1565 berichtet der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat erstmals, wie "umb die zytt dess Ave-Marialüttens" die Sennen und Älpler "lütt und vych dem gnädigen schirm Gottes und syner werden muotter der himmel königin bevelche(n)", damit sie "alles übel und gespenst von disem ort abhallten, alles glück verlyhen und unfal abhallten wollent". Als heidnischer Viehsegen wurde der Alpsegen oder Betruf von der Luzerner Obrigkeit um 1609 verboten. Später soll der Obwaldner Jesuitenpater Johann Baptist Dillier den alten Viehruf christlich umgedeutet haben, indem er unter anderem die Rufform Loba (für die Anrufung der Kuh) zu Gott ze lobe umformulierte und insgesamt daraus einen christlichen Text schuf. In einer Art Gebetsrezitation wird noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Betruf im Sommer auf den Alpweiden der katholischen Berggebiete (namentlich in Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, im Oberwallis und in Liechtenstein) nach dem abendlichen Melken der Kühe über die Stafeln gerufen. Der Senn benützt zur megaphonartigen Verstärkung seiner Stimme einen hölzernen oder blechernen Milchtrichter (Folle), durch den er seinen Gebetruf auf vier bis fünf Rezitationstönen singt, um Gott, Maria und die Heiligen zu bitten, "alles, was auf dieser Alp ischt und dazugehört, zu behüätä und zu bewahre" (Ringmotiv in der Innerschweiz) oder das Vieh "vor dem Wolf sin Rache" und "dem Bäre si Tatze" (Sarganserland) zu beschützen.
Quellen und Literatur
- M.P. Baumann, Bibl. zur ethnomusikolog. Lit. der Schweiz, 1981
- M. Staehelin, «Bemerkungen zum sog. Alpsegen», in SAVk 78, 1982, 1-35
- B. Bremberger et al., «Der Betruf auf dem Urnerboden im Umfeld von Gesch., Inhalt und Funktion», in Jb. für Volksliedforsch. 29, 1984, 65-96
- Bättruef/Alpsegen/Swiss Alpine Prayer [CD und Booklet], 2006
- T. Wyss-Meier, Der Betruf im deutschsprachigen und rätorom. Raum, 2007
Weblinks