Als Richtstätte (mittelhochdeutsch rihtstat, dingstat) bezeichnete man vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert sowohl den Ort, an dem ein Gericht tagte, wie auch den davon getrennten Schauplatz der Vollstreckung von Todesurteilen. Generell fanden Hinrichtungen zur Abschreckung in der Öffentlichkeit statt. Richtstätten wurden auf öffentlichen Plätzen (Marktplatz) ad hoc eingerichtet, vor allem bei spektakulären Exekutionen (z.B. in Basel 1691 für die Enthauptung von Johannes Fatio). Mehrheitlich aber waren die Richtstätten mit dem Bau steinerner Galgen ab dem 13. oder 14. Jahrhundert zu festen Örtlichkeiten geworden. Sie lagen weithin sichtbar auf Hügeln oder an Abhängen über Verkehrswegen, stets unmittelbar an der Gerichtsgrenze bei Eintritt in das Hoheitsgebiet der betreffenden Stadt oder Herrschaft. Der von einer Mauer umfasste Bezirk war meist für die unterschiedlichen Todesstrafen mit Galgen, Rad und Pfahl ausgestattet. Je nach örtlicher Tradition übte der gleiche Scharfrichter alle Exekutionen (Hängen, Köpfen mit Schwert, aufs Rad Flechten, Verbrennen auf Scheiterhaufen usw.) auf derselben oder auf verschiedenen Richtstätten aus. Ertränkt wurde in fliessenden Gewässern, in Bern zum Beispiel in der Aare im Marzili.

Zur ritualisierten Exekution gehörte der Weg der Verurteilten vom Ort der Urteilsverkündung zur Richtstätte zu Fuss oder auf Karren in Begleitung eines Geistlichen, der Richter und der Schaulustigen. Am Galgen Exekutierte wie zur Schau aufgeknüpfte Tote (Selbstmörder, Geköpfte) wurden der Verwesung bzw. den Raben zum Frass überlassen. Abgefallene Leichen und Leichenbrand verscharrte der Scharfrichter unter oder um den Galgen. Richtstätten dienten auch als Abdeckplätze für Tierkadaver; Scharfrichter amteten als Wasenmeister (Schinder, Abdecker).
Im Mittelalter waren Richtstätten auf Städte und grössere Herrschaften beschränkt. Da sie Zeichen der obrigkeitlichen Macht darstellten, nahm ihre Zahl im Zuge der Territorialisierung vom 16. Jahrhundert an besonders auf dem Land zu, obwohl die Anzahl der Hinrichtungen relativ gering war (z.B. in Luzern zwischen 1562 und 1790 durchschnittlich eine alle zwei Jahre). Weil Bauarbeiten an Richtstätten diffamierten, mussten die Obrigkeiten ihre Handwerker durch öffentlichen Ruf schützen (Unehrliche Berufe).
Mit der Einführung der intramuralen Hinrichtung nach 1800, unter anderem durch die Guillotine (Luzern bis 1915), bzw. nach Abschaffung der Todesstrafe gaben die Kantone als Eigentümer ihre Richtstätten auf. Diese zerfielen, sodass oft nur Flurnamen wie etwa Galgenholz an ihre frühere Existenz erinnern. Einige Richtstätten sind zum Teil erhalten geblieben (u.a. Aarburg, Ernen, Hospental, Roveredo GR).