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Arbeitslosenversicherung (ALV)

Persönlicher Ausweis der Versicherten, 1995 (Privatsammlung) © Schweizerisches Nationalmuseum.
Persönlicher Ausweis der Versicherten, 1995 (Privatsammlung) © Schweizerisches Nationalmuseum. […]

Die Arbeitslosenversicherung (ALV) als vierter und jüngster Zweig der Sozialversicherung deckt den Verdienstausfall bei Arbeitslosigkeit. Weil diese nicht regelmässig, sondern unerwartet, berufsspezifisch und in schwankendem Ausmass auftritt, ist sie versicherungsmathematisch schwer fassbar, was die ALV erschwert. Im Gegensatz zu andern Formen der Arbeitslosenunterstützung, vor allem der Arbeitslosenfürsorge (Fürsorge), werden ihre Taggelder meist überwiegend von Mitgliedern und nicht ausschliesslich aus karitativen oder öffentlichen Mitteln finanziert.

Die erste eigentliche ALV gründete 1884 der Schweizerische Typographenbund. Nach 1890 mehrten sich in Städten Vorstösse für öffentliche Kassen. Die in Bern bestand seit 1893 dauernd, die in St. Gallen nur 1895-1897. Vor dem Ersten Weltkrieg folgte nur noch Basel 1910. Dagegen stieg die Zahl der Kassen der freien Gewerkschaften 1898-1914 von 3 auf 14. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs versicherten sie ca. 44'000 Mitglieder, diejenigen anderer Berufsverbände ca. 7500 und die öffentlichen ca. 2900. 1917 übernahm der Bund mit seinen ersten Subventionen das von einigen Städten und Kantonen angewendete "Genter System" und schrieb es im Bundesgesetz vom 17. Oktober 1924 fest. Damals zählte man in 57 Kassen 157'000 Versicherte, ca. 80% in gewerkschaftlichen, ca. 14% in öffentlichen und die übrigen in paritätischen Kassen. 1936 versicherten 204 Kassen 552'000 oder 28% der Erwerbspersonen. Unter dem Vollmachtenregime vereinheitlichte der Bundesrat die ALV mit Beschluss vom 14. Juli 1942. Die Verbesserungen konnten dank Artikel 34ter der Bundesverfassung (BV) von 1947 mit dem Bundesgesetz vom 22. Juni 1951 in das ordentliche Recht überführt werden. Infolge Vollbeschäftigung verlor die ALV ihre Attraktivität und zählte 1974 nur noch 545'000 Versicherte (18%). In der folgenden Krise billigten die Stimmberechtigten 1976 mit Artikel 34novies BV das Obligatorium für Arbeitnehmer. Mit Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1976 wurde es provisorisch und im Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 definitiv in Kraft gesetzt. Die Prämienerhebung erfolgt nach dem bei der AHV bewährten Prinzip der Lohnprozente, wobei allerdings die Schwankungen wegen des konjunkturellen Charakters der Arbeitslosigkeit stärker ausfielen (1977 0,8%, 1990 0,4%, 1995 3%). Die ALV differenzierte sich im Lauf der Zeit und zahlt heute neben Arbeitslosen- auch Kurzarbeits-, Schlechtwetter- und Insolvenzentschädigungen. In der schweren Beschäftigungskrise der 1990er Jahre gehörten Anpassungen der Prämien und Leistungen zu den Dauerthemen der Sozialpolitik.

Quellen und Literatur

  • H.-U. Stauffer, Der Begriff der "Arbeitslosenversicherung" und der "Arbeitslosenfürsorge", 1979
  • Gruner, Arbeiterschaft 3
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernard Degen: "Arbeitslosenversicherung (ALV)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2002. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016613/2002-11-26/, konsultiert am 11.10.2024.