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Muttenz

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Arlesheim, östlich der Stadt Basel gelegen, mit altem Dorfkern zwischen Rütihard und Wartenberg und modernen Wohn- und Industriequartieren in der Rheinebene. Muttenz war bis 1874 mit Birsfelden vereinigt. 1225/1226 Muttence, 1277 Muttenza. 1585 ca. 360 Einwohner; 1770 850; 1850 2222; 1900 2502; 1950 7125; 1970 15'518; 1990 17'181; 2000 16'654.

1909 bzw. 1917 kam im Käppeliboden und im Schänzli je ein spätbronzezeitliches Grab zum Vorschein. Im selben Raum wurden zahlreiche eisenzeitliche und römerzeitliche Funde gemacht; es ist anzunehmen, dass die Ebene zwischen Rhein, Birs und Wartenberg früh und dicht besiedelt war. Eine Grabhügelgruppe aus der späten Hallstatt- oder frühen Latènezeit liegt im Hardwald; eine frühlatènezeitliche Maskenfibel stammt aus dem 1922 entdeckten Grab im Holderstüdeli; ein spätlatènezeitlicher Töpferofen trat bei der Überbauung Stettbrunnen zutage. In der römischen Kaiserzeit zählte das Gebiet zum Hinterland von Augusta Raurica; auf dem Gebiet der Gemeinden Muttenz und Pratteln werden die Überreste von mindestens acht Villen vermutet. Der Wachtturm in der Hard gehörte zu den um 370 n.Chr. angelegten Befestigungen längs des Rheinlimes.

Die Ursprünge der drei Burgen auf dem Wartenberg liegen im Dunkeln; die schriftliche Überlieferung von Vorder-Wartenberg setzt erst im 13. Jahrhundert ein, Keramikfunde sprechen für eine Besiedlung bereits in der spätkarolingischen Zeit (eventuell hochburgundische Königsburg). Die Herrschaft Wartenberg umfasste die Burgen Vorder- und Mittel-Wartenberg sowie den Hardwald, die grundherrlichen Rechte über Muttenz mitsamt dem Kirchensatz standen dem Dinghof zu. Es ist unbekannt, wann die beiden Herrschaften ans Strassburger Domstift kamen, das beide den Grafen von Homberg als Lehen vergab (ab dem 12. Jh.). 1306 veräusserten die Homberger das Lehen an die Habsburger. 1359 gelangte die Herrschaft Muttenz zunächst teilweise, 1373 dann vollständig an die Münch von Münchenstein, die sie zusammen mit der Herrschaft Münchenstein 1470 an die Stadt Basel verpfändeten und 1515 verkauften. Basel vereinigte die beiden Herrschaften zum Amt Münchenstein.

Die ältesten Vorgänger der Kirche St. Arbogast datieren aus dem 6. bis 8. Jahrhundert. Der romanische Bau (11./12. Jh.) bestand aus einem Langhaus mit rechteckigem Chor. Nach dem Erdbeben von 1356 wurde ein spätgotisches Gotteshaus erstellt. Im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde der Kirchturm neu errichtet sowie die Anlage mit einem zinnenbekränzten Mauerring mit Tortürmen versehen; sie stellt die einzige erhaltene Wehrkirche der Schweiz dar. Infolge der Verarmung der Münch ging die Kollatur der Kirche in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an den Basler Dom- und Chorherrn Peter zum Luft und nach 1517 an die Stadt Basel über, welche 1529 die Reformation einführte. Da die Muttenzer zu den vagantes extra civitatem Basiliensem gehörten, waren sie für Taufen und Hauptfeste in die St. Johanneskapelle beim Münster in Basel kirchgenössig. Die Klöster zum Roten Haus (rubea domus, im 14. Jh. erstmals erwähnt, 1521 Beginengemeinschaft) und Engental (Zisterzienserinnen, vermutlich kurz vor 1450 gegründet) wurden 1525 und 1534 aufgehoben. Hieronymus Annoni, Vater des Basler Pietismus, wirkte von 1746-1770 als Pfarrer in Muttenz. 1889 wurde die Chrischonagemeinde Muttenz gegründet, 1930 der Katholische Kultusverein Muttenz, aus dem 1933 die Pfarrei Muttenz-Freidorf entstand. Die 1963-1965 errichtete Kirche St. Johannes Maria Vianney ersetzte das erste katholische Gotteshaus von 1932.

Die Bevölkerung lebte von Acker- und Rebbau, ab dem 18. Jahrhundert bot die Posamenterei zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. 1832 trat Muttenz dem Kanton Basel-Landschaft bei. Die Entdeckung der Salzvorkommen beim Rothaus 1836 bedeutete den Beginn der Industrialisierung in der Region; vorwiegend chemische Fabriken siedelten sich bei Schweizerhalle an, welche durch den Chemieunfall vom 1. November 1986 traurige Berühmtheit erhielt. 1854 wurde die Bahnstation Muttenz an der Linie Basel-Liestal eröffnet. Dank der 1921-1922 aufgenommenen Tramlinie nach Basel entwickelte sich Muttenz vorerst zum Arbeiter- und Angestelltenvorort. Der Bau des SBB-Rangierbahnhofs 1927-1932, dessen Erweiterung 1962-1976 und die Anlage des Rheinhafens Au 1937-1941 förderten die wirtschaftliche Entwicklung; in den 1950er und 1960er Jahren siedelten sich weitere Unternehmen der Chemie-, Metall- und Maschinenbaubranche in Muttenz an. Am Rande des Gemeindegebiets schuf 1919-1924 der spätere Leiter des Dessauer Bauhauses, Hannes Meyer, mit dem Freidorf den bedeutendsten genossenschaftlichen Siedlungsbau der Zwischenkriegszeit in der Schweiz. Das Freidorf war eine Stiftung des Verbands Schweizerischer Konsumvereine; es kombinierte die Idee des sozialen Wohnungsbaus mit derjenigen der Gartenstadt. Die neuen Quartiere (1949 Auf der Schanz, 1950 Donnerbaum, 1958 Feldreben) verbanden die Siedlung Freidorf mit dem Dorfkern. Mit dem 1965 geschaffenen und 1973 revidierten Teilzonenplan Ortskern wurde das alte Dorfzentrum massvoll um- und neugestaltet (1970 Gemeindezentrum "Mittenza"), was der Gemeinde 1983 den Wakker-Preis eintrug. Regionale Bedeutung kommt Muttenz im Ausbildungswesen mit dem Gymnasium, der Gewerblich-industriellen Berufsfachschule sowie der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik (1973 als Technikum beider Basel gegründet) der Fachhochschule Nordwestschweiz zu. Der Hardwald dient zur Trinkwasserfassung (1955 Hardwasser AG), der von der Industrie nicht überbaute Teil als Naherholungsgebiet. Das Ortsmuseum mit einer Sammlung des Historienmalers Karl Jauslin wurde 1972, das Bauernhausmuseum 1985 eröffnet. Mit ca. 14'160 Arbeitsplätzen war Muttenz 2005 der grösste Arbeitsort des Kantons.

Quellen und Literatur

  • Muttenz, 1968
  • Kdm BL 1, 1969, 321-377
  • H.-R. Heyer, E. Murbach, Dorfkirche Muttenz, 1976 (21988)
  • Muttenzer Schr. 1-, 1987-
  • Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Brigitta Strub: "Muttenz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001197/2010-09-02/, konsultiert am 19.03.2024.