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Saint-ImierGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Courtelary, Verwaltungskreis Berner Jura, im Tal von Saint-Imier, am Lauf der Schüss und an der Strasse Biel-La Chaux-de-Fonds gelegen. 884 cella de sancti Himerii, deutsch früher St. Immer. 1810 900 Einwohner; 1839 1800; 1850 2632; 1880 7033; 1900 7455; 1950 5972; 1970 6740; 1980 5430; 2000 4807.

Die Geschichte von Saint-Imier wurzelt in der Legende des heiligen Himerius. Dieser soll sich an der Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert in der Region niedergelassen haben. Aus seiner Einsiedelei soll die 884 erwähnte cella entstanden sein. Damit sind wahrscheinlich ein Gotteshaus und ein Bauerngut gemeint. Die 1986-1987 und 1990 durchgeführten Grabungen am Standort der ehemaligen Kirche St. Martin (heute Relais culturel de l'Erguël) lieferten den Nachweis für die frühe Besiedlung des Orts. Reste von Sakralbauten und zwei von 142 gefundenen Gräbern datieren aus dem Frühmittelalter. Die archäologischen Untersuchungen ergaben ausserdem, dass dem letzten Umbau der Kirche im ausgehenden 14. oder beginnenden 15. Jahrhundert drei Bauetappen vorausgegangen waren.

884 gehörte die cella mit ihren Nebengebäuden der Abtei Moutier-Grandval, mit der sie 999 durch die Schenkung des Burgunderkönigs Rudolf III. an den Bischof von Basel kam. 1264 trat Otto von Arguel (oder Erguel) das Amt des Kastvogts über das Tal der Schüss an den Bischof ab. Dieser übertrug es dem bischöflichen Meier von Biel und erhob das Erguel zur Herrschaft des Bistums, zu der Saint-Imier von nun an als eine der acht Meiereien, auch Pfarreien genannt, gehörte. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts umfasste die Meierei oder haute paroisse Saint-Imier Villeret, Sonvilier, Renan und La Ferrière. Der Meier von Saint-Imier, der als Erster Meier der Herrschaft ein Vorrecht besass, übernahm zusammen mit dem Schreiber auch gewisse Aufgaben für die Vogtei. 1792 schürte Théodore Frédéric Louis Liomin, 1786-1797 Meier von Saint-Imier, die revolutionäre Bewegung, die die Region erfasst hatte. Unter französischer Herrschaft (1798-1813) kam Saint-Imier mit dem südlichen Teil des Fürstbistums zuerst ans Departement Mont-Terrible, dann ans Departement Haut-Rhin. 1815 wurde es dem Kanton Bern zugeteilt und gehörte zum Oberamt bzw. Amtsbezirk Courtelary. 1858 entstand die Einwohnergemeinde Saint-Imier, die Bürgergemeinde blieb jedoch bestehen. Die Fédération jurassienne, die in Saint-Imier eine besonders aktive Sektion hatte, organisierte 1872 in Saint-Imier einen Kongress, an dem die antiautoritäre (oder anarchistische) Internationale gegründet wurde.

Saint-Imier gehörte zur Diözese Lausanne. Die Pfarrei wurde vielleicht im 9. oder 10. Jahrhundert gegründet. 968 wird eine Kapelle, 1228 die Pfarrkirche St. Martin erwähnt, die später im gotischen Stil umgebaut wurde. Die romanische Stiftskirche wurde wahrscheinlich auf Anregung des Bischofs von Basel im 11. Jahrhundert errichtet. Unter dem Einfluss von Biel nahm Saint-Imier 1530 die Reformation an. Die Stiftskirche wurde zur Pfarrkirche, während die Kirche St. Martin immer seltener benutzt und schliesslich 1828 bis auf den Glockenturm abgerissen wurde. Dieser stammt aus der Zeit um 1500 und wird St.-Martinsturm oder Turm der Königin Bertha genannt. 1814 kam Saint-Imier mit dem ganzen Tal zur Diözese Basel. Katholische Gottesdienste wurden in Saint-Imier erst 1857 wieder zugelassen. 1866 entstand die katholische Kirche St. Martin im neugotischen Stil, 1912 eine christkatholische Kirche.

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gaben die Bewohner des Hochtals von Saint-Imier die Landwirtschaft zugunsten lukrativerer Tätigkeiten wie Uhrmacherei und Spitzenklöppelei allmählich auf. In den 1720er Jahren wurden in Saint-Imier erste Uhrenbestandteile produziert. Im 19. Jahrhundert setzte sich das Verlagssystem durch. 1817 wurden 200 Arbeiter in Uhrmacherateliers oder als Heimarbeiter beschäftigt. Die Manufaktur Longines, die erste mechanisierte Fabrik in der Region, nahm 1867 ihren Betrieb auf. Im selben Jahr arbeiteten 1600 Personen in 47 Uhrmacherbetrieben. Saint-Imier wurde 1839, 1843 und 1856 durch eine Feuersbrunst verheert und danach über einem schachbrettartigen Grundriss wieder aufgebaut. Die Bevölkerung verneunfachte sich zwischen 1800 und 1890. 1856 erhielt Saint-Imier ein Spital (seit 2000 Hôpital du Jura bernois), 1874 einen Anschluss ans schweizerische Eisenbahnnetz. 1860 wurde die Sekundarschule eröffnet, 1866 entstand die Uhrmacherschule, die 1896 um eine Mechanikerschule erweitert und 1961 in ein Technikum umgewandelt wurde, 1885 kam die Berufsschule für technische Zeichner und 1907 die höhere Handelsschule dazu. Vor 1900 wurde ein Gasleitungs-, Wasserleitungs- und Stromnetz angelegt. Saint-Imier hing von der Konjunktur der Uhrenindustrie ab, die Krisen der Branche in den 1930er und 1970er Jahren trafen die Stadt hart. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gab es in Saint-Imier noch rund zehn Uhrmacherbetriebe, die Industrie hatte sich mit Unternehmen der Dental- und Medizinaltechnik und des Messwesens diversifiziert. 2005 stellte der 2. Sektor 41% der Arbeitsplätze. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts entstand ein vielfältiges Bildungsangebot und Saint-Imier wandelte sich zu einem regionalen Bildungszentrum. Aus dem Technikum ging 1976 die Ingenieurschule hervor (seit 2005 in die Hochschule Arc integriert), 1981 wurde die Musikschule Berner Jura eröffnet, 1997 die Berufs- und Gewerbeschule und 1993 das Ausbildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen. Auch das Kulturangebot vergrösserte sich: 1984 entstand die Kooperative Espace Noir, 1992 das Relais culturel de l'Erguël, welches das 1886 gegründete und 2002 wiedereröffnete Museum, das Kultur- und Freizeitzentrum sowie die Regionalbibliothek beherbergt; 2000 wurde das Forschungs- und Dokumentationszentrum des Berner Jura Mémoires d'Ici und 2002 das jurassische Zentrum für Wirtschaftsarchive und -forschung Cejare eingerichtet.

Quellen und Literatur

  • Archives et documentation Mémoires d'Ici, Saint-Imier
  • R. Gerber, Histoire de Saint-Imier, 1946
  • Saint-Imier, 1984
  • A. Beuchat et al., La collégiale de Saint-Imier, 1997
  • La donation de 999 et l'histoire médiévale de l'ancien Evêché de Bâle, hg. von J.-C. Rebetez, 2002, 247-251, 292-298
  • Saint-Imier: Itinéraires imériens, 2004
  • P. Linder, De l'atelier à l'usine: l'horlogerie à Saint-Imier (1865-1918), 2008 (mit Bibl.)

Zitiervorschlag

Christine Gagnebin-Diacon: "Saint-Imier (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.07.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000274/2017-07-12/, konsultiert am 29.03.2024.