Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Bezirk Laufenburg. Das Strassendorf im Fricktal liegt entlang der Strasse Frick-Salhöhe-Aarau. 1100 Wittnow (Kopie, Zuweisung unsicher), 1212 Rudolffus decanus de Wittnouwe (Kopie von 1516). 1758 465 Einwohner; 1790 673; 1850 939; 1900 815; 1950 737; 1980 779; 2000 1131.
Von der Ur- und Frühgeschichte zum Frühmittelalter
Im Umkreis der Kirche wurden mehrere neolithische Steinbeile gefunden. Eine weitläufige Siedlung der mittleren Bronzezeit mit zahlreichen Hitzesteinen wurde am Huttenweg am Fuss des Wittnauer Horns entdeckt. Auf dem Buschberg wurde ein hallstattzeitlicher Grabhügel angeschnitten, der vermutlich zur Siedlung auf dem Wittnauer Horn gehört. Nahe der Gemeindegrenze fand sich auf der Flur Nünig in Anwil eine spätkeltische Potinmünze. Im Umkreis der Kirche mehrfach angetroffene Baureste, unter anderem mit Hypokaust, stammen von einem römischen Gutshof; in seinen Mauerresten befinden sich frühmittelalterliche Gräber. Weitere Gräber wurden in den Fluren Ritzacker, Laiber und Hofmatt entdeckt. Nicht erforscht ist die Wallanlage auf dem Reichberg.
Gegenstand mehrerer archäologischer Untersuchungen bildete das Wittnauer Horn, der Hausberg im Westen des Dorfs. Dieser halbinselartig aus dem Tafeljura geschnittene Hügel war auf der ungeschützten Westseite durch ein Wallgrabensystem und einen zusätzlichen Vorwall geschützt. Die Anlage besitzt eine komplizierte, weitgehend ungeklärte Baugeschichte. Kleine Nachgrabungen 1980-1982 unter Ludwig Berger liessen erheblichen Zweifel an den Hypothesen von Gerhard Bersu aufkommen, die dieser im Anschluss an seine Grabungen 1934-1935 aufgestellt hatte. Die sogenannte Kalkgussschicht aus dem Kern des Walls kann nicht aus der Spätbronzezeit stammen, wie Bersu meinte, sondern muss in eine Zeit gehören, in der Kalkbrennen üblich war (römisch oder später). Die den Wall bekrönende Sperrmauer mit seitlichem Torturm datiert vielleicht aus dem Frühmittelalter. Die Fläche hinter dem Wall war in der späten Bronzezeit, der Hallstattzeit und in der unruhigen spätrömischen Zeit zwischen ca. 260 bis ca. 350 n.Chr. besiedelt. Auch im Frühmittelalter scheint das Wittnauer Horn genutzt worden zu sein, wohl im Zusammenhang mit einem fränkischen Verwaltungszentrum in Frick. Dies legt ein spätmerowingischer Münzschatz mit acht mehrheitlich niederrheinischen Denaren nahe.
Vom Mittelalter bis in die Gegenwart
Auf dem Gemeindegebiet liegt die Ruine der Burg Alt-Homberg, einer der Sitze der Grafen von Homberg, zu deren Herrschaftsbereich Wittnau gehörte und die hier begütert gewesen sein dürften. Güter in Wittnau besass auch das Kloster Murbach. Nach dem Tod Werners III. von Neu-Homberg um 1325 gelangte der Besitz in Wittnau an Habsburg. Bis ins 15. Jahrhundert war Wittnau Teil des Frickgaus, dann der Herrschaft Rheinfelden, seit 1803 des Kantons Aargau. Die Kirche St. Martin gilt als eigenkirchliche Gründung der Homberg-Thiersteiner, die Pfarrei wurde wohl vor 1000 aus der Pfarrei Frick ausgesprengelt. Durch Vergabung ging das Patronatsrecht 1316 von den Grafen von Thierstein an das Kloster Beinwil (ab 1648 Mariastein), 1872 an den Kanton Aargau. Das Kloster erbaute in Wittnau eine Propstei für seine Verwalter. Sie dient heute als Pfarrhaus. Nach der bischöflichen Visitation von 1760 bewilligte der Bischof von Basel 1761 einen Neubau der offenbar baufälligen Kirche. Finanziert wurde das neue Gotteshaus durch Beisteuern und Spenden der Kirchgemeinden der Kapitel Sisgau und Frickgau. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Wittnau ein Dorf von Kleinbauern- und Heimarbeiterfamilien, die für Basler Verleger Posamenterei betrieben. Nach der Eröffnung der nahen A3 in den 1970er Jahren nahm die Bautätigkeit zu, die Bevölkerung wuchs und Wittnau wandelte sich zur Wohngemeinde. Die Gewerbebetriebe im Dorf bieten nur eine begrenzte Zahl an Arbeitsplätzen an. Dank seinem alten und charakteristischen Baubestand wurde Wittnau ins Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommen.
Quellen und Literatur
- Kantonsarchäologie Aargau, Brugg, Fundstellenreg.
- G. Bersu, Das Wittnauer Horn im Kt. Aargau, 1945
- H. Ammann, A. Senti, Die Bez. Brugg, Rheinfelden, Laufenburg und Zurzach, 1948, 94 f.
- A. Egloff, «Der Wittnauer Kirchenbau von 1765», in Vom Jura zum Schwarzwald 46-48, 1974, 101-114
- J. Schneider, Die Gf. von Homberg, 1977
- Die Aargauer Gem., 1990, 280 f.
- L. Berger et al., Sondierungen auf dem Wittnauer Horn, 1980-82, 1996.
- Hunziker, Edith; Ritter-Lutz, Susanne: Der Bezirk Laufenburg, 2019, S. 418-435 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, 10).