Auf dieser Grundlage war es möglich, dass durch das 1926 von der Pro Juventute gegründete Hilfswerk Kinder der Landstrasse bis 1973 über 600 Kinder aus jenischen Familien zum Teil als Pflegekinder bei sesshaften Schweizer Familien platziert wurden. Ab 1929 subventionierte der Bund diese Aktion. Andere Missstände, wie die Misshandlung von Pflegekindern in Pflegefamilien, veranlassten 1946 die Zeitschrift «Der Schweizerische Beobachter» zu einem Appell an das Schweizer Volk, worin vorgeschlagen wurde, Schutzorganisationen für Pflegekinder zu schaffen. Die Intervention des «Beobachters» führte 1950 zur Gründung der Pflegekinder-Aktion Schweiz, die bis heute nebst der Weiterbildung für Pflegeeltern auch Fachtagungen und Beratungen durchführt.
Die Zahl der Pflegekinder hat aufgrund der Diversifizierung der Betreuungsmöglichkeiten insbesondere seit den 1970er Jahren stark abgenommen (u.a. Kinderhorte, Tagespflege, Krippen). Gab es 1910 noch 47'032 Pflegekinder – davon allein im Kanton Bern 12'810 – so waren es 2000 schätzungsweise noch 13'000 (es wird keine Statistik mehr geführt). Charakteristisch für das Pflegekinderwesen ist, dass Initiativen zur Verbesserung lange Zeit von privater Seite kamen.