Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 wurde Deutschland in vier Besatzungszonen unterteilt. 1949 entstanden – als Folge des Kalten Kriegs – die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, Erstere aus den drei Westzonen, Letztere aus der Sowjetischen Besatzungszone (mit der Ostgrenze auf der Oder-Neisse-Linie). Die DDR war ein totalitärer, planwirtschaftlicher Einparteienstaat nach dem Muster der Volksdemokratie. Fest eingebunden in den militärischen und wirtschaftlichen Machtbereich der Sowjetunion, existierte die DDR bis zum Ende des Ost-West-Konflikts. Nach dem Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989 kam es 1990 zur deutschen Wiedervereinigung.
Sowjetische Besatzungszone 1945-1949
Am 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und damit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, bezeichnete der Bundesrat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland als hinfällig, da "keine offizielle Reichsregierung" mehr bestehe. Der Alliierte Kontrollrat in Berlin wurde vom Bundesrat nicht als Regierung Deutschlands anerkannt. In Berlin wurde die schweizerische Gesandtschaft geschlossen. Da die Sowjetische Militäradministration (SMAD) eine Weiterführung von westlichen Konsulaten auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nicht mehr erlaubte, war die in Berlin seit August 1945 unter François de Diesbach tätige Schweizerische Heimschaffungsdelegation die einzige schweizerische Vertretung in der SBZ. Ihre Aufgabe bestand neben der Repatriierung von rückkehrwilligen Schweizern (im Mai 1945 befanden sich ca. 20'000 auf ostdeutschem und polnischem Gebiet, 1947 in der SBZ noch rund 4500) in der Anbahnung wirtschaftlicher Kontakte mit der SMAD sowie in der Verteidigung der durch Nationalisierungen in der SBZ verletzten schweizerischen Interessen. Die Schweizerische Heimschaffungsdelegation (nach 1949 "Schweizer Delegation") wurde von der SMAD nie offiziell anerkannt. Sie blieb bis 1972 die einzige Kontaktstelle, die Bern zu Ostberlin unterhielt.
1946 schloss die Schweiz ein Zahlungsabkommen mit der SMAD, und 1948 regelte sie mit der Deutschen Wirtschaftskommission in einem Protokoll den Waren- und Zahlungsverkehr mit der SBZ. Dieses war bis 1975 die einzige Rechtsgrundlage für den Handels- und Zahlungsverkehr. Importiert wurden vor allem Metallwaren, Musikinstrumente, feinmechanische und optische Geräte, exportiert wurden chemische Produkte und elektrotechnische Präzisionsapparate.
Von der Gründung der DDR bis zur Anerkennung durch die Schweiz 1949-1972
Eine diplomatische Anerkennung der am 7. Oktober 1949 gegründeten DDR kam für den Bundesrat nicht in Frage. Beziehungen waren dennoch vonnöten, da es die Interessen der Schweizerkolonie in der DDR zu vertreten galt. Die Schweizer Delegation in Berlin musste jedoch alles vermeiden, was von der international isolierten DDR als politische Anerkennung hätte interpretiert werden können. Im Frühjahr 1952 kam es zwischen den beiden Staaten zu Wirtschafts- und Entschädigungsverhandlungen, die jedoch am ostdeutschen Anerkennungsanspruch scheiterten. 1954 richtete die DDR am Sitz der UNO-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) in Genf eine Beobachtermission ein, die als zusätzliches Verbindungsglied zu den schweizerischen Behörden funktionierte. 1955-1967 stand die schweizerische DDR-Politik im Schatten ihrer Beziehungen zu Bonn und unter Druck der Westmächte. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Bern sprach verschiedentlich im Politischen Departement (heute EDA) vor, um den westdeutschen Alleinvertretungsanspruch (sogenannte Hallsteindoktrin) geltend zu machen.
Handelsbilanz Schweiz-DDR (in Mio. Fr.) 1948-1989
Jahr | Import | Export |
---|---|---|
1948 | 28,3 | 3,4 |
1949 | 15,6 | 6,9 |
1951 | 26,4 | 22,5 |
1960 | 25,8 | 24,6 |
1970 | 58,5 | 110,8 |
1975 | 59,8 | 185,4 |
1980 | 68,5 | 220,3 |
1985 | 133,3 | 189,8 |
1989 | 145,0 | 400,0 |
Die Handelsbeziehungen zur DDR blieben mengenmässig minim und litten unter anderem am Osthandelsembargo. Anknüpfungspunkte bestanden zum Beispiel an der Leipziger Messe, die von Schweizer Kaufleuten besucht wurde. Die ehemals grosse Schweizerkolonie auf ostdeutschem Gebiet schrumpfte nach 1949 stark. 1950 befanden sich 4257 Schweizer in der DDR, 1956 3021, 1966 1935 (ohne Doppelbürger, deren Zahl aufgrund der ostdeutschen staatsbürgerlichen Gesetze rasch zunahm). Angesichts fehlender diplomatischer Beziehungen bildeten kulturelle Kontakte eine Brücke zwischen den beiden Staaten. Sie gestalteten sich 1949-1972 aber uneinheitlich und waren vor allem auf private Initiativen zurückzuführen: 1951 gab die DDR dem Museum Rietberg in Zürich einen Teil der Von-der-Heydt-Sammlung asiatischer und afrikanischer Kunst zurück. Der Dresdner Kreuzchor und das Leipziger Gewandhausorchester befanden sich auf mehreren Konzertreihen in der Schweiz. 1971 wurden Werke aus der Dresdner Kunstgalerie in Zürich ausgestellt. Hinzu kamen Beziehungen in den Bereichen Sport, Kirche und Wissenschaft. Die Entspannung im Zuge der neuen Ostpolitik der BRD ab 1967 führte am 10. August 1972 zum Austausch von Handelsmissionen und nach dem Grundvertrag, in dem sich die BRD und die DDR gegenseitig anerkannten, am 20. Dezember 1972 zur diplomatischen Anerkennung.
Diplomatische Beziehungen 1973-1990
1973 wurden die Botschafter in Bern bzw. Ostberlin akkreditiert. 1975 schlossen die beiden Staaten einen Handelsvertrag. In diesem Zusammenhang waren auch Entschädigungsverhandlungen über nationalisiertes schweizerisches Eigentum vorgesehen, die jedoch bis 1990 nie zu einem Abschluss gelangten. Die ostdeutsche Botschaft musste am 3. Oktober 1990 schliessen, während der Aufgabenbereich der schweizerischen Botschaft in Ostberlin im Oktober 1990 an die Schweizer Botschaft in Bonn überging. Die DDR stellte auch nach der Anerkennung für die schweizerische Wirtschaft keinen wichtigen Partner dar. Im Gegensatz dazu rangierte die Schweiz im Aussenhandel der DDR an 3. (Import) bzw. 7. Stelle (Export).
Nach der diplomatischen Anerkennung verstärkten sich die kulturellen Beziehungen: Der Thomaner-Chor aus Leipzig gab Konzerte in der Schweiz, Werke von Schweizer Schriftstellern erschienen in der DDR, die Pro Helvetia unterstützte schweizerische Bühnen- und Musikensembles in der DDR, und auch der wissenschaftliche und publizistische Austausch nahm zu. Im Gegensatz dazu verringerte sich die Schweizerkolonie weiter kontinuierlich über 1410 (1977) auf 947 Schweizer (1989, ohne Doppelbürger).
Quellen und Literatur
- BAR
- DDS 15-
- M. Glatz, Berlin und Ostdeutschland im Kalten Krieg 1945-1952, Liz. Bern, 1988
- P. Widmer, Die Schweizer Gesandtschaft in Berlin, 1997
- T. Steffen Gerber, «"Eine Abordnung mit zeitl. begrenztem Auftrag"», in Aufstieg und Niedergang des Bilateralismus, hg. von P. Hug, M. Kloter, 1999, 359-386
- E. Flury-Dasen, «"Zum Konzentrationslager gewordene Stadt": Die schweiz. Haltung zur Berlin-Krise und zum Mauerbau 1958-1962», in 1961 – Mauerbau und Aussenpolitik, hg. von H. Timmermann, 2002, 269-292
- T. Steffen Gerber, Das Kreuz mit Hammer, Zirkel, Ährenkranz, 2002
- E. Flury-Dasen, «Der Arbeiteraufstand vom Juni 1953: Wahrnehmung und Reaktionen der schweiz. Regierung, der Bundesversammlung und der Presse», in Juni 1953 in Deutschland, hg. von H. Timmermann, 2003, 130-163
- Die Schweiz und Deutschland 1945-1961, hg. von A. Fleury et al., 2004
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