Autorin/Autor:
Hans-Peter Bärtschi
Die SBB sind eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes. Ihr Marktanteil am Schienenverkehr betrug Anfang der 2000er Jahre rund 87% für den Personentransport und ca. 90% im Bereich des Güterwesens. Die SBB betreiben ein Netz von knapp 3000 km Streckenlänge. Nach 1975 sind hauptsächlich im Rahmen des im Dezember 2004 abgeschlossenen Projekts Bahn 2000 bedeutende Neubauabschnitte entstanden. Vor allem seit 1994 sind aber auch auf einzelnen Linien der Personenverkehr eingestellt und Nebenlinien aufgegeben worden.
Die durch private und kantonale Initiative entstandenen Gründerbahnen, welche später in den SBB vereint wurden, befanden sich von Beginn an in einer finanziell ungefestigten Lage, verursacht durch den riesigen Kostenaufwand für den Bau der Basisstrecken und den Konkurrenzkampf um die Streckenführung unter den beteiligten Kantonen sowie unter den französischen, italienischen und deutschen Geldgebern. Die Depression, die von 1873 bis Mitte der 1890er Jahre dauerte, förderte schliesslich die Bereitschaft, Teile der Eisenbahnen zu verstaatlichen. Die in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch unterlegene Idee einer Bundesbahn vermochte sich nach einem erbittert geführten Abstimmungskampf durchzusetzen: Die Gründung der SBB wurde am 20. Februar 1898 in der Referendumsabstimmung zum «Bundesgesetz betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes und die Organisation der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen», dem sogenannten Rückkaufgesetz, vom Volk beschlossen. Die fünf grossen Bahnkonzerne sowie diverse kleinere Privatbahnen wurden verstaatlicht und in den SBB zusammengefasst: 1902 Schweizerische Centralbahn (SCB), Schweizerische Nordostbahn (NOB), Vereinigte Schweizerbahnen (VSB), 1903 Jura-Simplon-Bahn (JS). 1909 kamen die Gotthardbahn, 1913 die Jura-Neuchâtelois, 1918 die Tösstalbahn, 1922 die Seetalbahn und 1948 die Uerikon-Bauma-Bahn hinzu. Mit der JS wurde auch die Brünigbahn übernommen, mit der NOB die Bodenseeflotte.
Reorganisation und Infrastrukturausbau 1902-1918
Autorin/Autor:
Hans-Peter Bärtschi
Ein grosser Sanierungsbedarf bestimmte die Unternehmenstätigkeit der jungen SBB. Von Anfang an zentralisiert war das Rechnungswesen, die Normalien wurden vereinheitlicht. Die alten Verwaltungen der einstmaligen Privatbahnen wurden über Kreiseisenbahnräte der Generaldirektion, dem Verwaltungsrat und damit den Bundesbehörden unterstellt. Mit Ausnahme der Linien der Gotthardbahn und teilweise der JS befanden sich die Anlagen in baulich schlechtem Zustand. Die sogenannten Rückkaufssummen übertrafen den Kostenvoranschlag um 20%, obschon der geschätzte Realwert der Anlagen noch 10% unter diesem lag. Die Inbetriebnahme stärkerer Lokomotiven mit höheren Achslasten erforderte umfangreiche Infrastrukturmassnahmen. Kostspielig war die Sanierung von grossen Bahnhöfen und der Ausbau des Netzes mit Doppelspurstrecken. Als neue Linie vollendeten die SBB 1906 die durch die JS begonnene Simplonstrecke mit dem bislang längsten Durchstich der Welt, dem Simplontunnel (1922 zweite Röhre). Den mit einer Vielzahl von Kleinserien bestückten Rollmaterialpark begannen die SBB durch Einheitsbaureihen zu ersetzen.
Zentralisierung und Elektrifizierung 1919-1944
Autorin/Autor:
Hans-Peter Bärtschi
In der Zwischenkriegszeit erfolgte die Zentralisierung der Bahnverwaltung und die Elektrifizierung des Streckennetzes. Der bald als «Direktorenhypertrophie» verspottete Verwaltungsapparat wurde verschlankt. Die Anzahl Verwaltungsräte wurde um drei Viertel gesenkt, der Stab der Generaldirektoren halbiert. Die ehemalige Centralbahnverwaltung Basel wurde 1923 dem Sitz Luzern angeschlossen, der Kreis St. Gallen der Kreisdirektion Zürich. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten die Elektrofirmen Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) und Brown Boveri & Cie. (BBC) je eine SBB-Linie auf eigenes Risiko für den elektrischen Betrieb umgerüstet. Für die weitere Elektrifizierung des Netzes hatten die SBB anfänglich die Drehstromelektronik der Simplonbahn und nicht die von der MFO entwickelte, zukunftsträchtige Einphasenwechselstromelektronik übernommen. Diese wurde erst unter dem Eindruck des Kohlemangels während des Ersten Weltkriegs bevorzugt. Trotz der instabilen Konjunkturlage der Zwischenkriegszeit und den wachsenden Schulden wurde die Elektrifizierung vorangetrieben: Bahneigene Kraftwerke (Piotta, Amsteg, Barberine) wurden erstellt, die Entwicklung neuer Lokomotivtypen in Auftrag gegeben und der Fahrleitungsbau forciert. Um die Jahrhundertmitte wies das SBB-Netz den weltweit einzigartigen Elektrifizierungsgrad von 99,5% auf.
Konkurrenz des Individualverkehrs und Privatisierungsmassnahmen seit 1944
Autorin/Autor:
Hans-Peter Bärtschi
Das 1944 erlassene Bundesgesetz über die SBB ermöglichte eine einmalige Entschuldung, die Bildung eines Dotationskapitals und Sanierungen, die bis Ende der 1960er Jahre zu guten Betriebsresultaten führten. Trotz Grossinvestitionen sowohl in Knotenpunkt- und Rangierbahnhöfe als auch in die Strecken- und Rollmaterialmodernisierung sank der Verkehrsanteil (Verkehr) der Eisenbahnen im Vergleich zum finanziell stärker unterstützten Strassenverkehr (ein Zwei- bis Fünffaches der für die Eisenbahnen bereitgestellten öffentlichen Mittel) rapid. Ab 1987 konnten dank zusätzlichen Subventionen für Billettvergünstigungen, dem Taktfahrplan, dem Projekt Bahn 2000 und den S-Bahnen im Personenverkehr Anteile zurückerobert werden. Im gleichen Zeitraum wurde das Angebot im Nahgüterverkehr drastisch reduziert. Vermehrt wurde auf den kombinierten Schienen-Strassengüterverkehr (z.B. ab 1985 das 1996 verkaufte Stückgutunternehmen Cargo Domizil) sowie den Ausbau der Transitstrecken gesetzt (Neue Eisenbahn-Alpentransversale NEAT ab 1992, geplante Zusammenarbeit im Transportbereich mit den italienischen Staatsbahnen). Das revidierte Eisenbahngesetz von 1996 entband Bund und SBB von Verpflichtungen im Regionalverkehr. Dies zog in schwächer besiedelten Gebieten, für die keine kantonalen oder kommunalen Mittel bereitgestellt werden konnten, nach einem Jahrzehnt des Leistungsausbaus Abbaumassnahmen nach sich. Mit einer weiteren Revision des Bundesbahngesetzes wurden die SBB per 1. Januar 1999 vom Regiebetrieb in eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft überführt. Die mit dieser Statusänderung verbundenen Reformmassnahmen in Richtung Privatisierung sollen die Wettbewerbsfähigkeit der SBB in einem liberalisierten schweizerischen und europäischen Markt fördern.
Unternehmenskennzahlen der SBB 1903-2010
a 1987 Einführung eines neuen Leistungsauftrags: Die aufgeführten Unternehmensbilanzen ab 1990 sind mit dem Aktivsaldo der vorangehenden Jahre nur noch beschränkt vergleichbar.
b ohne Schiffsbetriebe Bodensee
c 2003 Systemwechsel der SBB in der Berechnung der Personenfahrten
Unternehmenskennzahlen der SBB 1903-2010 - Historische Statistik der Schweiz; Geschäftsbericht der SBB, 2000, 2003 und 2010