Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Oberengadin, Bezirk Maloja. Nobelkurort und Sportort am gleichnamigen See, bestehend aus den Siedlungen Dorf (1830 m), Bad (1775 m) und Champfèr (1825 m) sowie dem Villenquartier Suvretta. 1137/1139 ad sanctum Mauricium (Kopie), 1296 sancti Mauricii, romanisch San Murezzan. 1803 183 Einwohner; 1850 228; 1900 1603; 1910 3197; 1950 2558; 1970 5699; 2000 5589.
Vorrömische Zeit
1853 wurde bei Bauarbeiten in St. Moritz-Bad eine bronzezeitliche Quellwasserfassung (Mauritiusquelle) entdeckt, die 1907 anlässlich der Neufassung der Quelle vollständig freigelegt wurde. In etwa 1,4 m Tiefe stiess man auf zwei vertikal gestellte Röhren aus Lärchenholz, die einen Durchmesser von rund 0,8-1,4 m und eine Höhe von etwa 1,8-2,3 m aufwiesen und teilweise mit schlammigem Material gefüllt waren. Um die Röhren herum befanden sich zwei Holzeinfassungen, rechteckig bis leicht trapezförmig, wobei die äussere in Blockbautechnik (Rundholzblock) erstellt war, während die innere aus verzapften Vierkanthölzern (Bohlen) bestand. Das gut erhaltene Holz liess noch zahlreiche Bearbeitungsspuren erkennen. In einer der Röhren fanden sich mehrere Bronzeobjekte, unter anderem zwei Vollgriffschwerter, ein Schwertklingenfragment, eine Dolchklinge und eine Schmucknadel. Die Funde datieren teilweise noch in die Mittelbronzezeit (ca. 15.-14. Jh. v.Chr.), z.T. aber schon in die frühe Spätbronzezeit (ca. 13.-12. Jh. v.Chr.). Die Objekte waren sorgfältig in der Holzröhre platziert worden, vermutlich als Weihegabe für eine Quellgottheit. Neue dendrochronologische Untersuchungen ergaben, dass die Quellfassung mit grosser Wahrscheinlichkeit 1466 v.Chr. erbaut worden ist.
Römische Zeit bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts
Obwohl die Gegend in römischer Zeit begangen war, fehlen für St. Moritz Funde aus dieser Epoche. Im 9. Jahrhundert war das Oberengadin Reichslehen eines Richpert; später ging es an die Grafen von Gamertingen über, die ihre Besitzungen zwischen S-chanf und Champfèr – ein Gebiet, das auch St. Moritz umfasste – 1137 und 1139 dem Bischof von Chur verkauften. Um 1300 trat St. Moritz noch nicht als Siedlung in Erscheinung. Belegt sind verstreute Einzelhöfe um die Mauritiuskirche. Im Spätmittelalter war es Teil der Markgenossenschaft und des Hochgerichts Oberengadin, mit dem es 1367 dem Gotteshausbund beitrat. Bei der Teilung des Hochgerichts in die Gerichte Suot und Sur Funtauna Merla 1462 bildete St. Moritz eine Nachbarschaft des Letzteren. Anlässlich der Oberengadiner Territorialteilung erhielt es 1536-1538 eigenes Gemeindegebiet. Die Nutzungsrechte an Alpen, Weiden und Wäldern gingen von der Talmark an die Nachbarschaften über.
St. Mauritius war neben St. Luzi in Zuoz und St. Peter in Samedan eine der drei Hauptkirchen des Tals. Ihr Sprengel umfasste den obersten Talabschnitt von St. Moritz bis nach Sils mit Fex und Grevasalvas. Von der Talkirche steht nur noch der romanische Turm, der wegen des rutschenden Hangs schief ist. 1577 trat St. Moritz als eine der letzten Gemeinden des Engadins zur Reformation über. 1787 erfolgte der Bau der reformierten Dorfkirche, 1897 jener des neugotischen Turms. 1867 wurde die katholische Pfarrkirche St. Mauritius errichtet, 1889 die katholische Badkirche St. Karl Borromäus, 1871 die Englische Kirche und 1877 die Französische Kirche.
1537 erwähnte Paracelsus erstmals eine Heilquelle (Eisensäuerling) in St. Moritz. Seither sind zahllose medizinische und geografische Beschreibungen des Sauerbrunnens entstanden. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde dieser vor allem von italienischen "Kuranden" besucht, unter anderen von den Herzögen von Parma und Savoyen. Die erste chemische Analyse der Quelle datiert von 1674. Ein erstes Kurhaus wurde 1832 eröffnet, allerdings noch ohne Gastwirtschaftsbetrieb. Ein solcher war 1856 betriebsbereit. Mit dem Kurhaus von 1864 nach Plänen von Felix Wilhelm Kubly begann der Aufstieg von St. Moritz als Badekurort. Die Mauritiusquelle wurde 1853, 1907 und 1937 neu gefasst, die Paracelsusquelle 1853. Das neue Heilbadzentrum war 1976 fertig gestellt. Nach 1858 entwickelte sich das Hotel Engadiner Kulm von Johannes Badrutt zuoberst im Dorf zu einem führenden Luxushotel, das 1879 mit der ersten elektrischen Beleuchtungsanlage der Schweiz ausgestattet wurde. Ab 1875 entstanden zuerst in St. Moritz-Bad, dann auch im Dorf und in Suvretta Grosshotels der Luxusklasse, ausserdem viele kleinere Hotels und Pensionen. Von den 1870er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg erfolgte St. Moritz' Aufstieg zur "Stadt im Hochgebirge" (1906 Baugesetz). Englische Gäste führten in den 1880er Jahren Wintersportarten wie Curling, Skeleton und Bobsleigh (Natureis-Bobbahn seit 1890) ein. Dann folgte der Siegeszug des Skisports (1928 und 1948 Austragungsort der Olympischen Winterspiele). Viele der in der Belle Epoque entstandenen Hotelunternehmen erlitten jedoch nach dem Ersten Weltkrieg grosse Verluste, manche blieben über Jahre geschlossen. In den 1920er Jahren begann die wirtschaftliche Erholung, der die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg Einhalt geboten. Der touristische Aufschwung in den 1950er Jahren löste einen Bauboom aus und die Bedeutung der Parahotellerie nahm zu. 2004 verfügte St. Moritz über 5642 Betten in der Hotellerie, 3500 in der Parahotellerie und 4000 in Zweitwohnungen. Im Fremdenverkehrsjahr 2000-2001 wurden 1'132'000 Logiernächte verzeichnet, davon entfielen rund 925'000 auf Hotel- und Kurbetriebe, der Rest auf die Parahotellerie. Zahlreiche sportliche Attraktivitäten wie Pferderennen auf dem gefrorenen St. Moritzersee (seit 1907) tragen zur Bekanntheit des Orts bei. Ausserdem gibt es seit 1967 ein Höhentrainingszentrum für Athleten. Das Engadiner Museum wurde 1906, das Segantini Museum 1908 eröffnet. Seit 1904 bildet St. Moritz die Endstation der Rhätischen Bahn, seit 1910 ist es an die Berninabahn angeschlossen, eine elektrische Strassenbahn war 1896-1932 in Betrieb. Verschiedene Bergbahnen erschliessen die umliegende Bergwelt (u.a. 1912 Drahtseilbahn St. Moritz-Chantarella, 1928 Chantarella-Corviglia). St. Moritz ist neben Samedan eines der Dienstleistungszentren des Oberengadins. 2005 stellte der 3. Sektor 78% der Arbeitsplätze in der Gemeinde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte im romanischen St. Moritz die Germanisierung ein. 2000 waren 67% der Einwohner deutscher, 5,4% romanischer Muttersprache.
Quellen und Literatur
- J. Heierli, «Die bronzezeitl. Quellfassung zu St. Moritz», in ASA 9, 1907, 265-278
- A. Zürcher, «Die bronzezeitl. Funde von St. Moritz», in BM, 1973, 52-64
- M. Bundi, Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgesch. Graubündens im MA, 21989
- S. Margadant, M. Maier, St. Moritz, 1993
- Poeschel, Erwin: Räzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin, 1940 (19752), S. 388-392 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, 3).