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Walzenhausen

Politische Gemeinde des Kantons Appenzell Ausserrhoden, ehemaliger Bezirk Vorderland. Umfasst das Dorf Walzenhausen sowie mehrere Weiler und Einzelhöfe. Walzenhausen liegt auf einer Terrasse über dem Bodensee und dem Rheintal. 1320 ze Waltzenhusen. 1667 1013 Einwohner; 1813 1438; 1850 1794; 1900 3078; 1941 2408; 1950 2507; 2000 2181.

Das Gebiet von Walzenhausen, bis 1638 Unter-Hirschberg genannt, wurde von dem im Rheintal liegenden Hof Höchst her besiedelt. Nach den Appenzeller Kriegen (1401-1429) kam es zur appenzellischen Rhode Trogen. Höchst, St. Margrethen und die sogenannten Bergleute am Unter-Hirschberg besassen aber noch bis 1598 gemeinsame Allmenden. Die Unter-Hirschberger waren nach St. Margrethen kirchgenössig, wo sie 1634 zwei Drittel der Kirchgenossen stellten. 1525-1529 erfolgte der Übertritt zur Reformation. Konflikte um die paritätische Kirche in St. Margrethen führten 1638 zum Bau einer reformierten Kirche im Weiler Walzenhausen, nach dem sich die gleichzeitig gegründete Gemeinde fortan nannte. Die beiden Siedlungsräume am Untern Hirschberg, die innere oder Walzenhauser und die äussere oder Wiler Seite, rückten zur Gemeinde Walzenhausen zusammen. Erst 1808 wurde das Kirchengut, das Walzenhausen und St. Margrethen gemeinsam besassen, getrennt. Bis 1817 gehörte auch das Kloster Grimmenstein zum Gemeindegebiet. Haupterwerbszweige waren ab dem 16. Jahrhundert die Landwirtschaft und das Textilgewerbe (1579 acht Garnhändler). Im 18. und 19. Jahrhundert bildete Walzenhausen ein Zentrum des Viehhandels. Bis um 1910 wurde Weinbau betrieben, im frühen 21. Jahrhundert wurde ein Rebberg wieder bestockt. Auch nach der Einführung der Baumwolle wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein die als Walzehuser Tuch bezeichnete grobe Leinwand hergestellt. 1850-1920 war Walzenhausen eine Hochburg der Grobstickerei und Rideauxfabrikation, ausserdem bestanden eine Seidentuchbeutelweberei, eine Maschinenstickerei im Plattstich und Zwirnereien. Bis 1928 wurden Sandsteinbrüche ausgebeutet. In der Weltwirtschaftskrise war die Arbeitslosigkeit in Walzenhausen besonders hoch. Der Wiederaufschwung setzte 1932 ein, als Ulrich Jüstrich die Bürsten- und wenig später die Möbelpolitur- und Kosmetikfabrikation aufnahm. Ab 1946 kam es zur Gründung mehrerer KMU in der Metall- und Kunststoffverarbeitung. 1870-1900 entwickelte sich Walzenhausen zu einem Kurort. Die Drahtseilbahn Rheineck-Walzenhausen wurde 1896 erstellt. 1910 wurde das Kurhaus um einen Bäderbau erweitert, in dem das schwefel- und alaunhaltige Wasser vom ehemaligen Bad Schönenbüel in Wolfhalden genutzt wurde. Der Bau eines Schwimmbads 1934 und der Umbau des Kurhauses zum modernen Rehabilitationszentrum 1970 setzten neue touristische Impulse. Die 1993 im ehemaligen Hotel Rheinburg eröffnete erste Schmerzklinik der Schweiz wurde 1995 zur Klinik für neurologische und orthopädische Rehabilitation umgewandelt. Zur Bekanntheit von Walzenhausen trugen auch die um 1920-1978 abgefüllten Walzehuser Mineralgetränke und das 1910-1954 und 1970-1986 jährlich durchgeführte Bergrennen bei. Letzteres wurde 2007 unter dem Namen Historischer Bergsprint mit historischen Motorrädern und Autos wiederbelebt.

Quellen und Literatur

  • Kdm AR 3, 1981, 306-349
  • E. Züst et al., Chronik der Gem. Walzenhausen, 1988
  • Der Rheintaler, 28.9.2007, 7-11
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Thomas Fuchs: "Walzenhausen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001311/2014-11-04/, konsultiert am 18.04.2024.