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Untervaz

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Fünf Dörfer, Bezirk Landquart. Am östlichen Fuss des Calanda im Churer Rheintal gelegen. 768-800 Uaze, 801-850 Vazes, 1210-1300 Vatz inferiore, romanisch Vaz sut. 1850 1097 Einwohner; 1900 940; 1910 928; 1950 1205; 2000 2093.

Auf der Felskuppe von Untervaz (Haselboden) wurde eine spätneolithische Siedlung entdeckt, auf Lisibüel eine bronzezeitliche Siedlung und eine urgeschichtliche Befestigungsanlage. Verschiedenenorts fand man ferner römische Münzen und Fibeln. Im Mittelalter unterstand Untervaz dem Hochgericht des Bischofs von Chur. Als Grundbesitzer ausgewiesen sind die Klöster Schänis (1178), St. Luzi in Chur (1275) und Pfäfers (1282). Über Teile von Untervaz übten im 14. Jahrhundert die Herren von Tumb mit Sitz auf der Neuburg die bischöfliche Gerichtsbarkeit aus, im 15. Jahrhundert die Mötteli vom Rappenstein. Der Grossteil von Untervaz gehörte im Spätmittelalter zur bischöflichen Herrschaft Aspermont. Der Weg über den Hof Halbmil verband Untervaz seit dem Frühmittelalter mit Chur, jener über den St. Margrethenberg seit dem Hochmittelalter mit Pfäfers. Im Spätmittelalter setzte – bedingt durch die Zuwanderung von Walsern und Nordalemannen – eine Alemannisierung ein. Die ehemals königliche Eigenkirche St. Laurentius wird um 840 als zu Pfäfers gehörig erwähnt. Die Pfarrei ist 1440 erstmals urkundlich bezeugt, ist jedoch älter. 1547 ging die Kollatur an die Gemeinde über. 1611 traten erste Untervazer zum neuen Glauben über. 1612 kam es zu konfessionellen Unruhen, 1622 erfolgte die (teilweise) Rekatholisierung. 1646 setzte die gemeinsame reformierte Pastoration mit Igis ein, 1710 bauten die Reformierten eine eigene Kirche. Die katholische Mehrheit von Untervaz wurde ab 1699 von Kapuzinern pastoriert.

Ab 1519 war Untervaz ein Glied des Hochgerichts der Vier Dörfer mit einem Siebtel Repräsentanz. Die Gemeinde kaufte 1567-1572 alle Feudallasten aus und erwarb 1577 die bischöfliche Neuburg. Durch Bodenkauf expandierte die Gemeinde im 17. und 18. Jahrhundert in die Herrschaft Haldenstein. Im 19. Jahrhundert verarmte sie aufgrund der zahlreichen Zwangseinbürgerungen, viele Einwohner wanderten aus. 1958 zogen die Bündner Cementwerke (seit 1999 Holcim) zu und liessen das Baugewerbe aufblühen. Untervaz wandelte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom traditionellen Bauerndorf zur Industriegemeinde. Eine Gesamtmelioration wurde 1961-1984 durchgeführt.

Quellen und Literatur

  • Kdm GR 7, 1948 (19752), 395-402
  • O.P. Clavadetscher, W. Meyer, Das Burgenbuch von Graubünden, 1984, 312-317
  • R.C. Head, «Religiöse Koexistenz und konfessioneller Streit in den Vier Dörfern», in BM, 1999, 323-344
  • J. Rageth, «Ein spätneolith. Siedlungskomplex von Untervaz, Haselboden», in Jber. des Archäolog. Dienstes Graubünden und der Denkmalpflege Graubünden, 2001, 35-58
  • Gem. GR, 2003, 398 f.
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Zitiervorschlag

Adolf Collenberg: "Untervaz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.02.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001602/2013-02-18/, konsultiert am 25.04.2024.