
Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Sur Tasna, Bezirk Inn. Dorf an der Verzweigung der Engadinerstrasse zum Ofenpass, zu dem die Fraktion Brail sowie seit 2015 auch Lavin und Susch gehört. 1131 Gumpo de Ernece, 1161-1164 Zarnetz (beide Belege in einer Kopie von 1365). 1835 634 Einwohner; 1850 603; 1900 596; 1910 1075 (Bahnbau); 1950 739; 2000 959.
Zernez war schon in prähistorischer Zeit Siedlungsplatz, was eisenzeitliche Funde auf Muottas und Muottas da Clüs sowie bronzezeitliche Siedlungsreste in der Balm Ils cuvels bei Ova Spin zeigen. Auf dem Kirchhügel wurde 1968 und 1971 eine römische Siedlung mit Pferdewechselstation ausgegraben. Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgte ein intensiver Landesausbau (Rodungen). Besitzungen der Herren von Tarasp und der Herren von Frickingen sind im 12. Jahrhundert, zahlreiche Höfe der Herren von Wildenberg im 13. Jahrhundert fassbar. Diese gingen an den Bischof von Chur und im 14. Jahrhundert an die Planta von Zuoz. Der Turm des Schlosses Wildenberg, der Turm der Familie von Mohr sowie mehrere in Bauernhäuser integrierte Wohntürme stammen aus dem Mittelalter. 1365 kam es in Zernez zu einem ersten Treffen im Vorfeld der Gründung des Gotteshausbundes von 1367. 1499 und 1622 wurde das Dorf zerstört. Der Reformation trat Zernez nach vorangegangenem Bildersturm 1553 bei. 1609 stiftete Rudolf von Planta die frühbarocke Pfarrkirche. Die Planta-Wildenberg dominierten bis ins 19. Jahrhundert die Politik von Zernez und des Unterengadins. 1652 kaufte sich Zernez wie das übrige Tal von Österreich los und gehörte bis 1851 zur Gerichtsgemeinde Obtasna. Der Wiederaufbau nach dem Dorfbrand von 1872, der grosse Teile des Ortes zerstört hatte, erfolgte im italienischen Stil mit Halbflachdächern. Im Gebiet Buffalora und Il Fuorn am Ofenpass wurde vom 14. bis ins 17. Jahrhundert (mit Unterbrüchen) Eisenerz gewonnen und verhüttet. Vom 15. bis Ende des 19. Jahrhundert wurden riesige Mengen Holz nach Hall im Tirol geflösst. Zu allen Zeiten war Zernez ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt; seit 1913 führt die Linie Bever-Scuol der Rhätischen Bahn durch Zernez. Nach wie vor ist Zernez eine der waldreichsten Gemeinden der Schweizerischen 68% der Fläche des 1914 gegründeten Nationalparks liegen auf ihrem Gebiet. Das 1968 in Zernez eingerichtete Nationalparkzentrum (Museum) zog 2008 in einen Neubau und seit 2007 beherbergt das barocke Schloss Wildenberg die Parkverwaltung. Zernez ist ferner Sitz der Engadiner Kraftwerke AG: 1971 wurde das Pumpspeicherwerk mit Livignosee und Ausgleichsbecken Ova Spin eröffnet. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden Baugewerbe und Tourismus zu den wichtigsten Arbeitgebern. Der romanische Sprachanteil lag 2000 bei ca. 60%.