de fr it

Sagogn

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Ilanz, Bezirk Surselva. Sagogn liegt nördlich über dem Vorderrhein am Rande einer kleinen Ebene in der Gruob (romanisch Foppa) und besteht aus den Teilen Innerdorf (Vitg Dadens) und Ausserdorf (Vitg Dado). 765 Secanio (Kopie), 1160 Sigannes, bis 1943 deutsch Sagens. 1803 399 Einwohner; 1850 535; 1900 405; 1950 492; 1970 383; 2000 597.

Archäologische Befunde auf dem Burghügel Schiedberg bezeugen eine kontinuierliche Besiedlung von der Bronzezeit bis ins Hochmittelalter. Westlich von Schiedberg lag im 8. Jahrhundert das Herrschaftszentrum der Viktoriden. Bischof Tello vermachte 765 dem Kloster Disentis ein Herrenhaus mit Zubehör, Bauernhöfen, Äckern, Wiesen, Weingärten und Alpen: Die Güter lagen im Innerdorf (vicus), in den Höfen (Ausserdorf), auf Bregl da Heida (im Hochmittelalter abgegangen) und Schiedberg (castrum) sowie ausserhalb der heutigen Gemeindegrenzen. Im Hoch- und Spätmittelalter war Schiedberg Sitz der Herren von Sagogn, Burg und Herrschaft gingen um 1390 unter. Weitere Grundbesitzer waren die Klöster Disentis, St. Luzi und Churwalden, das Bistum Chur, die Herren von Belmont und von Montalt sowie freie Bauern. Schloss Fraissen (Aspermont) im Ausserdorf war von ca. 1390 bis 1538 Sitz der bischöflichen Verwaltung über die Gotteshausleute der Surselva. Ein Vogt hielt hier zweimal jährlich Gericht. Im Spätmittelalter verschob sich infolge einer veränderten Verkehrs- und Wirtschaftslage das Zentrum der Gruob von Sagogn nach Ilanz.

Schloss Aspermont (auch Fraissen genannt) im Ausserdorf von Sagogn, Ansicht von Südwesten (Fotografie Ralph Feiner, Malans).
Schloss Aspermont (auch Fraissen genannt) im Ausserdorf von Sagogn, Ansicht von Südwesten (Fotografie Ralph Feiner, Malans). […]

Die schon 765 erwähnte Marienkirche war Zentrum einer mittelalterlichen Grosspfarrei, welche ursprünglich neben Sagogn auch Schluein, Laax, Castrisch, Sevgein, Riein und Pitasch umfasste. Die Kirche ist nach den 1990 abgeschlossenen Ausgrabungen in ihrer ersten Anlage mit Chor und Priesterbank aus dem 5. Jahrhundert eines der bedeutendsten Werke des Frühchristentums in der Schweiz. Der kirchliche Ablösungsprozess der Nachbargemeinden dauerte vom Hochmittelalter (Castrisch, Sevgein) bis 1850 (Schluein). Zum reformierten Glauben trat in Sagogn nur eine Minderheit über, die von Castrisch oder Ilanz aus pastoriert wurde. Der Friedhof wurde paritätisch benutzt, der evangelische Gottesdienst in einem Privathaus gehalten. Konfessionelle Streitigkeiten (Sagenser Handel) führten 1701 fast zu einem bündnerischen Religionskrieg. Mit dem Bau der evangelischen Barockkirche 1743 erfolgte die völlige Trennung der Konfessionen.

Zum Territorium von Sagogn gehörten ab dem Frühmittelalter die Aussensiedlungen Tuora und Foppas ob der Rheinschlucht sowie Murschetg (1497) und Lavanuz (765) oberhalb von Laax. Tuora war bis zur Reformation ein Weiler mit sieben Häusern und eigener St. Peterskapelle, die 1333 zusammen mit St. Maximin im Innerdorf durch die Freiherren von Belmont dem Stift St. Luzi in Chur übergeben wurde; als Dauersiedlung wurde Tuora um 1880 aufgegeben. Mit der Herauslösung von Laax verlor Sagogn um 1500 territorial, nicht aber besitzmässig, den grössten Teil der Berggüter (u.a. Murschetg, Lavanuz) und Alpen. Das Buch der Gesetze und Ordnungen der Gemeinde Sagogn wurde 1715 rätoromanisch und deutsch verfasst. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde als volkstümlicher Brauch der Litgun da Sagogn, ein grosser Knödel, durch die Jungmannschaft der Gemeinde im Freien zubereitet. Bestimmende Geschlechter im 16.-19. Jahrhundert waren die Jochberg, Montalta, Castell(i), Casutt und Steinhauser. 1799 kam Sagogn durch Parteiwirren und Heeresdurchzüge (Suworow) zu Schaden. Ziel der kommerziellen Auswanderung im 19. Jahrhundert war unter anderem Frankreich. Noch 1835 übertraf Sagogn mit 584 Einwohnern bevölkerungsmässig Ilanz (574 Einwohner). Ein Komplex von Gewerbebetrieben im Val da Mulin (Mühle, Säge, Stampfe, gemeindeeigenes Elektrizitätswerk, Wirtshaus) ist nach 1920 eingegangen. Eine 1870-1970 betriebene Dorfsennerei fiel der Zentralisierung zum Opfer. 1903 erhielt Sagogn eine Station der Rhätischen Bahn. Die Schulen blieben bis 1914 konfessionell getrennt. 2005 stellte der 2. Sektor 32%, der 3. 49% der Arbeitsplätze in der Gemeinde; viele Einwohner pendeln nach den Zentren des Vorderrheintals. Im Sog des touristischen Aufschwungs von Laax und Flims erfolgte ein starker Ausbau der Parahotellerie mit beträchtlicher Landschaftsbelastung. Der rätoromanische Sprachanteil ist von 94% (1920) auf 57% (2000) zurückgegangen.

Quellen und Literatur

  • M. Bundi, Historia dalla vischnaunca da Sagogn, 1975
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Weitere Links
e-LIR

Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Sagogn", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.01.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001444/2012-01-06/, konsultiert am 03.11.2024.