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Tschudi

Alteingesessene Glarner Häupterfamilie. Die zahlenmässig grösste und bedeutendste Familie des Landes nannte sich ursprünglich Schudi oder Schudin und wird erstmals 1289 in Linthal erwähnt. Aegidius (->) versuchte, die Genealogie der Tschudi bis ins 10. Jahrhundert zurückzuführen bzw. die Familie mit dem Zürcher Rittergeschlecht von Glarus in Zusammenhang zu bringen. Der kritischen Geschichtsforschung des 20. Jahrhunderts hielt diese Rekonstruktion jedoch nicht stand. Gestützt auf Aegidius' Annahmen, erfanden spätere Genealogen ein Adelsdiplom, das Kaiser Ferdinand I. 1559 der Familie verliehen haben soll und wovon vor allem auswärtige Angehörige Gebrauch machten.

Von Beginn des 15. Jahrhunderts bis in neuere Zeit spielten die Tschudi im Glarner Staatswesen eine führende Rolle, stellten 17 Landammänner, einen Pannerherrn, Landvögte, Schranken- und Ratsherren. Etwa 170 Familienangehörige dienten als Offiziere in fremden Diensten. Den Aufstieg der Familie leiteten die Landammänner Jost der Ältere (->) und Johannes (->) im 15. Jahrhundert ein. Von Johannes' Sohn Ludwig dem Älteren (->) gehen die in der Geschichte des Landes Glarus bekanntesten Tschudi aus, so Ludwig der Jüngere (->). Dieser erwarb 1528 die Herrschaft Gräpplang, die bis 1766 als Fideikommiss in Familienbesitz blieb und nach der sich die Tschudi Freiherren von Flums und Gräpplang nannten. Ausserdem besassen die Tschudi Schloss und Gericht Schwarzwasserstelz bei Kaiserstuhl (1589-1831), Burg und Freisitz Uster (1663-1710), die Herrschaften Ortenstein (1523-1527), Hilfikon, Sarmenstorf (1743-1756), Amriswil und Wäldi (Gemeinde Häggenschwil, 17. Jh.).

In der Reformation spaltete sich die Familie, die reformierten Tschudi sind in Glarus und Schwanden, die katholischen in Glarus, Ennenda und Näfels verbürgert. Die vornehmen katholischen Tschudi widmeten sich fast ausschliesslich dem Staats- und Solddienst, stiegen in Frankreich, Österreich, vor allem in Spanien und Neapel, zu hohen militärischen und zivilen Stellungen auf. Aus einer Landammanndynastie mit Ulrich (->), Johann Ludwig (->) und Joseph Ulrich (->) stammen die Brüder und Soldunternehmer Leonhard Ludwig (->) und Josef Anton (->), Letzterer begründete die Neapolitaner Linie mit Fridolin Joseph Ignatius (->), Carl Ludwig Sebastian (->), Pasqual (->), Josef Anton (->) und Karl Ludwig (->). Eine im Dienst der Fürstabtei St. Gallen stehende Linie, der Abt Dominikus (->) von Muri zuzurechnen ist, residierte ab dem 16. Jahrhundert in Wil. Die reformierten Tschudi stellten ebenfalls eine Reihe Landammänner und betätigten sich bis ins 20. Jahrhundert in der Politik. Sie brachten eine Anzahl Wissenschafter, Ärzte und Pfarrer hervor, so die Geschichtsforscher Johann Heinrich (->) und Johann Jakob (->) sowie die in St. Gallen verbürgerten Brüder Johann Jakob (->), Forschungsreisender, und Friedrich (->), Naturwissenschafter und Politiker. Vielfach in Handel und Gewerbe tätig, trugen sie seit dem 18. Jahrhundert zur industriellen Entwicklung des Kantons bei (Tschudi & Cie. Schwanden, Textilfabriken in Italien).

Quellen und Literatur

  • LAG
  • LBGL
  • StAZH
  • StiB St. Gallen
  • ZBZ
  • Schweiz. Geschlechterbuch 5, 630-684
  • I. Tschudi-Schümperlin, J. Winteler, Wappenbuch des Landes Glarus, 1937, 83-85 (21977)
  • K. Vogel, Vornamengebung vom hohen MA bis 1975: Am Beispiel der Tschudi von Glarus, 1976
  • F. Stucki, 50 alte Glarner Fam., 1989, 88-94
  • A.-M. Deplazes-Haefliger, «Fam. und Verwandtschaft bei Aegidius Tschudi», in Aegidius Tschudi und seine Zeit, hg. von K. Koller-Weiss, C. Sieber, 2002, 19-42
  • F. Tschudy, Gesch. und Genealogie der Uralt Adeligen Fam. von Tschudy, von Tschudi, Tschudy, Tschudi, 3 Bde., Ms., 2002 (LAG)
  • K. Marti-Weissenbach, Die Unternehmerfam. Tschudi aus dem glarner. Schwanden, 2003

Zitiervorschlag

Veronika Feller-Vest: "Tschudi", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/021057/2012-11-21/, konsultiert am 19.03.2024.