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Zofingen

Politische Gemeinde des Kantons Aargau und Hauptort des gleichnamigen Bezirks. Die Gemeinde liegt auf der östlichen Seite des unteren Wiggertals und umfasst die Altstadt, die Hang- und Waldzone mit dem Weiler Bottenstein und den Seitentälern Riedtal und Mühletal, die mit Wohnquartieren und einer Industriezone im Nordwesten dicht überbaute Wiggerebene sowie seit 2002 die ehemalige Gemeinde Mühlethal. 1044 Zuvingen, 1201 Zouingen, französisch Zofingue. Um 1500 mindestens 1200 Einwohner; 1764 1884; 1798 1930; 1850 3559; 1900 4591; 1950 7393; 1970 9292; 2000 8647.

Aus vorrömischer Zeit existieren Einzelfunde. Von der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts bis ins 4. Jahrhundert ist ein römischer Gutshof am Hangfuss südöstlich der späteren Altstadt belegt, den eine Umfassungsmauer schützte und der über eine Badeanlage verfügte. Um 600 errichtete eine alemannische Adelsfamilie einen Herrenhof und ein erstes Gotteshaus am Standort der heutigen Stadtkirche. Die Kirche wurde mehrmals erweitert und im 11. Jahrhundert umgebaut, vermutlich im Zusammenhang mit der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfolgten Gründung des Chorherrenstifts St. Mauritius durch die Grafen von Frohburg, die damals die Grundherrschaft ausübten und den Stadtbezirk von der Herrschaft Aarburg abtrennten. Im 12. Jahrhundert besass Zofingen ein eigenes Getreidemass und prägte Münzen. Dies lässt auf die Existenz eines Markts schliessen, der vielleicht schon ab Ende des 11. Jahrhunderts bestand. Anfang des 13. Jahrhunderts erhielt Zofingen das Frohburger Stadtrecht. Der Spitzenbergplatz (ab 1894 Niklaus-Thut-Platz) mit dem Herrenhof, der Kirchenbezirk und der Alte Markt bildeten die ältesten Teile der Altstadt, die im 13. Jahrhundert zur heutigen Grösse erweitert, ummauert und mit Stadttoren und Türmen (1361-1363 Pulverturm und Folterturm) versehen wurde. Ab 1443 ergänzte ein äusserer Mauerring die Befestigung. Mehrere Ordensgemeinschaften gründeten im 13. und 14. Jahrhundert eine Niederlassung. In den 1290er Jahren verkauften die Frohburger Zofingen an die Habsburger, welche die Stadt als Stützpunkt an der Gotthardroute nutzten. Gemäss der Handfeste von 1363 verfügte Zofingen über grosse Autonomie: Schultheiss und Räte übten die hohe Gerichtsbarkeit aus, und die Bürger wählten ihre Regierung selbst. In der Schlacht bei Sempach 1386 kämpfte Zofingen auf österreichischer Seite. Danach suchte es die Annäherung an Bern. Beim Feldzug Berns in den Unteraargau 1415 kapitulierte Zofingen als erste Stadt und sicherte nun als bernische Munizipalstadt seine Freiheiten wie das Münzrecht, die Steuerhoheit und die hohe Gerichtsbarkeit. Nur die Aufsicht über das Stift und dessen bedeutende Güter blieb bis 1798 bei der bernischen Obrigkeit. Ab dem 15. Jahrhundert gab es neben dem Schultheissen einen Kleinen Rat mit zwölf Mitgliedern und einen Rat der Vierzig, den die Bürger wählten. Die vier Zünfte hatten keine politische Bedeutung und waren rein berufsständische Organisationen. Bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts waren Handwerker tonangebend, danach Textilunternehmer.

Zofingen unterhielt enge Beziehungen zu dem 1194 gestifteten Zisterzienserkloster St. Urban. 1280 erhielt das Kloster das Bürgerrecht der Stadt und besass bis 1848 in der Altstadt eine Liegenschaft und ein Kornhaus, die von einem Stadtbürger verwaltet wurden. Das im Mittelalter zwölf Mitglieder zählende Chorherrenstift wurde nach der Einführung der Reformation durch die bernische Obrigkeit 1528 aufgelöst und in eine staatliche Verwaltungsorganisation mit inkorporierten Pfarreien und grossen Zinseinkünften umgewandelt, die aus ihren Erträgen die Pfarrer, den Sigrist, die Lateinschule und verschiedene Beamte bezahlte sowie Arme unterstützte. Das neu eingeführte Chorgericht übte neben dem Rat und dem hohen Gericht die Rechtssprechung aus. Bis ins 20. Jahrhundert waren die Nachbardörfer Oftringen, Mühlethal, Strengelbach, Vordemwald und Rothrist nach Zofingen kirchgenössig. 1887 entstand die katholische Pfarrei, die 1893 eine Kapelle baute. Diese wurde 1930 durch die Christkönigskirche ersetzt.

Ab dem Mittelalter ist eine Lateinschule nachgewiesen, die dem Chorherrenstift unterstand und den geistlichen Nachwuchs ausbildete, zudem gab es ab Mitte des 15. Jahrhunderts eine deutsche Schule. An der in der Reformation gegründeten Hohen Schule in Bern waren zwei Studienplätze für Bürgersöhne aus Zofingen reserviert, ab 1610 sogar deren vier. So waren Pfarrer, die aus Zofingen stammten, im ganzen Staatsgebiet Berns tätig. Elf von ihnen wurden Professoren an der Hohen Schule in Bern. 1600-1602 errichtete Zofingen ein Gebäude für die Lateinschule, 1693 eine Stadtbibliothek und 1767 ein Waisenhaus.

Ursprünglich fanden in Zofingen drei Jahrmärkte statt, im 18. Jahrhundert deren acht. Die Stadt war Umschlagplatz für ein grösseres Umland und profitierte von der Nord-Südroute zwischen Basel und Luzern. Die in den 1760er Jahren gebaute Staatsstrasse Bern-Zürich führte allerdings nördlich an Zofingen vorbei über Oftringen. Um 1500 wurde ein Flussarm der Wigger zum Gewerbekanal ausgebaut, an dem sich ab dem 17. Jahrhundert die Textilindustrie niederliess. Ausserhalb der Altstadt siedelten sich im 18. Jahrhundert Indiennedruckereien an, zudem betätigten sich mehrere Bürgerfamilien erfolgreich als Unternehmer im Leinwand- und Baumwollgewerbe sowie in der Seidenbandweberei. Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten in Zofingen und Umgebung über 1000 Personen für die Seidenbandverlegerfamilie Senn, ein Teil von ihnen stammte aus dem Luzerner Hinterland. Für diese Region war Zofingen vom Mittelalter an ein wichtiger Marktort. Ferner besitzt die Stadt seit dem Mittelalter in Zofingen und den umliegenden Gemeinden Waldgebiete von über 10 km2. Diese brachten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gute Erträge und machten Zofingen zum grössten Waldbesitzer im Kanton Aargau.

1344 wurde der Chorneubau der Kirche vollendet, 1646-1649 erhielt das Gotteshaus einen neuen Glockenturm. Dreimal, nämlich um 1470, 1606-1608 und 1792-1795, errichtete die Stadt jeweils ein neues Rathaus. Ausserhalb der Altstadt entstanden 1609 das Siechenhaus und im 18. Jahrhundert Landhäuser von Oberschichtsfamilien. 1745 gestaltete die Stadt den Heitern als Musterungsplatz, der von Lindenbäumen gesäumt wird.

Nach dem Umsturz 1798 wollte Zofingen bei Bern verbleiben, da der Rat befürchtete, die Privilegien als Munizipalstadt zu verlieren. Dennoch wurde Zofingen Teil des helvetischen Kantons Aargau. Als Zofingen 1803 Bezirkshauptort des neu geschaffenen Kantons Aargau wurde, öffnete sich die lokale Bevölkerung dem Liberalismus. Zofingen wurde eine freisinnige Hochburg: Bis 2005 stellte die in den 1880er Jahren formierte freisinnige Partei immer den Stadtammann und bis 1961 die Mehrheit in der Stadtregierung. 1819 wählten liberale Studenten die Stadt wegen ihrer zentralen Lage und ihrer liberalen Ausrichtung zur sogenannten Bundesstadt ihrer Verbindung Zofingia (Schweizerischer Zofingerverein). Ferner war Zofingen Ausgangspunkt der Freischarenzüge von 1844 und 1845.

Ab 1819 begann die Stadt die mittelalterliche Befestigung abzubrechen und die Gräben aufzufüllen. 1837 wurde das obere, 1846 das untere Stadttor geschleift, gleichzeitig legte die Stadt Promenaden an. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz 1856 löste kein stürmisches Wachstum aus. Es war das 10 km nördlich gelegene Olten, das zum Verkehrsknotenpunkt aufstieg. Deshalb beteiligte sich Zofingen an der Schweizerischen Nationalbahn, die parallel zur Ost-West-Linie von Konstanz über Winterthur, Baden, Lenzburg und Suhr nach Zofingen führte. Nachdem die Strecke 1877 bis Zofingen gebaut worden war, ging die Bahngesellschaft ein Jahr später Konkurs. Die Stadt verlor 4,1 Mio. Franken und musste bis 1943 Schulden zurückzahlen. Auch auf anderen Gebieten versuchten die Behörden, eine überregionale Bedeutung zu erlangen. So bewarb sich Zofingen 1834 erfolglos als Standort des kantonalen Lehrerseminars, ebenso 1848 als Sitz des Bundesgerichts. 1852-1857 beherbergte es hingegen das nationale Telegrafenhauptbüro. 1873 scheiterte das Werben um die eidgenössische Waffenfabrik, und 1943 regte Zofingen den Bau eines Grossflughafens im nahen Wauwilermoos an.

Die Industrialisierung setzte spät ein, da die Wasserkraft der Wigger zu gering war. Erst dank dem Einsatz von Dampfmaschinen entstanden zwischen 1855 und 1875 vor allem Fabriken der Textilindustrie, die 1870 rund 2600 Arbeiter beschäftigten. Bereits damals wohnte die Mehrheit der Beschäftigten in den umliegenden Gemeinden. In der Krise der 1880er Jahre gingen die Textilfirmen Senn, Suter und Breitenstein Konkurs. Doch die Textilbranche blühte mit der mechanischen Strickerei Rüegger (Produktion 1886-1992), der Färberei AG (1901-1992), der Ritex (1919-2002) und der Bleiche AG (1932-1995) wieder auf. Hinzu kamen neue Branchen wie die 1873 geschaffene Chemische Fabrik Siegfried oder die Druckmaschinenfabrik von Hans Müller (1946, später Müller Martini AG). Aus der 1833 gegründeten Druckerei Ringier entwickelte sich ab 1907 eine der grössten Unternehmungen der grafischen Industrie der Schweiz; der Verlag zählte 1936 rund 700 Angestellte in Zofingen 1863 wurde die Bank in Zofingen eröffnet, die 1934 vom Schweizerischen Bankverein übernommen wurde. Der Bau eines städtischen Gaswerks folgte 1876, die Einführung der Elektrizität 1896. 1920 arbeiteten 60% der Beschäftigten in Zofingen im 2. Sektor, 2005 knapp 48%.

Ausserhalb der Altstadt setzte erst nach 1870 eine grössere Bautätigkeit ein. An den östlich gelegenen Hangzonen entstanden Wohn- und Villenquartiere. Bis 1945 existierten keine Mietshäuser für die Fabrikarbeiter. Diese pendelten aus den umliegenden Gemeinden zu den Arbeitsplätzen in Zofingen. Die Wiggerebene westlich der Eisenbahnlinie wurde bis zum Zweiten Weltkrieg vor allem mit Einfamilien-, ab 1950 grossflächig mit Mehrfamilienhäusern überbaut. Im Zug der Hochkonjunktur wurde das Projekt der Mittellandstadt Aarolfingen diskutiert, aber wieder verworfen. Anfang der 1980er Jahre kam nördlich der Altstadt eine grössere Einkaufszone hinzu, sodass Ende des 20. Jahrhunderts die Baulandreserven auf dem Gemeindegebiet praktisch ausgeschöpft waren. Zofingen wandelte sich bis 2010 mit seinen Nachbargemeinden zu einer Stadtregion von über 40'000 Einwohnern und mit Olten zu einer Agglomeration von 110'000 Menschen.

In seiner Funktion als Regionalzentrum schuf Zofingen zahlreiche öffentliche Bauten, so 1874-1877 ein neues Schulhaus, das erst um 1930 ausgelastet war, 1936-1938 das Gewerbe- und 1956-1958 das Bezirksschulhaus. 1974-1978 erstellten Kanton und Stadt das Bildungszentrum Zofingen, in dem seit 1976 die neu gegründete Kantonsschule und die Berufsschule untergebracht sind. Ferner entstanden 1813-1825 das Alte Schützenhaus, das seit 1982 als Kunsthaus genutzt wird, 1871-1872 die Abdankungshalle und 1874 die erste Turnhalle. Zwei private Stifter errichteten 1899-1901 ein Museum mit einer historischen und einer naturhistorischen Abteilung. 1887-1888 wurde aufgrund einer privaten Stiftung das Bezirksspital gebaut, das ab 1950 mehrfach erweitert wurde. 1932 legte die Stadt ein öffentliches Schwimmbad und den Sportplatz Steibrüggli an, 1938-1941 den Stadtsaal mit Theaterbühne, 1952 den Friedhof Bergli, 1961-1962 die Sport- und Mehrzweckhalle, 1963-1965 das Altersheim Rosenberg, 1967-1968 das Verwaltungsgebäude der Städtischen Werke, 1973-1975 das Sportzentrum Trinermatten und 1978-1979 das Altersheim Im Tanner.

Nordwestlich von Zofingen kreuzen sich beim Autobahndreieck Wiggertal die wichtigsten Stränge des Nationalstrassennetzes. Bis zur Eröffnung der A2 1981 floss der Verkehr auf der Hauptachse Basel-Luzern durch Zofingen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden im Bereich der Altstadt Umfahrungsstrassen entlang der ehemaligen Stadtgräben gebaut. Seit 1997 verfügt die Altstadt über eine Fussgängerzone. Die Einführung der Intercity-Bahnlinie Bern-Luzern wertete Zofingen 2004 als Bahnknoten auf. Zudem ist der Bahnhof Drehscheibe eines regionalen Busnetzes für die zahlreichen Zupendler.

Das auf das 16. Jahrhundert zurückgehende Kinderfest ist der bedeutendste lokale Brauch und findet jeweils Anfang Juli statt. Als weitere Grossveranstaltungen mit überregionaler Ausstrahlung gelten seit 1989 der Duathlonwettkampf Powerman, seit 1991 das Heitere Open Air und seit 2000 der Bio Marché.

Quellen und Literatur

  • Kdm AG 1, 1948 (19822), 309-412
  • A. Bickel, Zofingen von der Urzeit bis ins MA, 1992
  • C. Lüthi et al., Zofingen im 19. und 20. Jh., 1999
  • E. Hunziker et al., Zofingen vom MA bis 1798, 2004
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Christian Lüthi: "Zofingen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001828/2015-02-03/, konsultiert am 28.03.2024.