Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Horgen. Am linken Ufer des Zürichsees gelegen, umfasst Richterswil die Teile Dorf und Berg (Samstagern). 1878 Abtrennung des links des Reidbachs liegenden Teils von Giessen und Staubenweidli bzw. Angliederung an die Gemeinde Wädenswil. 1265 Richtliswile. 1634 893 Einwohner; 1850 3203; 1900 4084; 1950 4941; 1970 7380; 2000 10'354.
Siedlungsspuren der Horgener Kultur (u.a. ein Spinnwirtel und Steinbeile) wurden 1996 beim Inselchen Schönenwirt entdeckt, römerzeitliche Siedlungsspuren sind nicht nachgewiesen. Orts- und Flurnamen deuten auf eine alemannische Besiedlung im 7.-9. Jahrhundert. Die auf dem Boden der Gemeinde stehende Burg Alt-Wädenswil der Freiherren von Wädenswil wurde wohl um 1200 erbaut. Richterswil war Teil der Herrschaft Wädenswil und teilte deren politische Geschichte. 1287 gelangte die Herrschaft an den Johanniterorden. Schaffner oder Komture residierten auf der Burg, neben der sie ein Hospital erbauten. Im Alten Zürichkrieg blieben die Johanniter neutral, Richterswil erlitt deshalb keine Kriegsverwüstungen. Patrozinium und Kirchspiel der 1265 als Eigenkirche der Freiherren von Wädenswil erwähnten Kirche St. Martin deuten auf eine frühe Entstehung. Die Pfarrei Richterswil umfasste bis zur Reformation 1529 einen Teil von Wollerau, bis 1703 Hütten; das Patronat blieb stets bei der Herrschaft Wädenswil. Nach Umbauten von 1472 (Chor, Turm) und dem Neubau von 1717 (Schiff) wurde die reformierte Kirche 1905 durch den heute bestehenden Bau ersetzt; die katholische Kirche stammt von 1914. Im Gefolge der Reformation verkaufte der Johanniterorden 1550 die Herrschaft an die Stadt Zürich; Sitz der Zürcher Landvögte wurde Schloss Neu-Wädenswil. Neben der Landwirtschaft kam früh die Hausindustrie auf: Wollgewerbe im 15. Jahrhundert (später von Zürich verboten), Baumwollgewerbe («Tüchler») Ende des 15. Jahrhunderts, Leinenweberei im 16. Jahrhundert. 1787 standen in Richterswil und Hütten 399 Webstühle, 46% der Einwohner waren an der Baumwollindustrie beteiligt. Der Transitgüter- sowie vor allem der Pilgerverkehr nach Einsiedeln brachten Schiffleuten und Gasthöfen guten Verdienst. Mit der Dampfschifffahrt und dem Bahnbau Wädenswil-Einsiedeln 1877 erlosch dieser Erwerbszweig.
Als einer der Anführer des Wädenswiler Steueraufstands von 1646 wurde der Richterswiler Weibel Rudolf Goldschmid hingerichtet. Im konfessionellen Grenzbereich gelegen, erlitt Richterswil im Ersten Villmergerkrieg (1656) einen Einfall der Schwyzer; im Zweiten Villmergerkrieg (1712) konnte ein Angriff dank der oberhalb von Richterswil erbauten Schanzen abgewehrt werden. Zur Zeit der Helvetik war Richterswil, Teil des Distrikts Horgen, von hohem Steuerdruck und vor allem vom Zweiten Koalitionskrieg 1799-1801 betroffen (Einquartierungen französischer Truppen). Die Beteiligung am Bockenkrieg 1804 wurde hart bestraft. 1814-1831 Teil des Oberamts Wädenswil, gehört Richterswil seit 1831 zum Bezirk Horgen. 1869 stimmten die Richterswiler mehrheitlich gegen die neue demokratische Kantonsverfassung. In der Restaurationszeit vergrösserte Johannes Hürlimann seine 1811 gegründete Textilfabrik (1822 Kattundruckerei). Bis ins 20. Jahrhundert dominierte die Textilindustrie. Daneben bestanden eine Kesselschmiede (Nachfolger Kerag 1979 aufgelöst), eine Ziegelbrennerei, eine Bierbrauerei, eine Seidenweberei und die Seidenzwirnerei von Rudolf Zinggeler (1873-2004). Beim Landesstreik von 1918 kam es in Richterswil zu besonders harten Auseinandersetzungen. Die Krise der 1930er Jahre führte zur Konfrontation zwischen den Bürgerlichen und der Richtlinienbewegung. Die 1929 gegründete Gummiwerke Richterswil (Gurit) boten zeitweise bis zu 500 Arbeitsplätze, wurden jedoch 1977-1978 verlegt. Neue Industrieanlagen entstehen heute vor allem im Raum Samstagern. In der Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg wurde viel Wohnraum geschaffen, zugleich stieg die Zahl der Wegpendler stark an.