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Milchpulver

Taugliche Verfahren zur Herstellung von Milchpulver, auch Trockenmilch genannt, kamen erst Jahrzehnte nach der Einführung der Kondensmilch in den 1860er Jahren auf (Milchwirtschaft). Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unternommenen Versuche zur Eintrocknung von Vollmilch, Magermilch oder teilweise entrahmter Milch führten beim erneuten Zufügen von Wasser zu keiner befriedigenden Rückführung ins Ausgangsprodukt. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen unter anderem die beiden heute noch wichtigsten Verfahren, die Sprühtrocknung und das Trocknen der Milch auf einer Walze, zur industriellen Anwendung. Der Wassergehalt der Milch wird dabei von etwa 88% auf 2-4 % gesenkt.

In der Schweiz gehörten die Firmen Swiss Dry Milk Co. in Glockenthal (Gemeinde Steffisburg), die Schokoladenfabrik Klaus in Le Locle sowie die John Glardon et Cie. in Châtel-Saint-Denis 1904 zu den frühesten Produzenten von Milchpulver. Probleme mit der Löslichkeit und Haltbarkeit des Produkts, insbesondere beim Vollmilchpulver, dazu die fast übermächtige Konkurrenz der etablierten Kondensmilchindustrie, die ihrerseits Milchpulver in ihr Produktionsprogramm aufzunehmen begann, liessen manches Milchpulverunternehmen nach kurzer Zeit wieder eingehen. Von den Konsumenten als eigenständiges Produkt wenig beachtet, fand das Milchpulver zunächst in der Kinderernährung, bald vermehrt auch als Halbfabrikat in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Schokolade, Back- und Wurstwaren, Glacé usw.) Verbreitung. Daher kam es auch betrieblich zu einer engen Verflechtung mit den belieferten Industrien. Eigentliche Trocknungswerke wie die ehemalige Milchpulverfabrik in Sulgen, die heute zur Hochdorf Nutritec AG gehört, waren die Ausnahme. Sie diente der Verwertung der bei der Buttermilchfabrikation anfallenden grossen Magermilchmengen und wurde vom Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten gegründet. Die beiden von der ehemaligen Swiss Dairy Food AG betriebenen Milchpulverwerke in Thun und Lucens wurden ab 2003 von der Cremo SA übernommen.

Im Gegensatz zur Kondensmilchindustrie entwickelte sich die Milchpulverindustrie ab den 1950er Jahren aufwärts. Wurden 1955 noch rund 9000 t Milchpulver produziert, waren es 1980 bereits 55'000 t und 1998 61'000 t. 2005 fiel die Produktion wieder auf 48'000 t zurück. Neben seiner Verwendung als Zusatz in den verschiedensten Nahrungsmitteln – unter anderem als Stabilisator und natürlicher Geschmacksverstärker – wird Milchpulver auch in der Soforthilfe bei humanitären Hilfeleistungen der Schweiz und, angereichert mit Fett oder Stärke, in der Futtermittelindustrie eingesetzt. Obwohl in den 1990er Jahren nur rund 3-4% der Verkehrsmilch getrocknet und zu Milchpulver verarbeitet wurden, spielte deren Produktion für die Verwertung der unregelmässig anfallenden Milch, die nicht zu Konsummilch, Milchspezialitäten oder Käse verarbeitet werden konnte, eine wichtige Rolle.

Quellen und Literatur

  • E. Wyssmann et al., Milchwirtschaft, 121943
  • HSVw 2, 219-221, (mit Bibl.)
  • Milchpulver 100% Natur, 1992
  • M. Maillard, Guigoz. Les débuts d'une entreprise innovatrice dans l'industrie laitière (1908-1937), Liz. Lausanne, 2000, (mit Bibl.)
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Kindermehl

Zitiervorschlag

Albert Pfiffner: "Milchpulver", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041579/2008-11-13/, konsultiert am 08.09.2024.