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Wattenwil

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Seftigen, Verwaltungskreis Thun. Die Streusiedlung im oberen Gürbetal am Osthang des Gurnigels umfasst die Gemeindeteile und Schulkreise Dorf, Mettlen und Grundbach. 1226 Watenwile. 1764 983 Einwohner; 1850 2300; 1900 1989; 1950 2357; 2000 2770.

Zu den archäologischen Zeugen gehören Skelettfunde mit Bronzebeigaben im Gebiet Vorder Rain-Höstettli. Wattenwil war im Mittelalter ein Bestandteil der Landgrafschaft Burgund links der Aare (Burgundia circa Ararim) der Grafen von Neuenburg-Nidau und gelangte vermutlich 1308 nach dem Königsmord an Albrecht I. durch Verkauf oder Verpfändung an die einheimischen Freiherren von Strättligen. Nach deren Aussterben 1349 fiel Wattenwil wie die übrige Herrschaft Strättligen an die Herren von Burgistein und wurde unter deren Erben aufgeteilt. In Wattenwil stand weder eine Burg noch ein Herrensitz, der Ort war aber mit der Blutgerichtsbarkeit und einer Richtstätte mit Galgen ausgestattet. Dies lässt vermuten, dass Wattenwil die bisher unbekannte grafschaftliche Richtstätte im oberen Teil der Landgrafschaft war. Als die Stadt Bern nach der Einnahme des ab 1376 kyburgischen Städtchens Nidau 1388 Anspruch auf das Landgrafenamt erhob, war die Richtstätte Wattenwil in Händen des kyburgtreuen, bernfeindlichen Adels. Bern schuf daher – in Konkurrenz zur Landgerichtsstätte Wattenwil – das bernische Landgericht Seftigen, um seine Oberherrschaft über die Adelsherrschaften links der Aare durchzusetzen. 1499 und 1516 erwarb der Bernburger Bartholomäus May mit der Herrschaft Strättligen auch den Ort Wattenwil. Sein Enkel Bendicht May verkaufte ihn 1533 dem Bernburger Reinhard von Wattenwyl auf Burgistein. Ab 1604 wechselten die Besitzer erneut, bis die Bauern von Wattenwil die Gerichtsrechte 1641 erwarben und sie 1642 um 1000 Pfund und den Erlass des Heuzehnten Bern abtraten, das Wattenwil als Vennergericht im Landgericht Seftigen verwalten liess.

Die Kapelle Wattenwil war bis 1659 eine Filiale von Thurnen, dann wurde sie eine selbstständige Kirchgemeinde mit eigener Prädikantenpfründe, zu der seit 1922 auch die Gemeinde Forst gehört. Anstelle der Kapelle entstand 1683 die heutige Kirche.

Der Ort litt unter den Wildwassern der Gürbe und Erdrutschen. Die seit dem 19. Jahrhundert fortwährend erstellten Verbauungen sichern den Talboden nur bedingt. Als altes regionales Zentrum des oberen Amts Seftigen beziehungsweise des Amts Thun-West war Wattenwil ab dem 15. Jahrhundert Marktort mit Viehhandel. Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der "Wattenwil-Märit" im Oktober ein bekannter Jahrmarkt. Neun Gemeinden sind Mitbenützer der zentralörtlichen Infrastruktur von Wattenwil, unter anderem des 1887 gegründeten Bezirksspitals, das seit 2011 als Alters- und Pflegeheim dient, und der 1902 eröffneten Sekundarschule. Neben der Landwirtschaft mit Wald- und Viehwirtschaft (drei Käsereien) sowie Ackerbau im Talboden bietet das Gewerbe Arbeitsplätze (u.a. Verzinkerei, Holzbau, Baugewerbe). 59% der Erwerbstätigen pendelten 2000 in die Agglomerationen Thun und Bern.

Quellen und Literatur

  • R. Studer, 300 Jahre Kirche Wattenwil, 1683-1983, [1983]
  • L. Kappeler et al., Wattenwil, Zentrumsgem. im oberen Gürbetal, [2000]
  • E. Schneeberger, Bauinventar der Gem. Wattenwil, 2005
  • A.-M. Dubler, «Die Region Thun-Oberhofen auf ihrem Weg in den bern. Staat (1384-1803)», in AHVB 90, 2013, 158-217

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Wattenwil", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.04.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000509/2015-04-21/, konsultiert am 28.03.2024.