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HeinrichWölfflin

21.6.1864 Winterthur, 19.7.1945 Zürich, reformiert, von Basel. Sohn des Eduard (->). Ledig. 1882-1886 studierte Heinrich Wölfflin Philosophie und Literaturgeschichte in Basel, Berlin und München, promovierte 1886 und habilitierte sich 1888 in München. 1893 folgte er Jacob Burckhardt auf dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Basel. 1901-1912 war er ordentlicher Professor in Berlin, 1912-1924 ordentlicher Professor in München, 1924-1934 ordentlicher Professor in Zürich und nach seiner Emeritierung Honorarprofessor. Wölfflin setzte schon in seiner Dissertation «Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur» (1886) Architektur und Körperempfinden in Beziehung. Ohne je Kunstgeschichte studiert zu haben, wandte er sich unter dem Einfluss Burckhardts 1886-1887 anlässlich eines Romaufenthalts kunsthistorischen Fragestellungen zu. Seine Habilitationsschrift «Renaissance und Barock» (1888) verband die systematische formale Analyse mit der wahrnehmungspsychologisch beantworteten Frage nach den Ursachen des Stilwandels. In seinem Hauptwerk «Kunstgeschichtliche Grundbegriffe» (1915) entwickelte Wölfflin über den Vergleich von Werken der Renaissance mit solchen des Barock eine Stiltypologie, die auf den fünf begrifflichen Gegensatzpaaren linear – malerisch, Fläche – Tiefe, geschlossen – offen, Einheit – Vielheit, Klarheit – Unklarheit/Bewegtheit basierte. Um solche Vergleiche vornehmen zu können, verwendete er als erster während seiner Vorlesungen zwei Diaprojektoren. Seine Stiltypologie überführte er in eine Stilgeschichte als Kunstgeschichte ohne Namen und profilierte sich damit als Gegenspieler der kunsthistorischen Schule von Erwin Panofsky, Aby Warburg und Ernst Cassirer. Sie wurde schon in den 1920er Jahren von Fritz Strich auf die Literaturwissenschaft übertragen und wirkte dort weiter, etwa in Volker Klotz' «Geschlossene und offene Form im Drama» (1960). Wölfflin verkehrte im Salon von Elsa Bruckmann, die seinen Namen gegen seinen Willen unter den 1929 im «Völkischer Beobachter» erschienenen Aufruf des Kampfbunds für deutsche Kultur setzte. Dennoch sympathisierte Wölfflin mit nationalsozialistischen Ideen und seine Betrachtungen über die nationalen Aspekte in der Kunst erwiesen sich als ideologisch instrumentalisierbar. Seine Bibliothek und seine Fotosammlung vermachte er der Universität Zürich. Zudem beteiligte er sich an den Kosten der von der Stadt Zürich beim Bildhauer Hermann Hubacher in Auftrag gegebenen Ganymed-Skulptur. 1941 Dr. med. h.c. der Universität Zürich, 1944 Dr. h.c. der Universität Berlin.

Quellen und Literatur

  • Kleine Schr. (1886-1933), hg. von J. Gantner, 1946 (mit Werkverz.)
  • Heinrich Wölfflin, 1864-1945: Autobiogr., Tagebücher und Briefe, hg. von J. Gantner, 1982
  • UBB, Nachlass
  • G. Jedlicka, Heinrich Wölfflin: Erinnerungen an seine Jahre in Zürich (1924-1945), 1965
  • J.G. Hart, Heinrich Wölfflin: an Intellectual Biography, 1981
  • M. Lurz, Heinrich Wölfflin: Biogr. einer Kunsttheorie, 1981
  • Kunstgesch. im "Dritten Reich", hg. von R. Heftrig et al., 2008
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 21.6.1864 ✝︎ 19.7.1945

Zitiervorschlag

Elisabeth Eggimann Gerber: "Wölfflin, Heinrich", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027789/2013-11-20/, konsultiert am 29.03.2024.