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Brugg

Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Hauptort des Bezirks Brugg, mittelalterliche Landstadt und alter Brückenkopf an der engsten Stelle der Aare. Die Gemeinde umfasst die Altstadt mit glockenförmigem Grundriss, eine kleine Vorstadt und neue Quartiere, vor allem im Süden, sowie Altenburg (seit 1901), Lauffohr (seit 1970), Umiken (seit 2010) und Schinznach-Bad (seit 2020). Brugg war im Mittelalter Markt- und Gerichtsort, seit dem 19. Jahrhundert Eisenbahnknotenpunkt. 12. Jahrhundert Bruggo, 1164/1174 Brucca, 1227/1234 Brukke. 15.-18. Jahrhundert ca. 500-700 Einwohner; 1803 694; 1840 ca. 1000; 1850 1142; 1880 1422; 1900 2339; 1930 4502 (mit Altenburg); 1950 5508; 1970 8635 (mit Lauffohr); 1990 9482; 2000 9143; 2010 10'386 (mit Umiken).

Brugg: Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Brugg: Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Aus vorrömischer Zeit stammen nur vereinzelte Funde. In römischer Zeit gehörte Brugg zum Einzugsgebiet des Legionslagers Vindonissa. Hier kreuzten sich die Strassen über den Bözberg nach Augusta Raurica, mit einer ersten Holzbrücke über die Aare, und nach Aventicum. Zahlreiche Gräber säumten die Strassen; in Altenburg stand in spätrömischer Zeit ein Kastell. Von einer alemannischen Zuwanderung zeugen Gräber aus dem 7. Jahrhundert in der oberen Altstadt. Vom 11. Jahrhundert an war die Brückensiedlung am Südufer der Aare im Besitz der Grafen von Habsburg. Älteste bestehende Bauwerke sind der Schwarze Turm an der Aarebrücke (wohl zweite Hälfte 12. Jh.), an der Hofstatt im Osten der Stadt das sogenannte Österreicher Haus, zunächst habsburgische Stadtresidenz und später zuweilen Quartier (wohl erst im 13. Jh.). Nach seinem Übergang an die ältere Linie des Hauses Habsburg wurde Brugg 1242, im Laufe innerer Auseinandersetzungen des Grafenhauses, geplündert. Im 13. Jahrhundert entwickelte sich Brugg zur Stadt: Kurz nach 1200 erhielt der Ort das Marktrecht, 1232 ist als erster Bürger ein Münzmeister genannt, 1254 wurde Brugg als oppidum, 1266 als stat bezeichnet. 1284 verlieh König Rudolf I., der vor seiner Königswahl oft hier geweilt hatte, Brugg das Stadtrecht nach dem Vorbild Aaraus. Die weiteren Geschicke der Kleinstadt waren durch das Haus Habsburg bestimmt; 1356-1364 gehörte sie Königin Agnes von Ungarn. Ansätze zu einer eigenen Politik der Stadt sind die Teilnahme am grossen Landfriedensbund von 1333, Burgrechte mit Baden und Mellingen 1351 sowie 1353 mit dem Kloster Wittichen im Schwarzwald. 1364 wurden die beiden habsburgischen Ämter Eigenamt und Bözberg unter militärische Führung der Stadt gestellt.

Fähnrich der Grafen von Habsburg vor Schloss und Stadt Brugg. Aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 100; e-codices).
Fähnrich der Grafen von Habsburg vor Schloss und Stadt Brugg. Aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 100; e-codices).

Nach der kampflosen Eroberung durch Bern 1415 war Brugg nordöstlicher Eckposten des Stadtstaats Bern. Der im Innern in politischer Hinsicht unveränderten Stadt standen ein Schultheiss, ein Kleiner Rat mit acht, ein Grosser Rat mit zwölf Mitgliedern sowie das Stadtgericht vor. Hinzu kamen zahlreiche Verwaltungs- und Kontrollorgane. Die Brugger nahmen an den meisten eidgenössischen Kriegszügen teil. Im Alten Zürichkrieg wurde die Stadt in der Brugger Mordnacht vom 30. Juli 1444 durch habsburgisch-österreichische Parteigänger geplündert und mit Brand verheert. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts stand sie in langwierigen Auseinandersetzungen mit den beiden benachbarten Ämtern. Die im frühen 13. Jahrhundert erbaute St. Nikolauskirche erfuhr vom 14. bis ins 16. Jahrhundert Erweiterungen, unter anderem 1479-1518 die Umgestaltung zur dreischiffigen Staffelhalle mit acht Altären. Neben dem 1227 erstmals erwähnten Leutpriester bestanden schon früh drei Kaplaneipfründen, denen im 15. Jahrhundert weitere folgten. 1469 erhielt das um 1450 gegründete Heiliggeistspital einen eigenen Kaplan. Im Spätmittelalter existierten sechs Bruderschaften; nahe Wallfahrtsziele waren Bözen und Zurzach.

Aarebrücke von 1577 mit Schwarzem Turm (um 1200). Zeichnung von Samuel Birmann, Juni 1814 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler).
Aarebrücke von 1577 mit Schwarzem Turm (um 1200). Zeichnung von Samuel Birmann, Juni 1814 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler). […]

1528 wurde unter bernischem Druck die Reformation eingeführt. In der Folge oblag die Seelsorge einem Prädikanten mit einem Helfer; die freie Pfarrwahl erhielt Brugg erst nach zähem Ringen 1558 von Bern zugestanden. Die aus habsburgischer Zeit stammende Schule wurde nach der Reformation obrigkeitliche Lateinschule (1638-1640 Neubau mit allegorischer Fassadenmalerei), vor allem zur Vorbereitung auf die Akademie in Bern, mit einem Schulmeister und einem Provisor. Die grosse Zahl der aus Brugg stammenden bernischen Pfarrer und Gelehrten führte zum Beinamen «Prophetenstadt». Im 16. Jahrhundert erfuhr Brugg einen Ausbau mit der Ummauerung der Vorstadt 1522-1525, einem neuen Kaufhaus (für den Wochenmarkt) um 1550, der ersten steinernen Aarebrücke von 1577 (ersetzt 1925) und dem neuen Rathaus von 1578. Im 17. und 18. Jahrhundert folgte die Errichtung der markantesten Bauten: Zeughaus 1673 (seit 1964 Heimatmuseum), Kornhaus 1699, Salzhaus 1732, Bürgerasyl 1747 und neues Schützenhaus 1765. Die barocke Ausstattung der Kirche datiert von 1641-1642, der Umbau zur Hallenkirche erfolgte 1734-1740. Als erstes Landhaus entstand vor dem Oberen Tor 1749 das Palais Frölich (seit 1909 Stadthaus). Wirtschaftlich herrschte ein vor allem dem Durchgangsverkehr dienendes Handwerk und Gewerbe vor. Bis 1604 fanden drei, danach vier Jahrmärkte statt.

Ein Zug der SBB nimmt bei Umiken die Bözberg-Südrampe in Angriff. Fotografie, 1927 (Historisches Archiv ABB Schweiz, Baden).
Ein Zug der SBB nimmt bei Umiken die Bözberg-Südrampe in Angriff. Fotografie, 1927 (Historisches Archiv ABB Schweiz, Baden). […]

Der Umbruch von 1798 wurde in Brugg begrüsst und durch ein Revolutionskomitee betrieben. Die Räte wichen der neuen Munizipalität. Die Stuben- und die Schützengesellschaft wurden aufgelöst, ihre Güter verteilt. Bauern der Umgebung plünderten im Stecklikrieg 1802 das Zeughaus. 1803 wurde Brugg Bezirkshauptort im neuen Kanton Aargau. Es folgte 1811 die Auffüllung der Gräben, darauf der schrittweise Abbruch der Befestigungen: 1829 Zurzacher-, 1832 Baslertor, 1835 Zollhaus und Torbogen, 1836 Brückenturm in der Vorstadt, 1840 Oberer Turm anlässlich der grossen Korrektion der Hauptstrasse, 1864 Effingerhof und 1882 Hallwylerhof. Kleine Gebietserweiterungen wurden 1823 gegen Lauffohr, 1836 gegen Umiken, grosse 1863 gegen Windisch vorgenommen. Einen ersten Bahnanschluss erhielt Brugg 1856, einen neuen Bahnhof 1868 (Neubau 1921). 1875 wurde die Bözbergbahn eröffnet, 1882 die Südbahn. Die Post, zunächst im jeweiligen Posthalter- bzw. im Roten Haus, zog 1896 in ein neues Gebäude. 1866 löste das Amthaus das Kaufhaus als Amtsstelle des Bezirks ab. Ab 1882 entstand die neue Wasserversorgung, ab 1896 die Kanalisation. Eine Industrialisierung fand zunächst nur zaghaft statt: Buchdruckerei 1864, Zündwarenfabrik 1882 und Maschinenfabrik 1890. Der Durchbruch erfolgte erst nach der Errichtung des gemeindeeigenen Elektrizitätswerks 1892 (Stillegung 1952): zwei Webereien 1893, Kabelwerk 1896, Kragen- und Hemdenfabrik 1899, Röhren- und Zementwarenfabrik 1906 und gemeindeeigenes Gaswerk 1911 (Stillegung 1967). Diese Entwicklung wurde begleitet von der Gründung der ersten Banken wie der Sparkassagesellschaft 1850 (später Spar- und Leihkasse, ab 1910 Aargauische Hypothekenbank). Infolge des Zuzugs von Katholiken entstand 1900 eine katholische Genossenschaft und 1938 eine Kirchgemeinde, die anfänglich den ganzen Bezirk Brugg umfasste. 1907 wurde die katholische Kirche St. Nikolaus geweiht. Im selben Jahr konstituierte sich die reformierte Kirchgemeinde. Auch andere Institutionen prägten Brugg im 19. und 20. Jahrhundert: nach 1848 der Waffenplatz für Pontoniere (später Genietruppen), 1887 die Landwirtschaftliche Schule, 1897 das Schweizerische Bauernsekretariat, 1866 das Urech'sche Kinderspital (erstes im Aargau, ab 1947 reformiertes Kinderheim), 1913 das Bezirksspital, 1864 die Stadtbibliothek und 1912 das Vindonissa-Museum. 1817 wurde die Lateinschule in eine Sekundarschule und diese 1835 zur Bezirksschule umgewandelt. Für Letztere wurde 1883 das Hallwylerschulhaus erbaut (Neubau 1968) sowie 1888 die erste Turnhalle. Danach kamen verschiedene Schul- und Sportanlagen hinzu. In den 1870er Jahren wurde die Gewerbliche bzw. 1909 die Kaufmännische Berufsschule, 1973 das Kantonale Seminar gegründet. In der Zwischenkriegszeit liessen sich kleinere Industrien nieder (v.a. für Maschinen, Farben und Waffeln), 1937 wurde das Schwimmbad gebaut. In neuerer Zeit, vor allem ab 1971, entstand das grossstädtisch anmutende Neumarktquartier mit Warenhäusern und Detailgeschäften, 1967 das Alterszentrum. Eine Umfahrung mit neuer Aarebrücke befreite die Altstadt ab 1980 vom Durchgangsverkehr. Im Wildischachen entstand infolge von Aussiedlungen und Neugründungen eine neue Industriezone. Dennoch prägte 1990 vor allem der 3. Sektor, mit 70% der Erwerbstätigen, die Erwerbsstruktur Bruggs, während der Anteil der im 1. Sektor Beschäftigten auf unter 0,5% gesunken war. Die regionale Zentrumsfunktion der Gemeinde kommt auch im hohen Anteil der Zupendler (1990 71%) zum Ausdruck. Das auf das 16. Jahrhundert zurückgehende Jugendfest Rutenzug ist die grösste Festlichkeit des Jahres.

Quellen und Literatur

  • Stettler, Michael; Maurer, Emil: Die Bezirke Lenzburg und Brugg, 1953, S. 231-232, 256-340 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, 2).
  • Banholzer, Max: Geschichte der Stadt Brugg im 15. und 16. Jahrhundert. Gestalt und Wandlung einer schweizerischen Kleinstadt, 1961.
  • Banholzer, Max; Bieger, Paul: Alt Brugg, 1984.
  • Mühlemann, Hans; Bieger, Paul: Brugg, 1984.
  • Banholzer, Max; Baldinger Fuchs, Astrid et al.: Brugg erleben, 2 Bde., 2005.
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
1164/1174: Brucca
12. Jh.: Bruggo
1227/1234: Brukke

Zitiervorschlag

Max Banholzer: "Brugg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.06.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001688/2020-06-09/, konsultiert am 08.12.2024.