Der Schweizerische Verband der Akademikerinnen ist das bedeutendste nationale Netzwerk von Hochschulabsolventinnen. Der Verband gehört der 1919 gegründeten International Federation of University Women (IFUW; seit 2015 Graduate Women International, GWI) an und ist seit 1949 Mitglied im Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (seit 1999 Alliance F).
Die Gründung des SVA und seine Aufnahme in die IFUW gehen auf die Genfer Ärztin Mariette Schaetzel zurück. Zusammen mit der Genfer Anwältin Nelly Schreiber-Favre vernetzte sie sich mit einer bestehenden Gruppierung von Berner Akademikerinnen um die Pädagogin Anna Louise Grütter, gründete die Association genevoise de femmes universitaires und regte die Gründung von weiteren Ortsgruppen in Basel und Zürich an. Diese vier Vereinigungen fanden sich am 22. März 1924 zur konstituierenden Versammlung des schweizerischen Verbands ein. An der ersten Generalversammlung im Oktober 1924 wurde Schreiber-Favre zur Präsidentin, Schaetzel zur Generalsekretärin ernannt. Zu diesem Zeitpunkt zählten die im Verband organisierten Vereinigungen zusammen bereits 220 Mitglieder. Bis in die 1980er Jahre wuchs diese Zahl auf rund 1500; 2019 gehörten dem Verband in den neun Sektionen Basel, Bern, Freiburg, Genf, Graubünden, Solothurn, Waadt, Zentralschweiz und Zürich rund 650 Frauen an.
Der SVA definierte sich als politisch, kulturell und konfessionell unabhängige Organisation. Die 1925 revidierten Statuten legen als Ziele die nationale und internationale Vernetzung, die Pflege freundschaftlicher Beziehungen, aber auch die Förderung der wissenschaftlichen Arbeit und der Berufsinteressen von Akademikerinnen fest. Die friedens- und gleichstellungspolitischen Zielsetzungen sind kontinuierliche Anliegen des Verbands geblieben.
Der SVA ist als Verein mit einem Zentralvorstand und ihm angeschlossenen regionalen Sektionen nach föderalistischen Prinzipien organisiert. Oberstes Organ ist die jährliche Delegiertenversammlung mit Vertreterinnen aus allen Sektionen. Nebst den vier Ursektionen Genf, Bern, Basel und Zürich wurden elf weitere gegründet, sechs davon um 1970 auf Anregung der Präsidentin Lydia Benz-Burger. Die sechs Sektionen Neuenburg, St. Gallen, Schaffhausen, Aargau, Wallis und Tessin lösten sich wieder auf, mehrheitlich in den 1990er Jahren. Die Mitgliederinformationen beschränkten sich bis in die 1950er Jahre hinein auf kürzere Tätigkeitsberichte und Informationsschriften. Seit 1954 erhalten die Mitglieder regelmässig ein Bulletin.
Seinen Vereinszielen kommt der SVA auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene nach. Er arbeitet seit seiner Gründung eng mit der internationalen Dachorganisation IFUW zusammen. Die Schweiz war mehrmals Gastland des Kongresses der Dachorganisation (1929 in Genf, 1950 in Basel und Zürich, 2019 Jubiläumskongress der GWI in Genf). Anfang der 1970er Jahre wurde zudem der Geschäftssitz der IFUW nach Genf verlegt. Die nationalsozialistische Machtergreifung und der 2. Weltkrieg stellten den schweizerischen Verband vor neue Herausforderungen: Ab 1933 baten die ersten deutschen Akademikerinnen um Mithilfe bei der Beantragung von Asyl in der Schweiz. Mariette Schaetzel begann in ihrer Amtszeit als Präsidentin (1938-1941) einen Fonds für geflüchtete Akademikerinnen aufzubauen. Daraus entwickelte sich später der heute noch von der GWI verwaltete Hegg Hoffet Fund, benannt nach der Psychologin Blanche Hegg-Hoffet, die den schweizerischen Verband 1941-1947 präsidierte.
Zur Förderung von Akademikerinnen gründete der Zentralvorstand unter anderem die Kommission für Berufsinteressen, die statistisches Material bereitstellte und zeitweise Stellen vermittelte. Ebenso gehörte die Verleihung und Vermittlung von Forschungsstipendien zu den Verbandsaufgaben. Aus den Reise- und Stipendienfonds, die teilweise auch in der IFUW eingebunden waren, entstand 1994 die Stipendienstiftung, die 2016 aufgelöst wurde. Bis heute existieren die verschiedenen Wissenschaftspreise der einzelnen Sektionen.
Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit beteiligte sich der SVA an der Saffa 1928 und 1958, an der Landesausstellung 1939 und an der nationalen Forschungsausstellung Heureka 1991. Ausserdem gab er diverse Informationsblätter zu akademischen Berufen, aber auch grössere Publikationen wie die frühe Bestandesaufnahme Das Frauenstudium an den Schweizer Hochschulen (1928) heraus.
Die statutarisch festgelegte politische Neutralität des Verbands stellte weder für den Zentralvorstand noch die Sektionen ein Hindernis dar, gleichstellungs- und bildungspolitische Anliegen zu vertreten oder sich in Versammlungen über aktuelle politische Fragen auszutauschen. So engagierten sich etwa viele Verbandsmitglieder für das Frauenstimm- und Wahlrecht. Nach dessen Einführung auf eidgenössischer Ebene 1971 befanden sich unter den gewählten Parlamentarierinnen mehrere Verbandsangehörige. Auch in den letzten Jahren agierte der Verband politisch, zum Beispiel als Partner der überparteilichen Frauenallianz anlässlich des Equal Pay Day.
Präsidentinnen des Schweizerischen Verbands der Akademikerinnen
Amtsjahre | Name |
---|---|
1924-1929 | Nelly Schreiber-Favre |
1929-1932 | Ruth Speiser |
1932-1935 | Antoinette Quinche |
1935-1938 | Jeanne Eder-Schwyzer |
1938-1941 | Mariette Schaetzel |
1941-1947 | Blanche Hegg-Hoffet |
1947-1950 | Alice Keller |
1950-1953 | Anne-Marie Du Bois |
1953-1956 | Marguerite Henrici-Pietzcker |
1956-1959 | Elisabeth Fauconnet-Baudin |
1959-1962 | Helene Thalmann-Antenen |
1962-1965 | Liselott Schucan-Grob |
1965-1968 | Berthe Lang-Porchet |
1968-1971 | Lydia Benz-Burger |
1971-1974 | Helen Pfister-Maguin |
1974-1977 | Simone Wildhaber-Creux |
1977-1980 | Elisabeth Lardelli |
1980-1983 | Isabell Mahrer |
1983-1986 | Huguette de Haller-Bernheim |
1986-1989 | Gertrud Forster |
1989-1992 | Nicole Grin |
1992-1995 | Franziska De Souza-Del Vecchio |
1995-1996 | Marise Paschoud |
1996-2002 | Catherine Bandle |
2002-2007 | Ursulina Mutzner |
2008-2014 | Verena Welti |
2014-2016 | Anita Haldemann |
2016- | Doris Boscardin |