1.4.1800 Neuenburg, 5.8.1890 Neuenburg, reformiert, von Neuenburg und Boudry. Erzieherin am preussischen Hof in Berlin und Übersetzerin von Jeremias Gotthelfs Romanen Uli der Knecht und Uli der Pächter ins Französische.

Über Adèle de Pierres Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Ihre Eltern, Philippe-Auguste de Pierre und Charlotte Julie Philippe geborene de Bosset, entstammten dem liberalen, gegenüber dem preussischen König loyalen Patriziat Neuenburgs. Der Vater hatte das Amt des Staatsrats inne und engagierte sich in gemeinnützigen und wohltätigen Vereinen. Ihr Bruder Louis-Philippe wurde ein erfolgreicher Gutsverwalter und Weinbauer. Dieses familiäre Umfeld wirkte prägend auf de Pierre. Die ledig gebliebene Adèle de Pierre war mit der Familie Borel befreundet, die ebenfalls Töchter als Gouvernanten und Gesellschafterinnen ins Ausland schickte. In Neuenburg existierten zudem ab dem Ende des 18. Jahrhunderts mehrere Pensionate für junge Mädchen, deren Leiterinnen im Ausland gearbeitet hatten. Vielleicht gelangte de Pierre dank dieser Kontakte nach Preussen. 1851-1853 arbeitete sie als Erzieherin am preussischen Hof in Berlin, an dem sie die Bernerin Sophie von May ablöste. Ihr Schützling war Prinzessin Luise von Preussen, Tochter des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I., die 1856 Grossherzog Friedrich I. von Baden heiratete. Mit der Anstellung de Pierres führte Berlin die Tradition der Neuenburger Erzieherinnen fort. So hatte schon die Neuenburgerin Salomé de Gélieu Luises gleichnamige Grossmutter Luise von Mecklenburg, spätere Königin von Preussen, erzogen.
![Erste Seite des Briefs von Adèle de Pierre an Albert Bitzius vom 31. Januar 1854 (Burgerbibliothek Bern, N Jeremias Gotthelf 25.5 [43]).](/download/Articles/058875/2020-04-08/med058875-001/PIERRE_ADELE-DE_N_Jeremias_Gotthelf_25_5_43_b2_p1.jpg?rev=1.2&width=450)
In Berlin hatte Albert Bitzius auch am Königshof mit seinen unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf veröffentlichten Werken Erfolg. Die Mutter von Prinzessin Luise, Augusta von Preussen, stand sogar im Briefwechsel mit ihm. Was de Pierre bewog, die Romane Uli der Knecht und Uli der Pächter ins Französische zu übersetzen und wann sie in Berlin eintraf, ist nicht bekannt. Ihre erste Übersetzung wurde 1850 noch vor Antritt ihrer Stelle in Berlin, die zweite 1853 veröffentlicht. Sie erschienen anonym, aber de Pierres Autorschaft lässt sich anhand ihrer Korrespondenz und von Tagebucheintragungen belegen. 1854 und 1876 wurden ihre Übersetzungen nochmals aufgelegt. Wilhelm I. verlieh ihr als König von Preussen den Titel einer Stiftsdame des lutherischen Ordens von Magdeburg. In den 1950er Jahren besass Hugues Jéquier, ihr in Paris lebender Grossneffe, noch Briefe und ein Tagebuch aus ihrem Nachlass.