Politische Gemeinde des Kantons Luzern, Hauptort des Amts Sursee, Wahlkreis Sursee, am nördlichen Ende des Sempachersees und an der Suhre gelegen. 1036 Surse. 1453 ca. 800 Einwohner; 1810 1145; 1850 1627; 1900 2592; 1950 4265; 2000 8059.
Frühgeschichte bis Hochmittelalter
Die Besiedlung von Sursee wurde durch die fruchtbare Moränenlandschaft um den Sempachersee und die verkehrstechnische Lage (Querverbindung ins Wiggertal) begünstigt. Aus der Jungsteinzeit sind eine Landsiedlung beim Zeughaus und Ufersiedlungen auf der Halbinsel Zellmoos belegt. Hier wurde auch eine spätbronzezeitliche Siedlung mit hervorragend erhaltenen Hausgrundrissen (um 1000 v.Chr.) teilweise freigelegt. Fünf ebenfalls spätbronzezeitliche Gräber (um 1300 v.Chr.) in der Käppelimatte sind von besonderer Bedeutung, da sich in ihnen ein Wechsel im Bestattungsritual fassen lässt: Die Grabgruben wiesen noch die Form von Körperbestattungen auf, obwohl die Verstorbenen nach neuer Sitte kremiert worden waren. Aus der Eisenzeit zeugen Brandgräber an der Bahnhofstrasse (700-650 v.Chr.), ein Körpergrab im Hofstetterfeld (jüngere Eisenzeit, Ende 4. Jh. v.Chr.), eine Gräbergruppe an der Moosgasse (2. Jh. v.Chr.) und verschiedene Einzelfunde wie Münzen und Glasarmringe.
Ausgrabungen westlich der Altstadt haben Teile eines römischen Vicus (1.-3. Jh. n.Chr.) zutage gefördert. Es handelt sich um ein Handwerker- und Marktquartier mit Holz- und Steingebäuden beidseits einer Strasse. Die Lage des Zentrums ist nicht bekannt. Gräber nördlich der Altstadt sind die bislang einzigen Zeugen der Spätantike (4. Jh.). Die grösste bisher bekannte frühmittelalterliche Siedlung der Zentralschweiz (7./8. Jh.) ist im Mülihofareal südlich der Altstadt mit einem Grubenhaus in der Unterstadt und einer Holzkirche mit Friedhof an der Stelle der heutigen Pfarrkirche St. Georg belegt. Ein weiterer frühmittelalterlicher Friedhof findet sich auf der Halbinsel Zellmoos. Hier liegt auch eine wohl aus dem frühen 11. Jahrhundert stammende Kirchenruine. Der Übergang von der hochmittelalterlichen Siedlung zur Stadt zeigt sich exemplarisch aufgrund der Ausgrabungen im St. Urbanhof: Um 1256/1260 wurde die Ausfallstrasse in Richtung Nordosten um rund 10 m gegen Süden verlegt, die Gebäude des Dorfs wurden zugunsten einer städtischen Parzellierung aufgegeben.
Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart
Vor der Mitte des 13. Jahrhunderts gründeten die Grafen von Kyburg die Stadt Sursee, die 1256 erstmals als städtischer Ort (oppidum) bezeichnet wird. König Albrecht I. verlieh der Bürgerschaft 1299 ein Stadtrechtsprivileg, das die Herzöge von Habsburg-Österreich im 14. und 15. Jahrhundert mit zusätzlichen Markt- und Zollfreiheiten erweiterten. Parallel dazu verlief der Ausbau der städtischen Selbstverwaltung. 1289 wird ein Schultheiss und 1292 der Rat erwähnt. Letzterer führte 1294 erstmals ein Stadtsiegel mit dem Stadtpatron St. Georg. Die städtische Behörde setzte sich im 15. Jahrhundert aus dem Schultheissen und dem Kleinen Rat mit sechs Mitgliedern zusammen. Wohl schon damals wurde ihm ein Grosser Rat von 20 Mitgliedern angefügt, aus dem Vertreter ins Gericht und in städtische Ämter gewählt wurden. Spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde der Kleine Rat auf zwölf Mitglieder erweitert. Im Privileg von 1299 war die Gerichtsbarkeit noch auf das niedere Gericht beschränkt. 1417 stattete König Sigismund die Stadt mit der Blutgerichtsbarkeit aus. Der Kauf des Pfands mit der hohen Gerichtsbarkeit über das Michelsamt 1415 von den Herren von Grünenberg zeigt die politischen und wirtschaftlichen Ambitionen von Sursee. Im gleichen Jahr setzte die Stadt Luzern dieser territorialen Ausdehnung mit der Eroberung von Sursee ein Ende. Die bisherigen städtischen Privilegien wurden Sursee garantiert, doch musste die Stadt 1420 die Pfandschaft zwangsweise an Luzern verkaufen. 1482 erwarb Sursee Twing und Bann von Schenkon sowie 1614 von Oberkirch. Im Bau des spätgotischen Rat- und Markthauses 1539-1546 manifestierte sich ihre wirtschaftliche Prosperität und politische Autonomie, die indes von Luzern wiederholt beschränkt wurde.
1228 werden in Sursee erstmals ein Leutpriester und ein Vikar erwähnt; als sogenannte Vierherren sind die vier Hauptgeistlichen bezeichnet, wobei der Leutpriester der Erstrangige unter Gleichberechtigten ist. Das Patronatsrecht über die Pfarrkirche ging 1399 von den Stadtherren an das Kloster Muri, das dieses bis 1841 innehatte. Die ältesten Vorgängerbauten der Pfarrkirche St. Georg stammen aus dem 7. Jahrhundert; sie wurde 1638-1641 im Stil der Spätrenaissance neu erbaut, in der Mitte des 18. Jahrhunderts barockisiert und 1936 vergrössert. Um die Stadtkirche liegen die Amtshöfe der Klöster St. Urban, Muri und Einsiedeln. Die Pfarrei umfasste verschiedene Filialkirchen und Kapellen, von denen die Wallfahrtskirche Mariazell am bedeutendsten ist. 1898 erfolgte in Sursee die Gründung einer reformierten Kirchgemeinde. Ihre 1912-1913 errichtete Kirche wurde 1966 erneuert und mit Glasfenstern von André Thomkins ausgestattet.
Eine um die Mitte des 14. Jahrhunderts nachgewiesene Pfarrschule wurde im 16. Jahrhundert in eine städtische Lateinschule umgewandelt. 1608 kam mit der Hinrichtung von Martin Duvoisin als Ketzer die gegenreformatorische Haltung zum Ausdruck. 1605-1608 wurde das Kapuzinerkloster gegründet und gebaut. 1703-1705 erfolgte ein Neubau von Kloster und Klosterkirche. 1960 wurde ein Kapuzinermuseum eingerichtet. Mit der Aufhebung des Klosters 1998 kaufte die römisch-katholische Kirchgemeinde die klösterliche Liegenschaft mitsamt der Bibliothek. Seit der Restaurierung und dem Umbau dienen die Räumlichkeiten kirchlichen und kulturellen Zwecken.
1379 vergabten vier Beginen ihr Haus in Sursee zur Gründung eines Stadtspitals. Das spätmittelalterliche, 1611 erneuerte Siechenhaus stand an der Landstrasse Richtung Basel. Es wurde mit dem Neubau des Stadtspitals westlich der Altstadt 1818-1819 in dieses integriert. Vom Spätmittelalter an Etappenort an der Gotthardroute, hielt Sursee einen Wochenmarkt, sieben Jahr- und Viehmärkte sowie bis 1720 neben Luzern den einzigen Getreidemarkt im Stand Luzern ab. Jüdische Händler sind ab 1648 nachgewiesen. 1777 bekam die Stadt einen Tuchmarkt und 1794 das Privileg für den Pferdeexport. Zünftisch organisierte Bruderschaften kontrollierten ein vielfältiges Handwerk und Gewerbe, das nach einer Blütezeit ab der Mitte des 15. Jahrhunderts einen Niedergang erlebte. Die Bruderschaften blieben so finanziell schwach. Im 17. und 18. Jahrhundert zählte Sursee viele bedeutende Kunsthandwerker wie Gold- und Silberschmiede, Holzbildhauer sowie Glas- und Hinterglasmaler.
Brände zerstörten 1363, 1461, 1650 und 1734 die noch weitgehend aus Holz gebaute Stadt ganz oder teilweise. Nach dem letzten Brand wurde die Oberstadt durch Weglassung einer Häuserzeile und neuer Platzgestaltung verändert. Südlich und östlich des Obertors entwickelte sich ab dem späten Mittelalter die ehemalige Siedlung Wile zur Vorstadt. Das Ortsbild der Altstadt ist von nationaler Bedeutung. Eine konsequente städtebauliche Planung und beispielhafte Neubauten brachten Sursee 2003 den Wakkerpreis ein.
Während der Restauration wurde das Gemeindegebiet von Sursee 1820 trotz des Widerstands städtischer Behörden auf ca. 6 km2 stark verkleinert und mit der neuen kantonalen Verfassung 1831 die Einwohner-, die Bürger- und die Korporationsgemeinde geschaffen. 2000 vereinigten sich Bürger- und Einwohnergemeinde wieder. Im 19. Jahrhundert verstand sich Sursee neben Luzern als "zweite Kapitale" und war in den 1860er sowie 1870er Jahren das Zentrum der konservativen Kantonspolitik.
Nach einer Zeit wirtschaftlicher Stagnation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt Sursee 1856 mit der Eröffnung der Bahnlinie Olten-Luzern regionale Bedeutung als Wirtschafts- und Schulstandort. Erste Industriebetriebe siedelten sich an wie die 1858 gegründete Seidenstickerei (seit 1946 Calida) oder 1872 die 1871 von Franz Xaver Weltert gegründete Ofenfabrik (seit 1978 Electrolux). Die 1827 gegründete Ersparniskasse Sursee und Umgebung wurde 1896 von der Luzerner Kantonalbank übernommen. Als Lokalzeitungen erschienen in Sursee ab 1830 "Der Eidgenosse" (ab 1841 in Luzern), 1856-1995 mit Unterbrechungen der "Luzerner Landbote" und 1858-1964 der "Sursee'r Anzeiger". Die Wochenzeitung "Surseer Woche" existiert seit 1992. Die 1800 gegründete Musik- und Theatergesellschaft verfügt seit 1842 über ein eigenes Stadttheater, das 1925-1926 neu gebaut und 1999-2000 restauriert sowie erweitert wurde. Weiter bereichern seit 1979 ein Kleintheater und seit 2007 das Museum Sankturbanhof das Kulturleben. Seit 1863 pflegt Sursee regelmässig am 11. November den wiederbelebten Brauch des sogenannten Gansabhauet.
1822 erhielt Sursee die erste Sekundarschule des Kantons Luzern und richtete in der Nachfolge der ehemaligen Lateinschule 1867 die Mittelschule ein. Daraus ging 1970 die Kantonsschule hervor. Diese wurde 1997 durch die Diplommittelschule ergänzt, die im Schuljahr 2004-2005 zur Fachmittelschule umgewandelt wurde. Auf der gewerblichen und kaufmännischen Fortbildungsschule von 1901 bzw. 1910 basiert das Berufsschulzentrum (1970). Die erste landwirtschaftliche Winterschule der Schweiz zog 1885 ins Rathaus ein und erhielt 1901 einen Neubau als kantonale Landwirtschaftliche Schule. 1907 wurde sie um die Hauswirtschaftsschule (Bäuerinnenschule) und 1934 um eine Käsereifachklasse erweitert sowie später zur Milchwirtschaftlichen Schule ausgebaut (seit 1999 Berufbildungszentrum Natur und Ernährung). Sursee erfüllt weitere regionale Aufgaben mit dem Zeughaus (1933-1934) und dem Bezirksspital (1940), das 1972 an den Kanton überging, 1973-1975 neu gebaut und 2000 administrativ zum kantonalen Spital Sursee-Wolhusen zusammengeschlossen wurde. Der Altbau des Spitals dient als regionales Pflegeheim Seeblick. Das ehemalige Stadtspital, seit 1935 das Bürgerheim, wurde 1969-1970 durch ein neues Alters- und Pflegeheim ersetzt sowie sukzessiv zum Alterszentrum ausgebaut.
Ende des 19. Jahrhunderts folgte der Aufbau einer modernen städtischen Infrastruktur (1886-1889 Wasserversorgung, 1894 Telefon, 1899-1900 Elektrizität). 1912 wurde die Bahnlinie Sursee-Triengen eröffnet. 1924 liess sich der Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften Zentralschweiz in Sursee nieder (2001 aufgelöst). Nach 1960 entstand die Industrie- und Gewerbezone mit landwirtschaftlichen Gewerbebetrieben, Maschinen- und Fahrzeugbau, Dienstleistungs- und Grosshandelsunternehmen. 1961 folgte die Eröffnung des Seebads, 1988 der Stadthalle mit Sportanlagen und 1999 der Eishalle. Das 1981 in Betrieb genommene Autobahnteilstück der A2 nach Luzern entlastete das städtische Zentrum vom Nord-Süd-Verkehr. 2008 war Sursee mit 10'898 Beschäftigten der wichtigste Arbeitsort für die Region.
Quellen und Literatur
- M. Stercken, Kleinstadt, Herrschaft und Stadtrecht, 1999
- H. Fetz et al., Der Vicus Sursee – eine röm. Kleinstadt zwischen Mittelland und Alpen, 2003
- A. Willimann, "Wenn hier Orts eine solche Fabrike errichtet würde, es für niemand zum Nachtheil wäre", 2005
- ISOS LU 2, 2005
- E. Amrein, T. Stillhart, Die Eisenbahnvorstadt in Sursee, 2006
- A. Willimann, Sursee – die zweite Kapitale des Kt. Luzern, 2006
- F. Glauser, Wile bei Sursee, 2011
- Reinle, Adolf: Das Amt Sursee, 1956, S. 413-478 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, 4).