Kiltgang bezeichnet das vor allem in ländlichen Regionen von der Sitte geregelte Werbeverhalten junger Männer, wonach sie nachts einzeln oder in Gruppen heiratsfähige Mädchen zuhause besuchten, sei es durch Einstieg in deren Kammern oder Zusammensein in der Stube. Der Einlass wurde oft mit verstellter Stimme, wohlgesetzten Reden oder besonderen Kiltsprüchen verlangt. Nächtliche Rivalenkämpfe gehörten zum typischen Erscheinungsbild (Bräuche). Gegenüber fremden Kiltern herrschte meist Unduldsamkeit; der Kiltgang verfolgte so endogame Zwecke. Der Intimität zwischen den Geschlechtern waren regional unterschiedliche Schranken gesetzt; der Kiltgang unterstand dabei der Kontrolle durch die lokalen Knabenschaften. Führten die Besuche zur Schwangerschaft (voreheliche Empfängnis), bestand für das Paar meist Heiratszwang (Ehe). Die frühesten Belege des Kiltgangs in der Schweiz stammen aus dem 16. Jahrhundert, aber die Sitte ist sicher wesentlich älter. Der Kiltgang ist keine schweizerische Besonderheit; er findet sich über weite Teile Mittel- und Nordeuropas, auch wenn er im voralpinen und alpinen Raum eine besondere Formenvielfalt entwickelte, die von Reiseschriftstellern und Kleinmeistern des 18. und 19. Jahrhunderts gerne als folkloristische Kuriosität dargestellt wurde. Der Kiltgang war unter zahlreichen Bezeichnungen bekannt, darunter z'Stubeti go und z'Liecht go, in Graubünden Hengert, im Maggia-, Lavizzara- und Verzascatal lokal abweichende Formen von naa a carèi (Fensterln) und in der Waadt héberger.
Quellen und Literatur
- G. Caduff, Die Knabenschaften Graubündens, 1932
- H.E. Cromberg, Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, 1970
- R. Braun, Industrialisierung und Volksleben, 21979, 69-72
- L. Junod, «Le Pays de Vaud a-t-il connu le "Kiltgang"?», in Schweizerisches Archiv für Volkskunde 93, 1997, 17-25
- «Caraa», in Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana 4, 1999-2003, 19
Weblinks