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Weesen

Politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region See-Gaster, die am Nordwestende des Walensees an der Transitroute von Zürich zu den Bündnerpässen liegt und das Dorf Weesen, der Weiler Fli (teilweise) mit Hirschengut sowie die alte Brückensiedlung Biäsche nördlich des Linthkanals umfasst. 1232 Oberinwesin bzw. Niderinwesin, 1288 civitatis Wesen. 1799 387 Einwohner; 1850 642; 1900 741; 1950 1209; 2000 1422.

Ein spätrömisches Kastell, vermutlich aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n.Chr., wurde 2006-2007 ausgegraben. Um 840 ist eine Basilika des Klosters Pfäfers in Widen samt einem Hafen erwähnt. Gegen Ende des Hochmittelalters / Anfang des Spätmittelalters scheinen zwei Hofsiedlungen nebeneinander bestanden zu haben, wobei Niederweesen wohl bis 1264 dem Einflussbereich der Grafen von Kyburg, Oberweesen bis 1283 demjenigen der Grafen von Rapperswil zuzurechnen ist. Das zwischen den Höfen gelegene Kloster ist ab 1256 urkundlich fassbar; 1259 befreite es Graf Rudolf IV. von Rapperswil von gewissen Abgaben und stattete es mit Grundbesitz aus. Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts dürfte der Konvent nach der Augustinerregel gelebt haben. Ab 1283 unterstanden beide Höfe infolge von Erbgängen Rudolf I. von Habsburg, der vermutlich deren Weiterentwicklung zu einem Städtchen förderte. 1288 wird Weesen als ummauerte Stadt ausserhalb des Frauenklosters in Widen bezeichnet. Das Städtchen lag beim Ausfluss der Maag aus dem Walensee und war Hafen- und Brückenort zugleich.

Bischofsfigürchen aus Ton, Mitte 14. Jahrhundert, gefunden bei den Ausgrabungen Rosengärten 2007 (Kantonsarchäologie St. Gallen).
Bischofsfigürchen aus Ton, Mitte 14. Jahrhundert, gefunden bei den Ausgrabungen Rosengärten 2007 (Kantonsarchäologie St. Gallen). […]

1379 gewährte der habsburgische Landesherr Weesen das Wahlrecht für den Rat, die niedere Gerichtsbarkeit sowie die Befreiung von der Herrschaftssteuer. 1386-1387 prägten Konflikte zwischen Anhängern der Habsburger und der Eidgenossen das politische Leben im Städtchen; erstere öffneten am 22./23. Februar 1388 den Österreichern die Stadttore, worauf diese die eidgenössische Besatzung in der sogenannten Mordnacht von Weesen niedermachten. Nach der Niederlage der Habsburger bei Näfels am 9. April 1388 wurde die Stadt Weesen von ihren Bewohnern niedergebrannt. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts erfolgte der Wiederaufbau der wieder den Habsburgern zuerkannten Stadt als offene Siedlung an neuer Stelle um das Dominikanerinnenkloster, das sich im 15. Jahrhundert St. Verena, ab 1699 Maria Zuflucht nannte. Schon 1399 hatte der habsburgische Landesherr dem Flecken vermutlich in Verbindung mit dessen Funktion als Zollstelle und Hafen das Marktrecht (Wochenmarkt und vier Jahrmärkte) bestätigt. Archäologische Ausgrabungen und Quellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert belegen eine Infrastruktur mit Susten, Wirtshäusern und Warenlagern sowie holz- und metallverarbeitenden Gewerben. Eine bedeutende Rolle spielten der Schiffsverkehr (1484 Bruderschaft der Schiffsleute) für den Umschlag von Salz, Eisen und Korn sowie die Fischerei. Weinanbau und Trotten sind für das 14. Jahrhundert nachgewiesen. 1406-1436 unterstand Weesen als habsburgisches Pfand den Grafen von Toggenburg. 1437 schlossen Weesen, Windegg, Gaster und Amden ein Landrecht mit Schwyz und Glarus. 1447-1798 war Weesen eine gemeine Herrschaft von Schwyz und Glarus, 1798-1803 zählte es zum helvetischen Kanton Linth, 1803 kam es zum Kanton St. Gallen (bis 2002 Bezirk Gaster).

Die erste Kirche auf dem Bühl, die 1484 erwähnte Heiligkreuzkirche, dürfte im 12. Jahrhundert errichtet worden sein; sie besass keine Pfarrrechte. In den 1630er Jahren wurde sie umgebaut und erweitert. 1232 tritt ein Leutpriester als Zeuge auf, der an der Pfarrkirche St. Martin in Oberweesen tätig war. Diese Kirche wurde um 1492 neu erbaut. Nach dem Bildersturm von 1529 wurde sie im Zeichen der katholischen Reform mit neuen Altären ausgestattet. 1532 verlor Weesen auf Druck von Schwyz wegen der kurzzeitigen Zuwendung zur Reformation sämtliche städtischen Privilegien. Die Restitution dieser Rechte erfolgte erst 1564. Die reformierte Kirchgemeinde Weesen-Amden wurde 1908 gegründet, die Zwinglikirche auf dem Büelhügel 1913 erstellt. Das Kloster erlebte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Blüte. 2010 zählte es zehn Schwestern.

Nachdem Weesen im 17. und 18. Jahrhundert einen Niedergang erlebt hatte, brachte die Linthkorrektion 1807-1823 eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Wirtschaftsstruktur blieb jedoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts vom Schiffsverkehr sowie vom Holz- und Metallgewerbe dominiert. Erst im Zug der Verkehrsanbindung an Eisenbahn und Strasse ab der Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich vereinzelt Industriebetriebe an. Das grösste Wachstum brachte der Tourismus (Luft- und Badekurort, später Ausflugtourismus) ab Ende des 19. Jahrhunderts, der das Ortsbild veränderte.

Quellen und Literatur

  • UB der südl. Tl. des Kt. St. Gallen, bearb. von F. Perret, 1961-
  • Kdm SG 5, 1970, 297-390
  • F. Rimensberger, Weesen, 1996
  • Hist. Städteatlas der Schweiz: Weesen, 1997
  • HS IV/5, 935-970; IX/2, 377-379
  • V. Homberger, «Ein neu entdecktes spätröm. Kastell bei Weesen SG», in JbAS 91, 2008, 141-149
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Patric Schnitzer: "Weesen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.06.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001365/2015-06-10/, konsultiert am 28.03.2024.