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Rheineck

Politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region Rorschach, am linken Ufer des alten Rheins an der Grenze zu Österreich, ca. 4 km südlich des Bodensees gelegen. Regionales Zentrum für das Appenzeller Vorderland und das untere Rheintal. Im Engpass zwischen den Ausläufern des Vorderlandes und dem Rhein kam Rheineck während Jahrhunderten strategische Bedeutung zu. Um 1163 castellum Rinegge, 1218 Rinegg (Kopie). Das auf der "Tabula Peutingeriana" erwähnte Ad Rhenum wird von der neueren Forschung nicht in Rheineck, sondern in St. Margrethen vermutet. 1634 548 Einwohner; 1850 1177; 1900 2094; 1950 2600; 1970 3275; 2000 3231.

In karolingischer Zeit gehörte Rheineck zum Reichshof Thal. Um 1163 erhielt Graf Rudolf von Pfullendorf vom Bischof von Konstanz den Hof Thal und damit auch Rheineck als Lehen. Zur gleichen Zeit kaufte er vom Bischof das castellum Rinegge, das vielleicht mit der Burg Alt-Rheineck (heute Ruine) zu identifizieren ist. Im 13. Jahrhundert wurde die Burg Neu-Rheineck erbaut, die 1445 zerstört und deren Ruine 1747 abgebrochen wurde. Mauern verbanden die Burgen mit dem Städtchen. Dieses bestand nur aus zwei Häuserzeilen und verfügte über drei Tore. 1208 stritten sich die Abtei St. Gallen und das Bistum Konstanz um den Hof, der 1209 Reichsvogtei wurde. Die von König Rudolf I. 1276 bestätigten Privilegien förderten die städtische Entwicklung. 1291 ist eine Fähre nach Gaissau, 1312 ein Ammann, 1340 ein Wochenmarkt, 1424 ein Schulmeister bezeugt. Das Rathaus wurde 1553-1555 gebaut. Als Vögte amtierten zeitweise die 1169-1365 erwähnten Herren von Rheineck, Ministeriale des Bischofs von Konstanz und des Abts von St. Gallen. 1309 gelangte Rheineck als Pfand an Graf Hugo III. von Werdenberg-Heiligenberg, 1395 wurde es von Leopold III. von Habsburg erobert und geriet unter wechselnder Herrschaft in die Wirren der Appenzeller Kriege und später des Alten Zürichkriegs. Nach dem Sieg über die Habsburger bei Wolfhalden 1445 zerstörten die Appenzeller Rheineck und brachten es zusammen mit der bis 1460 erworbenen Vogtei Rheintal unter ihre Herrschaft. Nach dem Rorschacher Klosterbruch 1489 war Rheineck 1490-1798 Hauptort der eidgenössischen Landvogtei Rheintal. Das Hochgericht wurde 1544 von der Strasse gegen Thal an den Rhein bei Buriet versetzt. 1798-1803 gehörte Rheineck zum Distrikt Unterrheintal im helvetischen Kanton Säntis, 1803-1831 zum Distrikt Rheintal im neu gegründeten Kanton St. Gallen, 1831-2002 zum Bezirk Unterrheintal. 1831-1861 wechselten sich Rheineck und Berneck als Tagungsorte des Bezirksgerichts und der Bezirksgemeinde ab.

Kirchlich gehörte Rheineck zu Thal (St. Jakobskapelle erwähnt 1433). Nach der Reformation bekannte sich Rheineck mehrheitlich zum reformierten Glauben. Die heutige, 1722 barock umgebaute Jakobskirche stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert. Die 1716 gegründete reformierte Kirchgemeinde löste sich 1809 endgültig von Thal. Bis zum Bau der katholischen Kirche St. Theresia 1932-1933 und der Gründung der Pfarrei wurde das Gotteshaus paritätisch genutzt. Ca. 1550-1634 bestand eine Judengemeinde. Sie zählte 1608 15-25, 1631 65-90 Personen. Die Schirmherrschaft lag beim Landvogt. Eine Synagoge ist nicht bezeugt, spätestens 1632 aber ein Rabbiner und Schulmeister. Bereits 1608 beantragten die fünf katholischen Orte die Auflösung der Gemeinde, die durch Zuwanderung aus der Landgrafschaft Stühlingen 1632 merklich zunahm. 1634 mussten die Juden wegziehen und fanden zum Teil Aufnahme in der vorarlbergischen Judengemeinde Hohenems.

1498 schieden Rheineck und Thal ihre Rechte aus, die Allmendteilung im Buriet erfolgte erst 1770. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert waren die meisten Landgüter am Berghang bei Rheineck im Besitz von St. Galler Kaufleuten. Bis ins späte 19. Jahrhundert wurde hier Weinbau betrieben. Rheineck, ab dem Hochmittelalter mit Zoll- und Stapelrecht privilegiert, lebte vor allem vom Transithandel. Mit der Abfertigung von durchschnittlich 600 Flössen pro Jahr war die Gemeinde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wichtigster Umschlagplatz für Waren aus Chur. Über den Bodensee wurden Getreide und Salz für das Rheintal und Appenzell eingeführt. Auch über Rheineck lief der Handel mit Rohmaterial (Werg) zur Leinwandproduktion. Im 18. Jahrhundert brachte der Textilhandel mit Italien eine wirtschaftliche Blüte, wovon der herrschaftliche Löwenhof zeugt, den sich der Kaufmann Johannes Heer 1742-1746 erbauen liess. 1826-1829 betrieben Sebastian Heer und J.C. Dalwig zusammen mit englischen Mechanikern die erste Webmaschinenfabrik der Schweiz. Wegen Wassermangels verlegte Heer die dazugehörige mechanische Weberei nach Vorarlberg. 1831 erfolgte die Gründung der Seidengazefabrik Thal-Rheineck, die 2009 als Sefar AG sogenannte Monofil-Präzisionsgewebe herstellte. Die beiden Bankhäuser Custer aus dem frühen 19. Jahrhundert gingen in den 1860er bzw. 1930er Jahren Konkurs.

Die Verkiesung der Alpenrheinsohle, im 19. Jahrhundert zunehmend auch bei Rheineck, führte zusammen mit der Eröffnung der Bahnstrecke Rorschach-Chur 1858 zum Einbruch der traditionellen Erwerbszweige, wohingegen der Kiesgewinnung 1870-1940 eine gewisse Bedeutung zukam. Aus Furcht vor wirtschaftlichen Einbussen wehrte sich Rheineck im 19. Jahrhundert auch gegen die Umleitung des Rheins. Diese erfolgte 1900 mit dem Fussacher Durchstich und setzte den Überschwemmungen im Ort ein Ende. Die nurmehr am alten Rhein gelegene Gemeinde setzte sich für die Erhaltung des Schiffsverkehrs mit dem Bodensee ein. In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie zum beliebten Ziel für Bodensee-Raddampfer. Von den 1860er bis in die 1970er Jahre bot die Stickerei- und Seidenindustrie Verdienstmöglichkeiten (1899-1925 Stickerfachschule). Die 1896 eingerichtete kantonale Landwirtschaftsschule Custerhof wurde 1977 zur Bäuerinnenschule umfunktioniert und 2004 als Hauswirtschaftliches Bildungszentrum dem kantonalen Berufs- und Weiterbildungszentrum angegliedert. Die Erschliessung im Nahverkehr erfolgte 1860 mit der Postkutsche nach Heiden, 1869 nach Thal und 1871 nach Walzenhausen, zu dem seit 1896 auch eine Bergbahnverbindung besteht. Die Rheinbrücke ersetzte 1874 die Fähre. 1964 erhielt Rheineck Anschluss an die A1. Anfang des 21. Jahrhunderts bestanden Postautoverbindungen nach Heiden, Thal, Rorschach und Bregenz. Mit einem Weg- und Zupendleranteil von 63% bzw. 66% im Jahr 2000 leidet Rheineck unter starkem Durchgangsverkehr.

Quellen und Literatur

  • StASG, Hist. Archiv der Stadt Rheineck
  • G. Niederer, Entstehung und Gesch. der Gem. Rheineck, 2 Bde., 1975
  • Unser Rheintal 46, 1989, 114-152
  • K.H. Burmeister, «Die jüd. Landgem. in Rheineck im 17. Jh.», in Landjudentum im süddt.- und Bodenseeraum, 1992, 22-37
  • IVS Dok. SG 5

Zitiervorschlag

Peter Müller; Markus Kaiser: "Rheineck", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.01.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001336/2012-01-04/, konsultiert am 17.04.2024.