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EglisauGemeinde

Die älteste Darstellung von Eglisau. Holzschnitt aus der Chronik der Eidgenossenschaft von Johannes Stumpf, die 1548 in Zürich erschien (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Die älteste Darstellung von Eglisau. Holzschnitt aus der Chronik der Eidgenossenschaft von Johannes Stumpf, die 1548 in Zürich erschien (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Bülach. Historisches Brückenstädtchen am Rhein, mit den Ortsteilen (Wachten) Städtli, Burg, Steig und Wiler auf dem rechten, Seglingen und dem Weiler Tössriedern auf dem linken Ufer. 892 Einzelhöfe Ouwa, 1238 Owe, 1304 ze Seglinger Owe, 1332 ze Eglins Owe, 1352 ze Eglisowe. Eglisau liegt am Schnittpunkt zweier mittelalterlicher Verkehrsachsen; es beherrschte die Rheinschifffahrt und den Rheinübergang der Nord-Südverbindung zwischen Klettgau und Zürichgau, war Sitz der Zürcher Landvögte und Marktort. Im 13. Jahrhundert ca. 150 Einwohner; im 14. Jahrhundert 350; 1488 650; 1588 860; 1634 998; 1689 1494; 1796 1578; 1850 1612; 1880 1449; 1900 1175; 1950 1603; 2000 2893.

Spärliche Siedlungszeugen stammen aus dem Neolithikum und aus römischer Zeit. Am Rhein standen Wachttürme der spätrömischen Grenzwehr Kaiser Valentinians (364-375). Ende des 11. Jahrhunderts errichteten die Freiherren von Tengen am linken Ufer einen Wehrturm an der Rheinfähre. Zur Stadtgründung mit Brücke zwischen 1238 und 1253 ist keine Gründungsurkunde überliefert. Als befestigtes oppidum ist Eglisau 1254 bezeugt. Die Stadtanlage auf dem nördlichen Uferhang entspricht dem zähringisch-kyburgischen Schema mit 49 Hofstätten an zwei Gassen, Graben auf drei Seiten, Obertor mit Wachtturm (Abbruch 1858), Wilertor mit Stadtmauer zur Kirche als Ostbastion und dem Rheintor an der Brücke. Die stadtnahen Aussenquartiere blieben ohne Schutz. Die ab dem 14. Jahrhundert mit Ritterhaus, neuem Schloss, Ökonomie und Torhaus mit Zollstätte erweiterte linksufrige Anlage wurde 1841 bis auf die Scheune und die Lochmühle abgebrochen. Die 1249 erwähnte Brücke erhielt 1542 einen erneuerten Oberbau und ein Ziegeldach. 1799 von den Russen verbrannt, wurde sie 1811 durch eine zweibogige Sprengwerkbrücke ersetzt. Markante Profanbauten sind das Schulhaus (Helferei) von 1682 und die viergeschossigen spätgotischen Wohnhäuser. Aus dem 14. Jahrhundert datieren die Kernbauten des Hauses zum Törli, der Gasthöfe Krone und Hirschen, Letzterer mit für den Kanton Zürich einzigartiger Fassadenmalerei von 1662. Herausragende Barockbauten sind das Haus Lauffer-von Waldkirch (1645) und das Blaue Haus (1693), ausserhalb des Städtli das prachtvolle Weierbachhaus (1670). Im Ortsteil Burg stand bis 1876 die Schiffmühle im Rhein; in Seglingen steht noch der Biedermeier-Riegelbau der Lochmühle. Die mit der Stadt erbaute erste Leutkirche, eine romanische Saalkirche mit Zeltdachturm, war der Gottesmutter Maria geweiht. Sie wurde nach 1337 durch eine Kirche mit gotischem Chor ersetzt, die im 15. Jahrhundert reichen Freskenschmuck erhielt (1960 freigelegt). Der Übertritt zur Reformation (Bildersturm) erfolgte 1523. Die Kirchgemeinde Eglisau umfasste bis 1546 nur die Einwohner des Städtli, die Aussenquartiere waren in Glattfelden und Wil (ZH) kirchgenössig. Seit 1711 umfasst das Pfarrkapitel Eglisau neun Kirchgemeinden. Turm und Kirchenschiff wurden 1717 in barocker Art neu erbaut.

Die Rheinbrücke. Aquatinta in Braungraudruck von Franz Hegi, 1811 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Die Rheinbrücke. Aquatinta in Braungraudruck von Franz Hegi, 1811 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Die Grund- und Gerichtsherrschaft lag bis 1463 bei den Freiherren von Tengen, danach bei den Freiherren Gradner. Von diesen erwarb Zürich 1496 die Vogtei Eglisau. Die Selbstverwaltung von Eglisau als zürcherische Landstadt wurde in der neu geschaffenen Landvogtei respektiert, das bei der Gründung erteilte Markt- und Stadtrecht 1510 schriftlich bestätigt: Dem sechsköpfigen Kleinen Rat stand der Baumeister vor, dazu kam unter Zürich der Grosse Rat mit zehn vom Kleinen Rat ernannten Mitgliedern. Die Bürger wählten nur den Baumeister (Bürgermeister), die Rechnungsabnahme fand an der jährlichen Gemeindeversammlung statt. Vier Stadtrichter wurden vom Landvogt aus den Räten bestimmt, ab 1599 zur Hälfte aus der übrigen Bürgerschaft. Sie waren zuständig für die niedere Gerichtsbarkeit, der Stillstand für die Sittenaufsicht. 1716 wurde das Stadtgericht durch das Herrschaftsgericht des Landvogts ersetzt. Hatte Eglisau noch 1359 den Blutbann erhalten, so urteilte unter Zürich nur das zürcherische Hoch- und Malefizgericht. Nach Befreiung von der Erbschaftssteuer 1399 gehörten zu den Einkünften der Gemeinden der kleine Zehnt (ab 1593), ein Drittel des Weinzehnten, Hofstättenzinsen, eine Vermögenssteuer von 2,5‰, das Wein-Ungeld, ein halbes Korn-Immi (ab 1729) sowie alle Ehaften-Gebühren. In der Stadt fanden ein Wochenmarkt, drei Jahrmärkte sowie ein Kornmarkt statt. Der Anteil von Professionisten in Handwerk und Gewerbe war hoch (1624 62 in 24 Branchen, 1780 156 in 39). Landwirtschaft mit Rebbau, (Lachs-)Fischerei und (Salz-)Transporte durch die Korporation der Schiffleute bildeten weitere Erwerbszweige. Hohe Einzugsgebühren und Ehehindernisse bremsten ab dem 17. Jahrhundert das Bevölkerungswachstum. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Eglisau infolge der Krise des Handwerks und Transportgewerbes zu einer von stagnierender Kleinlandwirtschaft dominierten Gemeinde abseits von Wirtschaft und Verkehr, mit Ackerbau für Selbstversorgung, Vieh-, Schweine- und Ziegenhaltung. Die Ablösung der Zehnten und Grundzinsen brachte der Gemeinde eine hohe Verschuldung. Bis 1900 wanderte ein Viertel der Einwohner ab. Eine Zusammenlegung der extrem parzellierten bäuerlichen Güter erfolgte erst 1951. Rebbau wird noch heute intensiv betrieben (v.a. Blauburgunder nebst Riesling-Sylvaner hoher Qualität), wenn auch auf einer von 87 (1885) auf 15 ha verringerten Fläche.

Die Mineralwasserfabrik Eglisana, die 1925 am Rheinufer erstellt wurde. Fotografie, 1929 (Archiv Foto Koch, Schaffhausen).
Die Mineralwasserfabrik Eglisana, die 1925 am Rheinufer erstellt wurde. Fotografie, 1929 (Archiv Foto Koch, Schaffhausen).

Die Industrie blieb lange fern. Die erste kleine Weberei entstand 1911, die erste Strickerei 1914, 1912 die erste Fabrik für Blachen und Wachstuch der Familie Stamm. Ausgebaut zum grössten Werk für Stamoid und Spannteppiche, gehörte sie 1985-2001 zum Forbo-Konzern und seither zur Ferrari Group aus Lyon (1970 516 Arbeitnehmer, 2004 ca. 100). Ein 1880 bei der Mineralquelle Eglisau errichteter Kurbetrieb blieb erfolglos (1891 aufgegeben). Die 1925 erstellte Abfüllfabrik für Mineralwasser (Eglisana, Orangina, später Pepsi Cola) ist heute bedeutende Produktionsstätte der Unifontes. Auf der ausgebauten Kantonsstrasse bestand ab 1843 eine Postverbindung zwischen Zürich und Schaffhausen. 1876 erhielt Eglisau Anschluss an die Bahnlinie Winterthur-Koblenz, 1897 war der Eisenbahnviadukt über den Rhein nach Schaffhausen fertiggestellt. Für das Kraftwerk in Rheinsfelden (Gemeinde Glattfelden) wurden 30 Häuser und die Holzbrücke abgebrochen, Letztere 1919 durch eine dreibogige, verkleidete Betonbrücke ersetzt, der Rhein 1920 8 m hoch gestaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Eglisau zur Angestellten- und Pendlergemeinde. Die katholische Minderheit wuchs zwischen 1850 und 2000 von 2% auf 22% (Kirchenbau 1950). Ortsplanung und Bauordnung von 1977 schützen die Kernzonen und beschränken die Bautätigkeit auf die Aussenquartiere. Schulhäuser stehen seit 1876 und 1953 im Städtli, seit 1990 auch in Seglingen.

Quellen und Literatur

  • F. Lamprecht, M. König, Eglisau, 1992
Von der Redaktion ergänzt
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GND

Zitiervorschlag

Franz Lamprecht: "Eglisau (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.11.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000043/2015-11-17/, konsultiert am 17.04.2024.