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AndelfingenGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Hauptort des Bezirks Andelfingen, umfasst seit 2023 auch Adlikon und Humlikon. Ehemaliger Sitz der Landvogtei, Marktflecken und Brückenkopf am Südufer der Thur. 1248 Andelfingon, bis 1970 Grossandelfingen. Beim in Ratperts Casus Sancti Galli zum Jahr 759 erwähnten Antolfinga handelt es sich wahrscheinlich um Andelfingen im deutschen Landkreis Biberach. 1467 58 Haushalte; 1634 413 Einwohner; 1850 730; 1900 855; 1950 931; 1980 1658; 2000 1644; 2010 1839; 2020 2195.

Andelfingen (Gemeinde): Situationskarte 2023 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2023 HLS.
Andelfingen (Gemeinde): Situationskarte 2023 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2023 HLS.

Vorrömische Zeit

Die ältesten Funde in Andelfingen sind mehrere, zum Teil bereits im 19. Jahrhundert gefundene Steinbeile, die aus dem Neolithikum stammen dürften. Die kantonale Denkmalpflege untersuchte 1967 in der Flur Auf Bollen eine Schicht mit bronzezeitlicher Keramik (Bronzezeit). Die Fundschicht enthielt den Abraum einer Siedlung, die sich auf der unmittelbar darüberliegenden Terrasse befunden hatte und etwa auf die Mitte des 12. Jahrhunderts v.Chr. zurückgeht. Trotz der Umlagerung waren die Funde gut erhalten. Von besonderer Bedeutung sind eine gut datierbare Nadel, das Fragment einer sehr frühen Fibel (?), Fragmente einer Gussform und eines Feuerbocks (Mondhorn) aus Sandstein sowie ein Goldröllchen. Ein wahrscheinlich hallstattzeitlicher Grabfund mit mehreren Skeletten wurde bereits 1844 in einer Kiesgrube gehoben (Hallstattzeit). 1911 kamen bei Bauarbeiten des Militärs auf dem Laufen zwei reich ausgestattete Gräber der Latènezeit zum Vorschein. Ein dabei geborgener Halsring war der erste seiner Art in der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums. Bei sofort veranlassten Grabungen untersuchte das Landesmuseum weitere 27 Gräber. Die Verstorbenen waren mit ihrem Schmuck bestattet worden. Von den 29 Gräbern enthielten 27 Fibeln, Hals-, Arm-, Bein- und Fingerringe, vor allem aus Bronze und Eisen, sowie Glasperlen. Einzelne Objekte waren mit Auflagen aus Koralle oder Glas versehen. Waffen und Keramikgefässe fehlten. Die Funde gelangten ins Landesmuseum. Die an mehreren Stellen entdeckten schwarzen Verfärbungen in der Erde werden heute als inkohlte Reste von Baumsärgen interpretiert. Männer, Frauen und Kinder scheinen in getrennten Gruppen bestattet worden zu sein. Der Friedhof datiert, mit Ausnahme eines möglicherweise bronzezeitlichen Grabes, ins 4.-3. Jahrhundert v.Chr. Er liegt etwas ausserhalb von künstlichen Befestigungen, die jedoch zeitlich nicht bestimmbar sind.

Römische Zeit bis heute

Die frühmittelalterliche Besiedlung und Landnutzung dürfte von der Flussniederung ausgegangen sein, die Erschliessung des Plateaus südlich des Ortskerns für den Getreidebau ermöglichte die weitere Entwicklung. Die Siedlung kristallisierte sich um den Kirchenbezirk. Die Kirche selbst ist 1969 archäologisch untersucht worden. Dabei kamen unter anderem die Fundamente eines um 1000 entstandenen Sakralbaus zum Vorschein und innerhalb von dessen Schiff auch ein Mauerzug, der als Überrest der Westfassade einer Vorgängerkirche aus dem 8. Jahrhundert gedeutet wird. Im Spätmittelalter war Andelfingen eine Grosspfarrei mit fünf Filialkapellen. Die Patronatsrechte, die an einen Kelnhof gebunden waren, verzeichnet das Habsburgische Urbar um 1300 als Besitz der österreichischen Landesherrschaft; sie gelangten 1404 tauschweise an das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen. Nach der Reformation wählte der Schaffhauser Rat den Pfarrer von Andelfingen, musste aber Zürich ein Bestätigungsrecht einräumen. Seit 1864 wählt die Kirchgemeinde den Pfarrer.

Vor dem Verkauf an Zürich (1434) gehörte Andelfingen als offenbar kyburgisches Erbe (von Kyburg) den habsburgischen Landesherren (von Habsburg). Das Habsburgische Urbar gewährt Einblick in die Siedlung; es verzeichnet unter anderem zwei Mühlen, einen Meierhof (Meier), zwei Kelnhöfe, ein Wirtshaus sowie das Fischereirecht in der Thur (Fischerei). Das Kloster Rheinau verlieh das Fährrecht (Fähren) und den Brückenzoll von Andelfingen. 1488 erwarb Zürich Zoll und Brücke vom Rheinauer Lehensträger Beringer von Hohenlandenberg. Die 1324 erwähnte Thurbrücke wurde mehrmals verändert und 1799 im Krieg zerstört (Koalitionskriege). 1814 entstand neu eine gedeckte, zweijochige Holzbrücke nach Plänen des Kantonsbaumeisters Hans Konrad Stadler. Ein in älterer Literatur zitierter spätmittelalterlicher Markt ist nicht belegt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts taucht ein Jahrmarkt auf. Später kamen noch der monatliche Viehmarkt (1867) und ein zweiter Markttag im Frühling (1877) hinzu. Obwohl Andelfingen zentralörtliche Funktionen wahrnahm und vom 16. Jahrhundert an unter anderem Schmiede (Metallverarbeitende Handwerke), Gerber (Gerberei) und Färber (Färberei) nachgewiesen sind, zählte das Dorf noch 1850 mehr Bauern (71) als Handwerker (45). Eine Industrialisierung fand kaum statt; zu erwähnen sind einzig die Stickereibetriebe von Johann Jakob Arbenz und Johann Ulrich Akeret (1874-1889; Stickerei). Um 1835 begann Johann Ulrich Mäder in Andelfingen mit der Herstellung von Turmuhren. 1864 übernahm Johann Ulrich Akeret die Andelfinger Zeitung (Nachfolgerin des 1858 gegründeten Anzeigers von Andelfingen) und errichtete in Andelfingen eine Druckerei. Die markanten Strassenschlaufen im Flecken, Teil der 1839 erstellten Kantonsstrasse Winterthur-Schaffhausen, prägen das Ortsbild. Die Gründung der Ersparniskasse Andelfingen (1843, ab 1874 Filiale der Kantonalbank) erfolgte aus dem Umfeld der Gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks Andelfingen. 1857 erhielt Andelfingen eine Station an der sogenannten Rheinfallbahn Winterthur-Schaffhausen. 1930 war Andelfingen eine von Gewerbe und Kleinindustrie geprägte Gemeinde. Die 1958 erstellte Weinlandbrücke überwand den engen Taleinschnitt der Thur und entlastet den Ortskern Andelfingens vom Transitverkehr. In den 1960er Jahren wurden Industrie- und Wohnzonen ausgeschieden. Während bis 1990 der 1. Sektor auf 5% schrumpfte und die verbleibenden Landwirte aus dem Dorfkern aussiedelten, wuchs der 3. Sektor auf 48%. Andelfingen ist für die Region auch Arbeitsplatzgemeinde und weist eine positive Pendlerbilanz auf (1990 64% Zupendler, 55% Wegpendler).

Quellen und Literatur

  • Kantonsarchäologie Zürich, Zürich, Dokumentationen.
Vorrömische Zeit
  • Viollier, David: «Fouilles exécutées par les soins du Musée National: Le cimetière gallo-helvète d'Andelfingen (Zurich)», in: Anzeiger für schweizerische Altertumskunde, Neue Folge, 14, 1912, S. 16-57.
  • Drack, Walter (Hg.): Ur- und frühgeschichtliche Archäologie der Schweiz, Bd. 4, 1974, S. 52-57.
  • Bauer, Irmgard: «Andelfingen-Auf Bollen 1967», in: Bauer, Irmgard; Fort-Linksfeiler, Daniela et al.: Bronzezeitliche Landsiedlungen und Gräber, 1992, S. 84-92 (Berichte der Zürcher Denkmalpflege. Archäologische Monografien, 11).
Römische Zeit bis heute
  • Stauber, Emil: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen. Umfassend die politischen Gemeinden Andelfingen, Klein-Andelfingen, Adlikon und Humlikon und für die ältere Zeit auch die politischen Gemeinden Dägerlen, Dorf, Thalheim und Volken, 3 Bde., 1940-1943.
  • Wanner, Konrad: Siedlungen, Kontinuität und Wüstungen im nördlichen Kanton Zürich (9.-15. Jahrhundert), 1984, S. 116-118.
  • Gysin, Werner: Die Oberstufenschule Andelfingen. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Sekundarschule, 1985.
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
1248: Andelfingon
Variante(n)
Grossandelfingen (bis 1970)

Zitiervorschlag

Martin Illi; Claire Hauser Pult: "Andelfingen (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.08.2023. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000024/2023-08-31/, konsultiert am 28.03.2024.