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Gesellschaftsrecht

Das Gesellschaftsrecht hat sich als Teil des Privatrechts mit dem Aufkommen und der Umwandlung der frühen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften in moderne Aktiengesellschaften entwickelt. Gemäss den Verfassungen von 1798 und 1802 war die Helvetische Republik für die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts in der ganzen Schweiz zuständig. Sie machte aber keinen Gebrauch von dieser Befugnis, sondern schaffte nur die Zünfte ab und führte die Handels- und Gewerbefreiheit ein.

Nachdem die Kantone nach 1803 und vor allem nach 1815 ihre legislativen Befugnisse zurückerhalten hatten, schufen sie im Sog der Liberalismus- und Regenerationswelle von 1820-1830 die ersten Gesetze zum Gesellschaftsrecht. Die Westschweizer Kantone entschieden sich entweder für die Beibehaltung des gültigen französischen Code de commerce von 1807 (Genf 1815-1816) oder schufen daran angelehnte eigene Gesetze (Neuenburg 1833, Freiburg 1849, Waadt 1852, Wallis 1853). In den Deutschschweizer Kantonen zeichneten sich zwei unterschiedliche Entwicklungen ab. Die bernischen Bestimmungen, die sich auf die Personengesellschaften beschränkten, wurden in das Zivilgesetzbuch von 1824-1830 und von Solothurn übernommen, das sie 1847 mit Bestimmungen zu den Aktiengesellschaften ergänzte; dazu erliess 1860 auch der Kanton Bern ein Gesetz. Im Kanton Zürich wurde das Gesellschaftsrecht inklusive der Aktiengesellschaften im Zivilgesetzbuch von 1853-1855 geregelt. Diese Gesetzgebung wurde 1857 von Luzern, 1862 von Graubünden und 1864 von Schaffhausen übernommen. Die kantonale Gesetzgebungen wiesen grosse Unterschiede auf. Einige verlangten eine Bewilligung des Staates für die Schaffung von Gesellschaften, was in verschiedenen europäischen Ländern auch für die Aktiengesellschaften galt (in Frankreich bis 1862, in Deutschland bis 1870).

Die Bundesverfassung von 1848 hob die Zollhindernisse zwischen den Kantonen auf, änderte aber nichts an deren Zuständigkeit für das Gesellschaftsrecht. Die Differenzen, die sich hemmend auf die Wirtschaft auswirkten, blieben also bestehen. Doch die Vereinheitlichungsbestrebungen liessen sich nicht aufhalten. 1864 legte Walther Munzinger im Auftrag des Bundesrates einen ersten Entwurf für ein Handelsrecht vor, dessen Ziel nicht die Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts durch Bundesregeln war, sondern die Harmonisierung durch ein Konkordat zwischen den Kantonen. Ein neuer, umfassenderer Entwurf wurde 1871 vorgelegt. Nachdem die Verfassung von 1874 dem Bund die Kompetenz zur Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts gegeben hatte, wurde der Entwurf noch einmal abgeändert (Entwurf Heinrich Frick von 1875), bis daraus schliesslich das eidgenössische Obligationenrecht von 1881 entstand. Das liberal geprägte Werk war prägnant formuliert und liess den Gesellschaftern bei der Reglementierung ihrer gegenseitigen Beziehungen grosse Freiheiten. Es verlangte keine Bewilligung des Staates mehr für die Schaffung von Gesellschaften.

Die meisten dieser Regeln wurden unverändert in das Obligationenrecht von 1911 übernommen. Nachdem ihre Revision beschlossen worden war, legte Eugen Huber 1919 einen ersten Entwurf vor, Arthur Hoffmann 1923 einen zweiten. Die neuen Bestimmungen wurden schliesslich 1936 angenommen. Auch sie sind liberal geprägt, aber detaillierter und präziser als diejenigen von 1881. Eingeführt wurde die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), eine Personengesellschaft mit kapitalistischem Charakter. Sie gelten mit Ausnahme der Bestimmungen über die Aktiengesellschaft, die nach einem langen Gesetzgebungsverfahren 1991 geändert wurden, noch immer. Ziel dieser Revision waren insbesondere eine grössere Transparenz, ein verstärkter Aktionärsschutz und eine erleichterte Kapitalbeschaffung.

1993 setzte der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements eine sogenannte Groupe de réflexion ein. Auf der Grundlage ihrer Schlussfolgerungen wurden den beiden Kammern entsprechende Gesetzesentwürfe (GmbH, Revision, Zulassung und Beaufsichtigung der Revisoren, Transparenz betreffend Vergütung der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung) unterbreitet, deren Beratung 2005 noch nicht abgeschlossen war. Seit 2004 ist das Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (kurz Fusionsgesetz) in Kraft. Fragen der Unternehmensführung bilden den Inhalt einer breit angelegten Debatte.

Quellen und Literatur

  • R. Patry, «Grundlagen des Handelsrechts 8/1», in Schweiz. Privatrecht, hg. von M. Gutzwiller et al., 1976, 32-42
  • L'unification du droit privé suisse au XIXe siècle, 1986
  • H. Kläy, «Überblick über den Schlussber. der Groupe de réflexion "Gesellschaftsrecht"», in Schweiz. Zs.f. Wirtschaftsrecht 66, 1994, 135-143
  • Le droit commercial dans la société suisse du XIXe siècle, 1997
  • A. Meier-Hayoz, P. Forstmoser, Schweiz. Gesellschaftsrecht, 81998, 222-246
  • R. Ruedin, Droit des sociétés, 1999, 13-20
Weblinks

Zitiervorschlag

Roland Ruedin: "Gesellschaftsrecht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.01.2006, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027305/2006-01-30/, konsultiert am 22.03.2025.