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Burckhardt

Ursprünglich aus Britznach im Münstertal (Schwarzwald) stammendes Basler Patriziergeschlecht, das vor allem in der Textilindustrie sowie im Übersee- und Kolonialwarenhandel tätig war.

Porträts von Gertrud Brand und Stoffel Burckhardt. Öl auf Holz, 1578 (Privatsammlung; Fotografien Kurt Wyss, Basel 2003).
Porträts von Gertrud Brand und Stoffel Burckhardt. Öl auf Holz, 1578 (Privatsammlung; Fotografien Kurt Wyss, Basel 2003).

Stammvater der Familie ist Christoph genannt Stoffel Burckhardt (1490-1578), der vor 1520 nach Basel einwanderte. Im Unterschied zu anderen bekannten Basler Familien wie die Socin oder Sarasin waren die Burckhardt keine Glaubensflüchtlinge, sondern siedelten sich aus wirtschaftlichen Gründen in der Stadt an. Stoffel Burckhardt betätigte sich als Tuch- und Seidenhändler (Leinwand, Seide) und kaufte sich 1521 in die Safran- bzw. 1536 in die Schlüsselzunft ein (Zünfte). Ab 1523 war er Basler Bürger und wurde 1553 als Sechser Mitglied des Grossen Rats. 1518 heiratete er Ottilie Mechler (1538), mit der er neun Kinder hatte, doch starb diese Linie in der vierten Generation aus. Neben den politischen Ämtern und der doppelten Zunftmitgliedschaft trug insbesondere Stoffel Burckhardts 1539 geschlossene zweite Ehe mit Gertrud Brand (1516-1600), Tochter des späteren Bürgermeisters Theodor Brand und verwandt mit den Buchdruckerfamilien Froben und Petri, zur Integration der Familie in das Basler Patriziat bei.

Auf die sechs Söhne aus dieser Ehe lassen sich denn auch die Linien des Geschlechts zurückführen, wobei sich jene des dritten Sohns Theodor Burckhardt (1549-1623), ab 1611 Mitglied des Geheimen Rats, am weitesten verzweigte. Alle Söhne heirateten in alte Basler Buchdrucker- und Ratsherrenfamilien ein; fünf traten in die kaufmännischen Fussstapfen des Vaters. Im 17. Jahrhundert gewann die Familie an wirtschaftlichem und politischem Einfluss (Aristokratisierung). Dem ältesten Sohn Bernhard Burckhardt (1545-1608) gelang durch die Wahl zum Zunftmeister 1603 der Aufstieg in den Kleinen Rat. Danach war die Kaufmannsfamilie bis 1875 ununterbrochen in der Stadtregierung vertreten. Johann Rudolf Burckhardt, rechte Hand und Sekretär von Johann Rudolf Wettstein, bekleidete 1666-1683 als Erster der Familie das Amt des Bürgermeisters. Bis zum Ende des Ancien Régime 1798 standen die Burckhardt auf dem Höhepunkt ihrer politischen Macht und stellten sieben Bürgermeister, fünf Oberzunftmeister sowie 17 Dreizehner. Besonders in der zweiten Hälfte des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts übernahmen Oberzunftmeister und Bürgermeister aus der Familie diverse diplomatische Missionen (Diplomatie) in innereidgenössischen Konflikten sowie in der Aussenpolitik (Johann Bernhard Burckhardt, Andreas Burckhardt, Christoph Burckhardt, Johann Balthasar Burckhardt, Peter Burckhardt, Johann Jakob Burckhardt, Johann Rudolf Burckhardt).

Stammbaum der Familie Burckhardt mit Wappen und ganzfiguriger Darstellung der Stammeltern Gertrud Brand und Stoffel Burckhardt (Gesamtsicht und Ausschnitt). Beschriftetes Aquarell auf Papier, um 1814, ca. 50 x 65 cm (Staatsarchiv Basel-Stadt, Stammbäume 53).
Stammbaum der Familie Burckhardt mit Wappen und ganzfiguriger Darstellung der Stammeltern Gertrud Brand und Stoffel Burckhardt (Gesamtsicht und Ausschnitt). Beschriftetes Aquarell auf Papier, um 1814, ca. 50 x 65 cm (Staatsarchiv Basel-Stadt, Stammbäume 53).

Politischen Einfluss übten auch weibliche Familienmitglieder aus. Salome Schönauer beispielsweise setzte ihre informelle Macht zugunsten ihres Ehemanns, Oberzunftmeister Christoph Burckhardt (1631-1705), ein, wofür man ihr noch während der Unruhen von 1691 den Prozess machte. Sie wurde zu einer Geldbusse sowie zu Hausarrest verurteilt. Des Weiteren trat Anna Maria Burckhardt (1711-1769), die Mutter von Isaak Iselin, als gebildete Frau hervor. Sie liess sich mit 18 Jahren von ihrem Ehemann Christoph Iselin scheiden und widmete sich danach ganz der Erziehung und dem sozialen Aufstieg ihres Sohns. Ausserdem entwickelte sich eine Professorendynastie, die bis Ende des 18. Jahrhunderts in der Zahl der Lehrstühle an der Universität Basel alle anderen Familien übertraf (Hieronymus Burckhardt). Mit der Familiengeschichte stehen zudem einige der bis ins 21. Jahrhundert erhaltenen barocken Patrizierhäuser Basels in Verbindung: So war der Handelsherr und Rechenrat Samuel Burckhardt der Bauherr des Ramsteinerhofs, der Seidenbandfabrikant und Oberst Johann Rudolf Burckhardt jener des Kirschgartens.

Die Familie war in den Sklavenhandel (Kolonialismus, Sklaverei) verwickelt, an dem sich zwischen 1783 und 1815 drei Generationen beteiligten, angefangen mit Christoph Burckhardt (1708-1789) und seiner im Tuch- und Stoffhandel sowie in der Indiennefabrikation tätigen Firma Christoph Burckhardt & Sohn im Haus zur Goldenen Müntz an der einstigen Sporengasse in Basel. Um das Textilgeschäft auszuweiten, betätigten sich er und sein Sohn Christoph Burckhardt ab den 1760er Jahren am internationalen Kolonialwarenhandel unter anderem mit Rohbaumwolle (Baumwolle), Indiennes, Indigo, Kaffee, indischen sowie chinesischen Tuchen und finanzierten Anteile mehrerer Schiffsausrüstungen. Dabei konzentrierten sie ihre Investitionen vor allem auf den Hafen von Marseille. Das änderte sich in den 1780er Jahren, als die Burckhardt über Geschäftskontakte zu Basler Handelshäusern in La Rochelle und Nantes anfingen, am transatlantischen Dreieckshandel (Überseehandel) zu partizipieren, um aus der Hochkonjunktur des französischen Sklavenhandels Profit zu schlagen. Neben der finanziellen Beteiligung an Sklavenexpeditionen waren sie an den westafrikanischen Märkten interessiert, wo eine starke Nachfrage nach bedruckten Baumwolltüchern existierte. Nach dem Tod seines Vaters gründete Christoph Burckhardt (1740-1812) 1790 die Firma Christoph Burckhardt & Co. und liess am Blumenrain in Basel ein neues Geschäfts- und Wohnhaus erbauen, den Segerhof. Sein Sohn Christoph Burckhardt (1766-1815), genannt Christophe Bourcard, beschränkte sich mit seinem 1790 in Nantes gegründeten Handelshaus Bourcard, Legrand & Cie. (später Bourcard Fils & Cie.) ausschliesslich auf den Sklaven- und Spekulationshandel, obwohl um 1790 die abolitionistische Bewegung in Frankreich und England für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte und auch in Basel die Kritik am Sklavenhandel wuchs (Abolitionismus).

Versammlung von knapp 260 Angehörigen der Familie Burckhardt im Stadtcasino Basel aus Anlass des 400. Geburtstags von Stoffel Burckhardt, 14. September 1890. Lichtdruck der Gebrüder Bossert, Basel, veröffentlicht in der Bildmappe 400 Jahre Burckhardt 1890 (Staatsarchiv Basel-Stadt, PA 962a E 1.20, Fol. 31).
Versammlung von knapp 260 Angehörigen der Familie Burckhardt im Stadtcasino Basel aus Anlass des 400. Geburtstags von Stoffel Burckhardt, 14. September 1890. Lichtdruck der Gebrüder Bossert, Basel, veröffentlicht in der Bildmappe 400 Jahre Burckhardt 1890 (Staatsarchiv Basel-Stadt, PA 962a E 1.20, Fol. 31).

Die Verstrickungen in den Sklavenhandel waren dem sozialen Ansehen der Familie allerdings nicht abträglich. Die Burckhardt bekleideten auch im 19. Jahrhundert wiederholt das Amt des Bürgermeisters (Carl Burckhardt, Johann Jakob Burckhardt, Karl Burckhardt), während mehrere Familienmitglieder Professuren an der Universität Basel innehatten (Albert Burckhardt, Albrecht Burckhardt, Carl Christoph Burckhardt, Fritz Burckhardt, Rudolf Burckhardt). Besonders bedeutend waren der Historiker Jacob Burckhardt und der Diplomat Carl Jacob Burckhardt. Internationale Bekanntheit erlangte vor ihnen der zum Islam konvertierte Forschungsreisende Johann Ludwig Burckhardt alias Scheich Ibrahim. Er war freilich nicht der erste Burckhardt, der seine Heimatstadt verliess: Abenteurer und Auswanderer gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert, die als Reisläufer ihr Glück in der Ferne suchten. Einige bezahlten ihren Einsatz in fremden Diensten mit ihrem Leben, so Aurelius Erasmus Burckhardt (1571-1602), der als Hauptmann in niederländischen Diensten in Ostende verstarb. Andere hatten mehr Glück, kehrten unversehrt heim und wurden dank ihrer Ausland- und Kriegserfahrung zu Diplomaten (Andreas Burckhardt) und Landvögten ernannt. Letztlich blieb aber Basel bis ins 21. Jahrhundert der geografische Bezugs- und Lebensmittelpunkt der Burckhardt, was sich auch an der Burckhardt'schen Familienstiftung ablesen lässt, die die Unterstützung von Nachkommen des Stoffel Burckhardt zum Ziel hat. Ausserdem verdankt sich die nachhaltige Etablierung der wohl bekanntesten Basler Privatstiftung einer Burckhardt: Margaretha Merian-Burckhardt (1806-1886) setzte nach dem Tod ihres Ehegatten Christoph Merian dessen testamentarischen Willen um. Sie realisierte mit der Christoph Merian Stiftung ein philanthropisches Werk, das mittels Förderung sozialer, kultureller und ökologischer Projekte wesentlich zur Entwicklung des städtischen Lebensraums beiträgt.

Quellen und Literatur

  • Schweizerisches Geschlechterbuch, Bd. 2, 1907, S. 621-671; Bd. 7, 1943, S. 72-121.
  • Burckhardt, August: Herkommen und Heimat der Familie Burckhardt in Basel und ihre soziale Stellung in den ersten Generationen, 1925.
  • Burckhardtsche Familienstiftung (Hg.): ckdt. (Basel). Streiflichter auf Geschichte und Persönlichkeiten des Basler Geschlechts Burckhardt, 1990.
  • Teuteberg, René: «500 Jahre Familie Burckhardt», in: Basler Stadtbuch 1990, 1991, S. 181-183.
  • Stettler, Niklaus; Haenger, Peter; Labhardt, Robert: Baumwolle, Sklaven und Kredite. Die Basler Welthandelsfirma Christoph Burckhardt & Cie. in revolutionärer Zeit (1789-1815), 2004.
  • Haenger, Peter; Labhardt, Robert: «Basel und der Sklavenhandel: Das Beispiel der Burckhardtschen Handelshäuser zwischen 1780 und 1815», in: Bott, Sandra; David, Thomas et al. (Hg.): Schweiz – Afrika (18.-20. Jahrhundert). Vom Sklavenhandel zum Ende des Apartheid-Regimes, 2005, S. 25-42.
Weblinks
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Zitiervorschlag

Yiğit Topkaya: "Burckhardt", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.08.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020956/2024-08-20/, konsultiert am 09.12.2024.