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Therwil

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Arlesheim. Ehemaliges Bachzeilendorf im mittleren Leimental, danach Wohngemeinde in der Agglomeration Basel. 1223 Tervvilre. 1630 ca. 350 Einwohner; 1753 597; 1815 699; 1850 892; 1900 1028; 1950 1459; 1970 5412; 2000 8434.

Ansicht des Bachzeilendorfs. Kupferstich von Matthaeus Merian, um 1621 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Ansicht des Bachzeilendorfs. Kupferstich von Matthaeus Merian, um 1621 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

Spuren einer neolithischen Siedlung fanden sich auf dem Lindenfeld. Reste einer Römerstrasse im Allmendwald, römische Münzfunde und ein Grenzstein lassen einen noch unbekannten römischen Gutshof vermuten. Ausgegraben wurden auch Steinkistengräber aus dem Frühmittelalter sowie Grubenhäuser und Töpferöfen aus dem Früh- und Hochmittelalter. Der sogenannte Weiherschlossplan zeigt Reste einer Wasserburg im Gebiet Weihermatten, die im 13. Jahrhundert vermutlich von den Herren von Therwil bewohnt war. Das Kloster Reichenau übte über Therwil und Ettingen Twing und Bann aus, der Bischof von Basel besass das Hochgericht. Beide belehnten die Grafen von Thierstein. Im Streit um das thiersteinische Erbe errang vorerst Solothurn die reichenauischen Rechte, das diese dem Bischof von Basel als Lehen übertrug. 1547 wurde Therwil der fürstbischöflichen Vogtei Birseck zugeteilt, aber erst 1669 gelangte das Dorf durch Tausch ganz in den Besitz des Fürstbischofs, der ab 1518 mit der Herrschaft Pfeffingen auch das Hochgericht über Therwil ausübte. Die Kollatur lag beim Bischof von Basel. Zur Pfarrei gehörte bis 1802 auch Ettingen und im 17. Jahrhundert zeitweise Oberwil. Die 1267 erwähnte Kirche mit Stephanspatrozinium wurde 1627-1631 auf einem gotischen Vorgängerbau neu errichtet. Die St.-Anna-Kapelle beim Friedhof entstand vermutlich im 17. Jahrhundert. 1525 ging Therwil ein Burgrecht mit Basel ein und nahm 1526 den reformierten Glauben an; 1526-1528 wurde das Dorf zum Zentrum der aus Basel vertriebenen Täufer. Nach einem ersten missglückten Versuch 1588 begann unter Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee 1590 die Rekatholisierung Therwils, in deren Gefolge die 1646 gegründete Erz-Sakramentsbruderschaft entstand. Im Dreissigjährigen Krieg wurde das Dorf mehrmals geplündert und gebrandschatzt. 1792-1793 kam Therwil zur Raurachischen Republik, gelangte dann unter französische Herrschaft und war 1793-1800 Teil des Departements Mont-Terrible, 1800-1814 Teil des Departements Haut-Rhin. 1815 wurde das Dorf dem Kanton Basel zugeteilt. In den Trennungswirren der 1830er Jahre war Therwil neben Aesch ein Zentrum der Trennungsbefürworter und stellte mit Stephan Gutzwiller den Wortführer der Versammlung von 1830 im Bad Bubendorf sowie ein Mitglied der provisorischen Regierung von 1831. Gutzwiller förderte später im jungen Kanton Basel-Landschaft unter anderem die Einrichtung von Bezirksschulen, von denen eine 1836 nach Therwil kam.

Die Bevölkerung betrieb vor allem Acker- und Rebbau. Im Dorf stand auch eine Zehntentrotte. Daneben gab es etwas Gewerbe (Steingruben, drei Mühlen) und Heimarbeit (Stricken, Spinnen, Weben). Die 1887 in Betrieb genommene Birsigtalbahn Basel-Therwil (heute Baselland Transport AG), 1910 bis Rodersdorf verlängert, brachte vereinzelt neue Industriebetriebe, so 1915 die Kammindustrie (1942-1991 Celluloidwarenfabrik). Sie förderte indes vor allem die wirtschaftliche Ausrichtung nach Basel. Im Sog der Stadt erlebte Therwil ab 1950 einen Bevölkerungsanstieg und in der Folge davon eine starke Bautätigkeit. Mit der Ortskernplanung von 1959, der die meisten Bauernhäuser zum Opfer fielen, entwickelte sich das ehemalige Bauerndorf zur Agglomerationsgemeinde mit 82% Wegpendlern im Jahr 2000 und einer gewerblich-industriellen Struktur mit hohem Dienstleistungsanteil. 1964 verlegte die 1928 gegründete Aquametro die Produktion, 1990 die Administration nach Therwil; 1998 siedelte sich die Gaba (2004 von Colgate-Palmolive übernommen) hier an. Der von der 1980 gegründeten Agrico betriebene Birsmattehof liefert seit 1981 auf genossenschaftlicher Basis Bio-Gemüse in der Region Basel aus. Mit der Dorfkernplanung von 1980 sollten die Reste des Dorfkerns gerettet werden. 1975 entstand auf privater Basis das Dorfmuseum; Fasnacht und Banntag wurden wieder belebt. 1989 wurde das Hügin-Haus (1675) ins Freilichtmuseum Ballenberg versetzt.

Quellen und Literatur

  • Kdm BL 1, 1969, 419-442
  • H.-R. Heyer, Pfarrkirche St. Stephan in Therwil, 1981
  • F. Zumthor et al., Heimatkunde Therwil, 1999
  • E. Gutzwiller, Heimatkunde 1863 von Therwil, 2004

Zitiervorschlag

Brigitta Strub: "Therwil", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001202/2013-11-26/, konsultiert am 28.03.2024.