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Ilanz

"Illanz am Auslauf des Lugnetzer ins Vorder Rhein Thal". Aquarellierte Federzeichnung nach der Natur von Hans Conrad Escher von der Linth, 14. Juli 1811 (ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung).
"Illanz am Auslauf des Lugnetzer ins Vorder Rhein Thal". Aquarellierte Federzeichnung nach der Natur von Hans Conrad Escher von der Linth, 14. Juli 1811 (ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung). […]

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Ilanz, Bezirk Surselva, bildet seit 2014 mit Castrisch, Duvin, Ladir, Luven, Pigniu, Pitasch, Riein, Rueun, Ruschein, Schnaus, Sevgein und Siat die neue Gemeinde Ilanz/Glion. Erste Stadt am Rhein, im Vorderrheintal am Ausgang des Lugnez gelegen, mit Strada (1978 eingemeindet). 765 Iliande, romanisch Glion. 1835 574 Einwohner; 1850 663 (mit Strada); 1900 981; 1950 1640; 2000 2488. Waffen- und Gerätefunde der Bronzezeit bei der Ruine Grüneck, beim Talasyl und in Strada. Unterhalb von Grüneck frühmittelalterliches Schatzdepot (790-794) mit Gold- und Silbermünzen langobardischer, karolingischer und arabischer Herkunft sowie langobardischem Goldschmuck (heute im Rätischen Museum Chur). Der 765 erwähnte Herrenhof Tellos dürfte im Bereich der heutigen Altstadt gelegen haben. Der ökonomische und politische Raum Ilanz umfasste vom Frühmittelalter an Strada, Luven, Flond und die auf Obersaxer Territorium liegenden Höfe Valata, Armsch und Cavrida; der Valater Bach bildete die westliche Grenze. Kirchlicher Mittelpunkt war die 765 erwähnte Pfarrkirche St. Martin südwestlich von Ilanz am Schnittpunkt der Verkehrswege ins Lugnez und nach Obersaxen. Sie war um 840 karolingisches Reichsgut und mit dem Zehntrecht ausgestattet. Eine dortige Siedlung, in spätmittelalterlichen Urkunden Ober-Ilanz genannt, ist abgegangen.

Wirtschaft und Verkehr konzentrierten sich im späteren Mittelalter auf Unter-Ilanz, die heutige Altstadt. Dieses entwickelte sich um den frühmittelalterlichen Hof und den Wehrturm von St. Margarethen (vermutlich Zentrum eines bewehrten Burgareals, Kirche 1288 erwähnt) zur mittelalterlichen Stadt mit Ringmauer, Toren und Marktrecht. 1289 wird Ilanz als Stadt (oppidum) bezeichnet. Die Verschiebung des Zentrums der Gruob von Sagogn nach Ilanz im Spätmittelalter hing mit der neuen Verkehrssituation zusammen: Die erste Rheinbrücke bei Ilanz leitete den Verkehr direkt in die Stadt, die um 1380 Sust- und Zollort für den neu aufgekommenen Transitverkehr über den Lukmanier wurde. Zusammen mit der Gruob unterstand Ilanz im Mittelalter zunächst der Vogtei der Freiherren von Belmont und ab 1400 den von Sax; innerhalb der Stadtmauern bestand ein eigenes niederes Gericht. Das Stadtrecht von 1390 regelte vor allem Bauwesen, Brandschutz und Wirtschaftsordnung. In der Belmonter Fehde wurde Ilanz 1352 teilweise verwüstet, 1483 brannte es vollständig ab. Im Spätmittelalter bestanden mehrere Bruderschaften: die Liebfrauenbruderschaft zu St. Martin, die Bruderschaften St. Jakob der Ältere und des Heiligen Kreuzes zu St. Margarethen. St. Martin in Ober-Ilanz mit Pfarrhaus und Friedhof blieb Pfarrkirche bis zur Reformation; schon vor 1500 aber spielte St. Margarethen in der Stadt die grössere Rolle. Der mittelalterliche Pfarrsprengel reduzierte sich durch Ablösung von Luven (1526) und Flond (1731) auf den engeren Stadtbereich. Im Spätmittelalter gewann die Vorstadt St. Nikolaus, benannt nach der gleichnamigen Kapelle (1408 geweiht), infolge des Baus der Rheinbrücke vorübergehend verkehrsmässig an Bedeutung.

1395 fand in Ilanz der erste Akt der Gründung des Grauen Bundes statt; der Hauptinitiant, Johannes von Ilanz, stammte aus Ilanz. Ab dem 15. Jahrhundert beherbergte Ilanz, einzige Stadt im Grauen Bund, im Turnus mit Chur und Davos den Bundstag, die oberste Versammlung der drei Bünde. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erlangte Ilanz als Ort wichtiger Beschlüsse der Bundstage zentrale Bedeutung innerhalb des Freistaates: 1524 erste gemeinsame Verfassung, 1524 und 1526 Ilanzer Artikel, 1526 und 1557 Edikte für die Anerkennung des katholischen und des protestantischen Glaubens (Gewissensfreiheit) in den drei Bünden und in deren Untertanengebieten. Bedeutendes Ereignis war die Disputation zu Ilanz 1526, die den Weg zur Ausbreitung der Reformation in Graubünden ebnete. Den Geist des Aufbruchs verkörperten Mitglieder der Familien Capol und Janigg. Bald nach Annahme der Reformation (1526) verschwand die Muttergottes aus dem Ilanzer Stadtwappen.

Die Politik der Stadt bestimmten in der Folge weitgehend die Familien Schmid von Grüneck und Castelberg. Erstere errichtete ansehnliche Bürgerhäuser, vor allem die Casa Gronda (1677), und förderte mit Unterstützung von Zürich und Bern 1715 die Erneuerung der Stadtbefestigung. Der Widerstand der Aristokraten gegen den Gregorianischen Kalender und die Entfernung der Kirchenstühle der Patrizier aus der St. Margarethenkirche lösten 1799 einen Aufstand der Bürger aus. Zur Zeit der Helvetik und Mediation büsste Ilanz seinen Rang als Tagungsort ein. Nur noch einmal, 1809, tagte der Grosse Rat daselbst. Im 19. Jahrhundert verlor Ilanz an Bedeutung als Handelsstadt, behauptete sich aber als Marktort, insbesondere für den Viehhandel der Surselva. Das Handwerk erlebte einen Aufschwung (1853 Gründung eines Handwerkervereins). Der Zuzug katholischer Arbeitnehmer aus Nachbarschaft und Ausland führte 1859 zur Gründung einer katholischen Kirchgemeinde mit eigener Kirche (1879). Der deutsche Sprachanteil nahm zu (2000 30% romanisch). Die Überbauung des niedriger gelegenen Vorstadtareals mit Gewerbe-, Industrie- und Wohnbauten, Wirtshäusern und Hotels wurde erst im 19. Jahrhundert möglich nach der Korrektion des Rheins. 1881 wurde das alte Rathaus südlich der ursprünglichen Rheinbrücke abgebrochen, an dessen Stelle 1893 das erste Stadt- und Sekundarschulhaus errichtet.

Ilanz ist heute ein bedeutendes regionales Schul- und Verkehrszentrum. Eine Schule ist schon 1536 nachgewiesen. Bis 1969 bestanden konfessionell getrennte Primarschulen. Johannes Fidelis Depuoz gründete 1865 bei Sontga Clau eine Real- und Industrieschule für Mädchen, das spätere Institut St. Joseph, und 1868 ein kleines Spital. Eine Kongregation der Dominikanerinnen betreibt, seit 1969 im neuen Klostergebäude, eine Krankenpflegerinnen- und Bäuerinnenschule. Ilanz beherbergt ferner ein Alters- und Pflegeheim, ein Regionalmuseum, eine Bezirkssekundar-, Real- und Hilfsschule, eine Gewerbe- und Handelsschule sowie die Musikschule Surselva. Die Stadt erhielt 1987 moderne Einrichtungen für den Viehmarkt und 1988 ein neues Regionalspital. Zum nach Chur und St. Moritz wichtigsten Verkehrsknotenpunkt des Kantons entwickelte sich Ilanz seit Eröffnung der Rhätischen Bahn 1903 und in den letzten Jahrzehnten mit dem Ausbau der Postautokurse zu den vielen Dörfern der Umgebung. Die kunstvolle Holzbrücke über den Rhein wurde 1961 abgebrochen und durch eine Betonbrücke ersetzt. Heute dominiert der Dienstleistungssektor (2000 drei Viertel der in Ilanz Erwerbstätigen). Wasserzinsen der Kraftwerke Ilanz I und II verbesserten ab 1990 die Lage des Gemeindehaushalts.

Quellen und Literatur

  • A. Maissen, L. Schmid, Glion / La Foppa, 1977
  • D. Cadruvi et al., 700 Jahre Stadt Ilanz, 1989
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Ilanz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001437/2016-12-07/, konsultiert am 28.03.2024.