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Küsnacht (ZH)

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Meilen, am rechten Zürichseeufer, bestehend aus den Siedlungen Dorf, Goldbach, Heslibach (am See), Itschnach (in Terrassenlage), Küsnachterberg (mit Limberg) und einem Teil der Forch. Die Kernsiedlung liegt auf dem Schwemmfächer des Küsnachtertobels (Hochwasserkatastrophen 1778 und 1878). 1188 de Cussenacho. 1467 126 Haushalte; 1634 1064 Einwohner; 1799 1512; 1850 2486; 1900 3391; 1950 8920; 2000 12'484.

Die neolithische Seeufersiedlung Hörnli wird der Pfyner Kultur zugerechnet. Aus der späteren Bronzezeit sind am Wulphügel Terrassen- und Hügelsiedlungen nachgewiesen. Auf der Rehweid traten Überreste eines römischen Gutshofs zu Tage. Ein Gräberfeld und die als Fluchtburg benutzte Wulp datieren ins Frühmittelalter, der Wohnturm Höchhus ins Hochmittelalter (dendrochronologische Datierung 1234). 1384 erwarb die Stadt Zürich die Vogtei Küsnacht. Das Georgspatrozinium der 1188 erstmals erwähnten Kirche wird 1332 in einer Ablassurkunde genannt. Vermutlich 1336 wurde das Gotteshaus zur dreischiffigen Anlage erweitert. 1358 verkauften die Freiherren von Tengen die Patronatsrechte über die Kirche Küsnacht sowie einen dazugehörigen Hof an den Komtur des Johanniterhauses Bubikon, Graf Hugo II. von Werdenberg. 1373 wurde die Niederlassung der Johanniter in Küsnacht, die auch ein Spital umfasste, selbstständig. Die Ordensmitglieder werden 1381 erstmals urkundlich erwähnt. Unter den Komturen Johannes Staler und Werner Marti erfolgte im 15. Jahrhundert der Ausbau der Anlage. Nach dem Tod des letzten Komturs Konrad Schmid 1531 in der Schlacht von Kappel wurde die Niederlassung der Johanniter säkularisiert und diente bis 1798 als Sitz der Zürcher Amtmänner.

Die Zehntentrotte wird 1290 erstmals erwähnt. Der heute noch bestehende, freskengeschmückte Bau datiert dendrochronologisch ins Jahr 1335/1336. Er ging 1409 durch Kauf vom Zisterzienserkloster Kappel am Albis an die Johanniter über. 1433-1744 befand sich in Küsnacht das Amtshaus des Klosters Engelberg. Sogenannte Holzgenossen (Nutzungsgenossen) treten ab 1451 in den Quellen auf. Schon im 15. Jahrhundert ist der Gesellenwirt bezeugt. Aus der Ordnung von 1512 geht hervor, dass Küsnacht über ein Gesellen- oder Gemeindehaus mit Trinkstube verfügte, das vergleichbar mit städtischen Zunftstuben reichhaltig mit Scheiben und Bechern bedacht wurde.

In der frühen Neuzeit wurde das weitläufige Gemeindegebiet in sechs Ortsteile (Wachten) unterteilt. Im 18. Jahrhundert bildete sich eine ländliche Oberschicht, welche sich in den 1790er Jahren an den Aufständen gegen die Stadt beteiligte (z.B. Stäfnerhandel). 1771 waren 295 Jucharten oder 10% des Kulturlands mit Reben bepflanzt. Nach Berichten der Ökonomischen Kommission wurden in den ufernahen Zonen rund 120 Jucharten als sogenannte Hausäcker im dreijährigen Turnus mit Stickstoff produzierenden Bohnen, Gersten und Roggen bepflanzt, rund 914 Jucharten unterlagen noch der traditionellen Dreifelderwirtschaft, die man aber durch die Pflanzung von Bohnen und Erbsen auf der Brache verbesserte. In der Ufergegend konnten die Felder im dreijährigen Turnus vollständig gedüngt werden, in der Berggegend mit weniger ertragsreichen Böden war dies nur zu einem Viertel möglich.

In Küsnacht war die textile Heimindustrie verbreitet, am See vor allem die Seidenindustrie und auf dem Berg die Baumwollindustrie. 1771 zählte man in der Gemeinde 313 Seidenwebstühle und 18 Baumwollwebstühle. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Baumwollindustrie auf Kosten der Seidenindustrie zu. 1836 waren in Küsnacht noch 500 Frauen in der Seidenweberei beschäftigt. An dem in der frühen Neuzeit gewerblich genutzten Dorfbach entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Fabrikindustrie. So siedelte sich unter anderem 1812 eine mechanische Spinnerei an, 1824 wurde die Mechanische Baumwollspinnerei Küsnacht eröffnet (bis 1840). Die eidgenössische Volkszählung von 1850 weist unter anderem 15 Fabrikanten und 57 Fabrikarbeiter aus. 348 Personen arbeiteten in der Landwirtschaft, zudem gab es 33 Gewerbebetriebe. Eine wichtige Förderung erfuhr die wirtschaftliche Entwicklung 1835 durch die Einführung der Dampfschifffahrt, 1838 durch die Eröffnung der Seestrasse sowie 1894 durch die Anbindung ans Eisenbahnnetz. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte nur eine bescheidene Industrieansiedlung, unter anderem 1867 die Gründung einer Stoffdruckerei durch Hermann Hintermeister und Jakob Forster (später Terlinden & Co.). 1894 eröffnete Jakob Ernst eine Fabrik zur Herstellung von Blechdosen (heute Ernst AG, ein in der Blech- und Kunststoffverpackungsindustrie tätiges Unternehmen).

Während um 1900 noch 10% der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren (150 Betriebe), betrug der Anteil der Landwirte 2000 knapp 3%. 1996 wurden zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Bio- und IP-Betrieben bebaut. Nach 1980 versuchten die Bauern, sich zu spezialisieren oder die Betriebe zu vergrössern. Trotzdem kam es zu zahlreichen Betriebsaufgaben. Die Landwirte wechselten zum Teil ins Immobiliengeschäft (sogenannte Baulandbauern) und ins Transportgewerbe. Mehr als vier Fünftel der Beschäftigten waren 2000 im 3. Sektor beschäftigt.

Ehemalige Johanniterkomturei und Kirche von Süden. Lavierte Federzeichnung im Zürcher Regimentsbuch von Gerold Escher, um 1700 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsMurF 33: 2, nach S. 524).
Ehemalige Johanniterkomturei und Kirche von Süden. Lavierte Federzeichnung im Zürcher Regimentsbuch von Gerold Escher, um 1700 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsMurF 33: 2, nach S. 524). […]

1823 und 1958 baute Küsnacht ein neues Gemeindehaus. 1832 wurde in den Gebäuden der ehemaligen Johanniterkomturei das kantonale Lehrerseminar eröffnet (1938 Unterseminar, seit 1983 Kantonsschule). Die katholische Kirche wurde 1903 errichtet, zwei Jahre nach der Gründung der katholischen Pfarrei. Nach einem planerischen Entscheid im Jahr 1909, als die gesamten Hanglagen für die Überbauung freigegeben wurden, wandelte sich die Gemeinde zum Vorort mit städtischem Charakter. Die Erschliessung fand ihren Abschluss um 1960 mit dem Zusammenwachsen der ehemaligen Siedlungen und der Nachbargemeinden Zollikon und Erlenbach. Im Bestand der vorstädtischen Villen befinden sich auch namhafte Zeugnisse des Neuen Bauens, unter anderem Werke der ersten Zürcher Architektin Lux Guyer und von Max Ernst Haefeli. Auch der genossenschaftliche Wohnungsbau ist in Küsnacht vertreten (u.a. 1926 Gemeinnützige Baugenossenschaft Küsnacht). Mit einer Steuerkraft von 12'765 Fr. pro Einwohner (2006) gehört Küsnacht zu den reichsten Gemeinden der Schweiz.

Quellen und Literatur

  • F. Schoch, Gesch. der Gem. Küsnacht, 1951
  • Küsnachter Jahresbl., 1961-94
  • A. Egli et al., Küsnacht im 20. Jh., 1989
  • H. Herrmann, Bauern im Wandel, 1990
  • Küsnachter Jahrheft, 1995-
  • J. Rüdisühli et al., Küsnacht am Zürichsee, 1997
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
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GND

Zitiervorschlag

Martin Illi: "Küsnacht (ZH)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.11.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000109/2007-11-05/, konsultiert am 29.03.2024.