22.12.1963 Niederuzwil, katholisch, von Jonschwil und Kirchberg (SG). Dolmetscherin, Regierungsrätin und Ständerätin des Kantons St. Gallen, Bundesrätin der FDP.Die Liberalen.
Karin Sutter wuchs als jüngstes von vier Kindern des Wirtepaars Walter Sutter und Rosa geborene Schnyder in Wil (SG) auf, wo die Eltern das Restaurant Ilge führten und Sutter die Primarschule sowie die Mädchensekundarschule St. Katharina besuchte. Für ihre weitere Ausbildung ging sie nach Neuenburg, wo sie 1982 das Handelsdiplom machte. Nach einem Aufenthalt in London studierte sie 1984-1989 an der Dolmetscherschule Zürich (DOZ) sowie ein Semester an der Universität Montreal und machte sich als diplomierte Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin selbstständig. Daneben unterrichtete sie an den Kaufmännischen Berufsschulen in St. Gallen und Wil und absolvierte 1994-1996 berufsbegleitend die Ausbildung zur Berufsmittelschullehrerin an der Universität Freiburg. 1989 heiratete sie den Rechtsmediziner Morten Keller. Dieser leitet seit 2014 die städtischen Gesundheitsdienste Zürich. Die Ehe blieb kinderlos.
Nach ihrer Rückkehr aus Kanada trat Sutter noch als Studentin, geprägt von ihrem gewerblichen familiären Umfeld, in die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) ein und emanzipierte sich damit von der katholisch-konservativen Haltung ihrer Eltern. Bereits während des Studiums im Verband der schweizerischen Studentenschaften (VSS) engagiert, war sie 1992-2000 Mitglied und 1997 Präsidentin des Wiler Stadtparlaments. 1997 wurde Keller-Sutter an die Spitze der FDP-Kantonalpartei gewählt. Ab 1996 Kantonsrätin, gelang ihr im März 2000 die Wahl in den Regierungsrat des Kantons St. Gallen, in dem sie während zwölf Jahren das Sicherheits- und Justizdepartement leitete; 2006-2007 und 2011-2012 war sie Regierungspräsidentin. 2010-2012 stand sie der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) vor.
Keller-Sutter setzte Akzente im Asyl- und Ausländerbereich, wo sie auf einen konsequenten Vollzug des Bundesrechts pochte, sowie im Kampf gegen Hooligans, und erwarb sich über die Kantonsgrenzen hinaus einen Ruf als politische Hardlinerin. Sie schuf schweizweit erstmals gesetzliche Grundlagen, die Wegweisungen von tätlichen Personen bei häuslicher Gewalt erlauben. Die eloquent und mit politischem Gespür auftretende Regierungsrätin wurde auf kantonaler Ebene wiederholt mit Spitzenergebnissen gewählt. 2010 scheiterte sie indes knapp, als sie für den Bundesrat kandidierte und im vierten Wahlgang dem Kandidaten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) Jean-François Rime und ihrem letztlich gewählten Parteikollegen Johann Schneider-Ammann unterlag. 2011 wurde sie im Rahmen der Unterhaltungssendung Swiss Award zur Politikerin des Jahres erkoren.
Im Oktober 2011 wählten die Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen Keller-Sutter im ersten Wahlgang in den Ständerat; Ende Mai 2012 trat sie aus der Kantonsregierung zurück. 2015 gelang ihr die Wiederwahl mit einem guten Ergebnis. Im Ständerat wurde sie dank ihrer Arbeit als Mitglied der Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben, für soziale Sicherheit und Gesundheit, der Aussenpolitischen Kommission sowie der Efta/EU-Delegation (Präsidentin 2018) zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten. 2017-2018 war sie Ständeratspräsidentin. Sie engagierte sich zudem in diversen Verwaltungsräten und Verbänden, unter anderem 2013-2018 als Präsidentin der Swiss Retail Federation und 2012-2016 im Verwaltungsrat der Neuen Zürcher Zeitung.
Nach Johann Schneider-Ammanns Bekanntgabe seines Rücktritts im September 2018 stellte die FDP Keller-Sutter zusammen mit dem Nidwaldner Ständerat Hans Wicki erneut als Bundesratskandidatin auf. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte sie am 5. Dezember 2018 im ersten Wahlgang mit 154 Stimmen; Wicki erhielt 56 Stimmen. Sie übernahm von Simonetta Sommaruga, die ins Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wechselte, die Leitung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Keller-Sutter verfolgte in der Asylpolitik eine rigorose Umsetzung des Dublin-Abkommens und intensivierte Gespräche mit Drittstaaten über den Vollzug von Rückübernahmen von Asylsuchenden. 2019-2020 stellte sich das Stimmvolk bei drei von vier Vorlagen, für die ihr Departement zuständig war, hinter den bundesrätlichen Vorschlag, indem es im Mai 2019 die Verschärfung des Waffenrechts und im Februar 2020 die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm guthiess sowie im September 2020 die Begrenzungsinitiative der SVP, die das EU-Abkommen über die Personenfreizügigkeit aufkünden wollte, ablehnte.
Die von der Bundesrätin bekämpfte Konzernverantwortungsinitiative, die Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen eingereicht hatten, verfehlte im November 2020 das Ständemehr. Im März 2021 gelang es Keller-Sutter vorerst nicht, eine gesetzliche Grundlage für elektronische Identifizierungsdienste (E-ID) zu schaffen; ein entsprechendes und von ihr stark beworbenes Vorhaben scheiterte an der Urne. Mit dem Bundesgesetz zur Terrorismusbekämpfung, das die polizeilichen Massnahmen im Rahmen präventiver Eingriffe erheblich ausbaute und wegen seiner vagen Terrorismusdefinition unter anderem vom UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte kritisiert wurde, konnte die Bundesrätin im Juni 2021 eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für ihren sicherheitspolitischen Kurs gewinnen. 2023 übernahm sie von Ueli Maurer die Leitung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Karin Keller-Sutter ist seit 2018 Ehrenbürgerin von Wil.