25.12.1919 Saumur, 22.11.2020 Genf, katholisch, Französin, ab 1959 von Genf. Lehrerin, französische Widerstandskämpferin und Deportierte, Präsidentin der Schweizer Sektion der Association nationale des anciennes déportées et internées de la Résistance (Adir), Zeitzeugin der Deportationen während des Zweiten Weltkriegs.
Noëlla Peaudeau wuchs als Tochter des Schmieds Clément Peaudeau und der Näherin und Hausfrau Marie geborene Bossard auf; ihr älterer Bruder Georges Peaudeau war Priester. Nach dem Umzug der Familie nach Angers besuchte sie dort das katholische Pensionat Saint-Laud, legte ihr Abitur ab und wurde anschliessend an derselben Schule Lehrerin. Als die Deutschen 1940 Angers besetzten (Zweiter Weltkrieg), schloss sie sich der gaullistischen Résistance-Bewegung Honneur et Patrie an und pflegte Kontakte zur Gruppe «Normaliens d’Angers», die der Kommunistischen Partei nahestand. Sie verteilte und vervielfältigte Flugblätter und diente als Verbindungsagentin, wobei sie unwissentlich auch Waffen transportierte. Am 23. Juni 1943 wurde Noëlla Peaudeau von der Gestapo festgenommen – kurz nach ihrem später erschossenen Verlobten Adrien Tigeot – und zuerst in Angers, dann in Compiègne inhaftiert, bevor man sie am 31. Januar 1944 ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportierte. Sie gehörte zu den 300 deportierten Französinnen, die am 5. April 1945 freigelassen wurden und nach Kreuzlingen gelangten. Als sie am 16. April 1945 Angers erreichte, wog sie noch 32 kg und litt an Tuberkulose.
Zur Erholung trat sie am 4. September 1945 einen Aufenthalt im Chalet La Gumfluh in Château-d'Œx an, ermöglicht vom Schweizer Hilfskomitee der Adir unter der Leitung von Germaine Suter-Morax. Dort lernte sie ihren künftigen Ehemann, den Pazifisten André Rouget, kennen. Der Sohn des Zahnarztes Charles Rouget und der Hausfrau Emilie geborene Delétra gehörte dem Service civil international an und arbeitete als Bürochef in der Telefondirektion. Nach ihrer Heirat 1947 lebte Noëlla Rouget in Genf und unterrichtete privat Französisch. Das Paar hatte zwei Söhne. 1965 sagte sie vor dem Staatssicherheitsgericht in Paris gegen den französischen Kollaborateur Jacques Vasseur aus, der sie 1943 verhaftet und zahlreiche Übergriffe gegen Mitglieder der Résistance verübt hatte. Da Rouget gegen die Todesstrafe war, bat sie den Gerichtspräsidenten schriftlich darum, diese nicht zu verhängen. Als Vasseur dennoch zum Tode verurteilt wurde, wandte sie sich direkt an den französischen Präsidenten, Charles de Gaulle, der diesen daraufhin begnadigte (1966). In der letztlich vergeblichen Hoffnung, Vasseur würde für seine Taten Reue zeigen, korrespondierte Rouget anschliessend mit ihm. 1986 zerlegte sie in einem offenen Brief in der Gazette de Lausanne die «Zweifel» der Waadtländer Holocaustleugnerin Mariette Paschoud, welche die Existenz von Gaskammern öffentlich bestritt.
Von da an berichtete sie in Schulen und Kirchen der Westschweiz und im grenznahen Frankreich als Zeitzeugin von ihrer Deportation. Zwischen 1970 und 2015 rief sie an jedem 8. Mai – dem Gedenktag der Kapitulation Nazideutschlands – in einer Rede vor dem Kriegsdenkmal des französischen Generalkonsulats in Genf zu Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern auf (Pazifismus). 2022 wurde an dieser Stelle zu ihren Ehren eine Gedenktafel enthüllt. Als Präsidentin der Schweizer Sektion von Adir wurde sie 1995 zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt und erhielt wenige Monate vor ihrem Tod das Grosskreuz des französischen Ordre national du Mérite.