Gemäss dem Prinzip der Subsidiarität soll die höhere Organisationsebene eine Aufgabe nur dann übernehmen, wenn die untere Ebene diese nicht ausreichend erfüllen kann. Seine Ursprünge gehen auf die antike Philosophie zurück, so findet es sich in der Philosophie des Aristoteles. Seit der Antike wurde die Subsidiarität immer wieder postuliert, im Mittelalter etwa bei Dante Alighieri und in der Neuzeit bei Benjamin Constant, Friedrich August von Hayek sowie bei den Kommunitaristen. Die Subsidiarität ist durch Äusserungen von Papst Pius XI. in der Enzyklika "Quadragesimo Anno" (1931) und durch deren Übernahme im politischen Katholizismus berühmt geworden, sodass sie zeitweise als katholisches Prinzip galt. In der Schweiz verwirklichte sich das Prinzip der Subsidiarität speziell in der bundesstaatlichen Organisation. Nach der Gründung des Bundesstaats 1848 stellte sich zunehmend die Frage nach dem Ausbau der in der Bundesverfassung erwähnten Bundeskompetenzen. Die katholischen Kantone, vor allem aber die Kantone der französischen Schweiz sperrten sich oft gegen eine weitere Zentralisierung. Die Verfassungskämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts waren zu einem grossen Teil Auseinandersetzungen um die Tragweite des Subsidiaritätsprinzips. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts waren die Bundeskompetenzen so weit ausgebaut, dass die Subsidiarität an Bedeutung verlor. Das in der Europäischen Union im Primärrecht verankerte Prinzip der Subsidiarität fand in der Schweiz in die Bundesverfassung von 1999 (Artikel 5a) Eingang und zeigt dessen endgültige Durchsetzung in der schweizerischen Staatsorganisation, aber auch dessen Gefährdung an.
Quellen und Literatur
- H. Stadler, Subsidiaritätsprinzip und Föderalismus, 1951
- A.F. Utz, «Die geistesgeschichtl. Grundlagen des Subsidiaritätsprinzips», in Das Subsidiaritätsprinzip, hg. von A.F. Utz, 1953, 7-44
- F. Cotti, Federalismo, sussidiarità, protezione delle minoranze, 1994
- J.-F. Aubert, «Le principe de subsidiarité dans la Constitution fédérale de 1999», in Mélanges en l'honneur de Henri-Robert Schüpbach, 2000, 3-27
- T. Strohm, «Die unerwartete Renaissance des Subsidiaritätsprinzips», in Zs.f. evang. Ethik 45, 2001, 64-72
Weblinks