Politische Gemeinde des Kantons Zug, am Nordwestufer des Zugersees, bestehend aus der am Ausfluss der Lorze liegenden Hauptsiedlung Cham mit den Teilen Kirchbühl und Städtli beidseits des Flusses, den Dörfern und Weilern Enikon, Lindencham, Friesencham, Hagendorn, Rumentikon, Niederwil, Oberwil und Bibersee. 858 Chama. 1771 839 Einwohner; 1850 1321; 1888 3140; 1900 3025; 1950 5486; 1970 8209; 2000 13'159.
Mesolithische Funde in der Städtler Allmend und im Grindel weisen auf eine frühe Besiedlung hin. Die Plätze Bachgraben und St. Andreas (Pfyner und Horgener Kultur, Schnurkeramik) gehören zu den zahlreichen neolithischen Siedlungen am Zugersee, der damals viel weiter nach Norden und Westen reichte. 1996 wurden im Seegebiet vor Cham-Eslen eine der Egolzwiler oder frühen Cortaillodkultur zugerechnete Siedlung und ein Einbaum entdeckt, die auf die Jahrhunderte vor 4000 v.Chr. zu datieren sind. Funde von Oberwil-Hof deuten auf mittel- und spätbronzezeitliche Niederlassungen hin, der Ortsname Cham (= Dorf) auf eine grössere keltische Siedlung. 1944-1945 wurde westlich von Hagendorn eine einzigartige, mit mehreren Wasserrädern ausgestattete römische Mühle aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. ausgegraben, in deren Nähe ein noch nicht genau lokalisierter Gutshof vermutet wird. Ein weiterer Gutshof aus der gleichen Zeit lag bei Heiligkreuz in Lindencham.
Die alemannische Besiedlung kann bisher nur durch die Ortsnamen nachgewiesen werden. 858 schenkte König Ludwig der Deutsche den Königshof Cham, dessen Zentrum vielleicht auf der Halbinsel St. Andreas lag, dem Zürcher Fraumünster. Der Hof war offenbar schon einige Zeit zuvor gebildet worden und umfasste vermutlich weite Teile des späteren Kantons Zug sowie angrenzende Gebiete. Das Fraumünster liess seine Besitzungen durch einen ab Mitte des 13. Jahrhunderts nachgewiesenen Meier verwalten. Die im Hofbereich liegende, auf einer älteren Kultstätte erbaute Kapelle der 1350 erstmals urkundlich belegten Burg St. Andreas geht auf die Karolingerzeit zurück. Die nahe Pfarrkirche St. Jakob auf dem Kirchbühl wird erst 1348 namentlich erwähnt, ist aber sicher älter. Durch ihr früh- oder hochmittelalterliches Grab des legendenhaften Bischofs ohne Namen war sie (1783-1796 barocker Neubau durch die Baumeister Singer) bis ins 20. Jahrhundert Wallfahrtsziel.
Der grosse Hof Cham muss früh aufgeteilt worden sein, wie Besitzungen der Klöster Muri 1064, Engelberg 1124, Einsiedeln 1217/1222, Kappel und Frauenthal im 13. Jahrhundert sowie der Spitäler von Zürich und Luzern im späten 14. Jahrhundert zeigen. Dem Zürcher Fraumünster verblieb neben Streubesitz vorerst das Patronat der Pfarrkirche, das 1244 dem Bischof von Konstanz abgetreten und von diesem 1271 an das Zürcher Grossmünster übergeben wurde. Das Kirchspiel umfasste im Wesentlichen das Gebiet der heutigen Gemeinden Cham und Hünenberg. 1403 ist erstmals von Kirchgenossen die Rede. 1706 stifteten diese eine Kaplanei- und Schulpfründe.
Seit dem 13. Jahrhundert sind auch weltliche Grundherren nachgewiesen. Die Schnabelburger stifteten vermutlich 1231 das nachmalige Zisterzienserinnenkloster Frauenthal, das sich eine kleine Grundherrschaft mit weit gestreutem Besitz und eigenem Niedergericht aufbauen konnte. Die Herren von Hünenberg besassen 1283 als Lehen der Wolhuser den Hof Niedercham, Güter in Rumentikon und als ein Zentrum ihrer Herrschaft die Grund- und Gerichtsherrschaft St. Andreas. Mitte des 14. Jahrhunderts versuchten sie hier, ihre wirtschaftliche und politische Stellung durch die Gründung einer Konkurrenzstadt zu Zug zu stärken. Um 1348 stifteten sie in St. Andreas eine Kaplaneipfründe, und 1360 erhielt der vorteilhaft am Weg zwischen Zürich und Luzern liegende und mit einem alten Fährrecht ausgestattete Hof das Marktrecht und das Recht zur Bürgeraufnahme. 1366 übernahmen die Habsburger, welche 1364 die Stadt Zug an die Eidgenossen verloren hatten, von den Wolhusern die Lehenshoheit und lösten 1370 die Hünenberger aus.
Im Sempacherkrieg eroberten 1386 die Zuger und Schwyzer das von den Habsburgern dem Zürcher Götz Mülner verpfändete Städtchen. Die Stadt Zug konnte aber erst 1406/1407 das Pfand kaufen und es durch das Erlöschen der habsburgischen Rechte 1415 definitiv sichern. Mit dem Kauf der umfangreichen, unter anderem die Patronate von St. Jakob und St. Andreas umfassenden Rechte und Besitzungen des Grossmünsters baute die Stadt Zug 1477 ihre Stellung aus. 1510 rundete sie die Vogtei durch den Kauf der in Niederwil dem Kloster Kappel zustehenden Güter und Gerichtsrechte ab. 1513 wurde die einst selbstständige, danach lange Rifferswil zugehörige Pfarrei Niederwil (Wiprechtswil) der Pfarrei Cham-Hünenberg eingegliedert.
Die Stadt Zug legte 1406 in ihrer neuen Vogtei zwei getrennte Verwaltungen für das Niedergericht und den Grundbesitz fest. Für die hoheitliche Verwaltung war der städtische Obervogt zuständig, dem der Untervogt und die Vierer oder Sechser beistanden. Diese wurden vom städtischen Rat aus den Vogtleuten gewählt und bildeten unter dem Vorsitz des Ober- oder Untervogts das Vogteigericht. Die Verwaltung des Grundbesitzes oblag einem oder zwei Stadtbürgern. 1432 verkaufte Zug die Vogtsteuer teilweise den Vogtleuten.
Im 16. Jahrhundert scheiterten die reformatorischen Bemühungen des humanistisch gebildeten Pfarrers Jost Müller und seines Pfarrhelfers am Widerstand der Bevölkerung und der städtischen Obrigkeit. Um 1540 verbesserte die Stadt durch den Bau der sogenannten Sumpfstrasse entlang dem Zugersee die Verbindung nach Cham Die 1591-1592 vom Stadtbaumeister Jost Knopfli durchgeführte Seeabsenkung (Abgrabung der Lorze bei Cham) sicherte deren Bestand. Verbunden damit war ein erheblicher Gewinn von Nutzflächen, welche Zug der Genosssame Städtli verkaufte. Dagegen ging das alte Lorzenbad ein; es lebte erst wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit auf. An der Verzweigung der Sumpfstrasse in Cham nach Luzern und ins Freiamt sowie in Rumentikon unterhielt die Stadt Zug Zollstellen, die nach 1803 der Kanton weiterführte.
Bis ins 19. Jahrhundert blieb Cham eine bäuerlich-kleingewerbliche Gemeinde. Den – unter Umgehung von Sust und Zoll der Stadt Zug – durch Cham führenden Handelsweg sperrte ein eidgenössisches Schiedsgericht, indem es 1491 den Weg durch die Stadt vorschrieb. Neben der bedeutenden Fischerei, etwas Wein- und zunehmendem Obstbau dominierte der Getreidebau. Im wirtschaftlichen Bereich konnten sich die Vogtleute selbst verwalten, soweit sie nicht städtischen Interessen zuwiderhandelten. In fast jeder Nachbarschaft bestanden kleine, vom späten 15. Jahrhundert an nachgewiesene güterrechtliche Korporationen, die sich von der Stadt bestätigte Satzungen zu Nutzung und Genossenrecht gaben. Die Beschränkung der sogenannten Gerechtigkeiten führte zu starken rechtlichen und sozialen Differenzierungen. Ein langer Prozess der Allmendauflösung – erste Einschläge sind bereits im 16. Jahrhundert dokumentiert – endete in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Aufteilung und Privatisierung fast aller Allmenden.
1798 gab die Stadt ihre Herrschaftsrechte in Cham auf, behielt aber bis zu deren Loskauf 1807/1816 ihre Grundzinsen und Zehnten und bis 1872 das Patronatsrecht. In den ehemaligen Vogteien Cham und Hünenberg besorgte vorerst die Kirchgemeinde die Verwaltung. Erst im Frühling 1799 bildeten sich die zwei Munizipalitäten Cham und Hünenberg, während die Kirchgemeinde bis heute das Gebiet beider politischen Gemeinden umfasst und erst seit 1975 eine eigene Pfarrei Hünenberg besteht. 1859 errichtete die Schwesternkongregation Baldegg bei der alten Wallfahrtskapelle Heiligkreuz (Lindencham) eine Landmädchenschule, die später durch ein Lehrerinnenseminar und andere Schultypen erweitert wurde. Weitere Einrichtungen von überkommunaler Bedeutung sind der seit 1948 mit der Kantonalen Landwirtschaftsschule verbundene Schluechthof und seit 1977 die regionale Grosskläranlage bei Friesencham.
Entscheidend für die gewerbliche und industrielle Entwicklung von Cham war die Lorze. Erstmals 1279 sind am Fluss Mühlen nachgewiesen. Um 1641 gründete ein Zuger Stadtbürger eine Färberei und Bleicherei. 1657 erstellten zwei andere Zuger eine Papiermühle, die nach einer ersten Mechanisierung in den 1720er Jahren um 1840 die erste Papiermaschine erhielt. 1861 wurde sie mit der 1635 erbauten, 1825 von einem Zürcher Bürger übernommenen Hammerschmiede zusammengelegt und produzierte ab 1881 als erste schweizerische Fabrik Zellstoffpapier. Im 20. Jahrhundert wurde die Papierfabrik Cham AG zum grössten Betrieb in Cham und hat diese Stellung bis heute behalten. 1863 ging die Baumwollspinnerei und -weberei Hagendorn in Betrieb, die aber mangels Rendite nach dem Fabrikbrand 1888 nicht mehr aufgebaut wurde. Die damals beigeordnete Arbeits- und Erziehungsanstalt für Jugendliche besteht als Kinderheim noch heute.
1864 wurde Cham an die Bahnlinie Zürich-Luzern angeschlossen. 1866 gründete die amerikanische Familie Page mit amerikanischem Kapital die Anglo-Swiss Condensed Milk Co., die zuerst Kondensmilch, bald auch andere Milchprodukte herstellte. Das Unternehmen wurde rasch zum grössten, weltweit expandierenden Betrieb in der Gemeinde (1895 376 Arbeiter). Durch seine grosse Milchnachfrage in Cham und im weiteren Umkreis (1907 1000 Milchlieferanten aus 44 Orten) beschleunigte es den landwirtschaftlichen Strukturwandel hin zur Vieh- und Milchwirtschaft, wofür der Musterhof Langrüti (1880-1893) Vorbildfunktion einnahm. 1913 führte der Streit um den Milchpreis zwischen Lieferanten und Fabrik zu einem längeren Lieferboykott. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet der 1905 mit der Firma Nestlé in Vevey fusionierte Betrieb in die Krise und stellte nach allmählichem Abbau 1932 die Produktion in Cham ein, das aber Firmensitz von Nestlé blieb. Auf dem Fabrikgelände siedelten sich andere Produktionsbetriebe an (Maschinenbau, Verpackungen).
Die rasche Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte in den Gemeindeteilen Städtli und Kirchbühl, die sich entlang der Ausfallstrassen ausdehnten, und in den Weilern an der Lorze durch Fabrik- und Wohnbauten für Arbeiter und Kader zu einem tiefgreifenden Wandel der Siedlungs-, Bevölkerungs- und Erwerbsstruktur. 1850-1880 verdoppelte sich die Einwohnerzahl; danach ging das Wachstum etwas zurück. 1905 zählte noch ein Drittel der Arbeitsplätze zur Landwirtschaft, mehr als die Hälfte zu Industrie und Gewerbe. Bis 1955 halbierte sich der Anteil der Landwirtschaft, während der industriell-gewerbliche Sektor zwei Drittel umfasste. In der Folge wuchs, durch Standortvorteile wie niedrige Steuern und gute Verkehrslage (Autobahnanschluss 1979) begünstigt, vor allem der Dienstleistungssektor, zu dem 2001 gut 80% der Betriebe und 58% der Arbeitsplätze zählten. Auf den diversifizierten 2. Sektor (Papier, Elektronik, Maschinen, Baugewerbe) entfielen 40% der Arbeitsplätze.
Parallel zur Wirtschaft wuchs die Bevölkerung. 1990 ist Cham statistisch zur dritten Stadt im Kanton Zug geworden. Verbunden damit fand eine starke bauliche Entwicklung des Dorfs Cham und der entlang der Lorze liegenden Siedlungen statt; die Gemeinde wurde Teil der Agglomeration Zug. Eine erste Zonenplanung und Bauordnung trat 1950 in Kraft. Ziele der folgenden Planungen (1980, 1990) waren die Bewahrung des Charakters einer industriell geprägten Siedlung, die Bildung eines Dorfzentrums und die Erhaltung der Parklandschaft am See (Wakkerpreis 1991).