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Zurzach

Bad Zurzach

Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Bezirk Zurzach, 2022 aus der Fusion von Bad Zurzach mit Baldingen, Böbikon, Kaiserstuhl, Rekingen, Rietheim, Rümikon und Wislikofen hervorgegangen. Zurzach hiess die sehr viel kleinere Gemeinde, die sich aus dem historischen Flecken auf der Schotterterrasse am Rhein entwickelt hatte, schon bis 2006, dann wurde sie in Bad Zurzach umbenannt. Der Ortsteil Bad Zurzach bildet das Verwaltungszentrum der neuen Fusionsgemeinde und den Hauptort des Bezirks Zurzach. Um 700 Urtzache, um 830 Zuriaca, französisch früher Zurzac. 1510 ca. 500 Einwohner; 1780 1024; 1850 948; 1900 1287; 1950 2401; 2000 3899; Bad Zurzach: 2010 4045; 2020 4329; 2021 4514.

Von der Urgeschichte bis zur römischen Zeit

Die Funde aus dem Neolithikum (Silexartefakte, Steinsäge und Doppelhockergrab), der Mittelbronzezeit (Grube mit Lehmverputzstücken von Bauten, Keramikfragmente, Schwert aus zerstörtem Körpergrab) und der Spätbronzezeit (drei Urnengräber um 1050 v.Chr.; Bronzezeit) erlauben keine konkreten Schlussfolgerungen über die Siedlungsverhältnisse. Auch die etwa acht Gräber aus dem 4. Jahrhundert v.Chr. sind diesbezüglich nur bedingt aussagekräftig.

Auf eine allfällige eisenzeitliche bzw. «keltische» Siedlung weist nur der vorrömische Ortsname Tenedo hin, der in der Tabula Peutingeriana zusammen mit der Strassenverbindung Vindonissa (Windisch)-Tenedo-Iuliomagus (Schleitheim)-Brigobannis (Hüfingen) bezeugt ist. Die Strasse ins Gebiet der oberen Donau, die bei Zurzach den Rhein überquerte, folgte wohl einer alten prähistorischen Verbindung. Mit dem rechtsrheinischen, von um 20-15 v.Chr. belegten römischen Militärlager Dangstetten dürfte auch auf dem linken Flussufer – auf Zurzacher Gebiet – ein Brückenkopf angelegt worden sein. Ab 10 n.Chr. wurde eine Folge von Kastellen im Gebiet des heutigen Bahnhofs als Stützpunkt für die Eroberung des Decumatenlands errichtet. Um diese bildete sich ein Kastellvicus; im Westen schloss sich ein Gutshof an (mit früher Holzbauphase). Gräber aus der Militärzeit wurden bislang nicht entdeckt.

Mit der Verlegung der Grenze weg vom Rhein nach Norden verliess das römische Militär kurz nach der Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr. den Ort (Limes). Der Kastellvicus im Westen bestand mit einer kleinen Badeanlage noch einige Zeit weiter; die zivile Siedlung entwickelte sich jedoch in bescheidenem Ausmass in der mittleren Kaiserzeit entlang der Strasse gegen Süden, längs der ausserorts auch die Gräber angelegt wurden. Die jüngsten Bestattungen datieren aus dem 4. Jahrhundert n.Chr. Auch wenn die römische Nekropole danach nicht mehr benutzt wurde, blieb das Wissen um sie wach, was die Verenalegende und die Memorialbauten um das Verenamünster bezeugen. Als Vicus ist die Zivilsiedlung nicht inschriftlich belegt.

Die Rückverlegung der Reichsgrenze an den Rhein nach den Einfällen der Alemannen um die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. veränderte das Siedlungsbild grundlegend. Rheinaufwärts, ca. 700 m südlich vom alten Kern, baute das Militär ein Doppelkastell (Kirchlibuck und Sidelen), das die Strasse zur Rheinbrücke (dendrodatiert um 308-318 sowie um 368-376) umschloss. Der rechtsrheinische Brückenkopf lag bei der Kirche von Rheinheim. Im Kastell auf dem Kirchlibuck wurde im 5. Jahrhundert eine kleine Kirche mit einem Taufbecken errichtet.

Vom Frühmittelalter bis zum 21. Jahrhundert

Um 740/750 entstand um das Grab der Verena ein wohl auf noch keine Regel fixiertes Monasterium. 881 überantwortete Kaiser Karl III. dieses seiner Gemahlin Richardis zur Nutzung. Nach Karls und Richardis' Tod gelangte das Klösterlein vor/um 900 an das Kloster Reichenau. 1265 verkaufte Reichenau das aus dem Monasterium hervorgegangene Stift Zurzach, den Hof Zurzach und die Pfarrkirche aus Geldmangel an den Bischof von Konstanz. Zurzach bildete mit Rietheim, Rekingen und Mellikon ein eigenes Amt. 1415 verloren die Bischöfe von Konstanz die Hochgerichtsbarkeit an die Eidgenossen; von da an bis 1798 gehörte Zurzach zur Grafschaft Baden.

Um die Verenakirche bildete sich im Süden der römischen Siedlung ein Strassendorf, das vom Hochmittelalter an zu einem Flecken heranreifte, begünstigt durch die seit dem 9. oder 10. Jahrhundert bezeugte Wallfahrt und die Lage an einer Fernverkehrsroute. Im 10. und 11. Jahrhundert ist eine Rheinfähre zu fassen. Zwischen 1269 und 1275 errichtete der Bischof eine Holzbrücke, die im 14. Jahrhundert vom Fluss weggerissen und durch eine bis Anfang des 20. Jahrhunderts betriebene Fähre ersetzt wurde. Die Wallfahrt und die Verkehrslage förderten den Aufstieg der zwei Zurzacher Jahrmärkte an Pfingsten und am Verenatag (1. September), die spätestens ab dem 12./13. Jahrhundert abgehalten wurden; der erste urkundliche Beleg stammt aus dem Jahr 1363. Die Jahrmärkte entwickelten sich im 16. Jahrhundert zu den bedeutendsten Messen im oberdeutschen Raum, sanken vom Dreissigjährigen Krieg an allmählich wieder zu eher regionalen Anlässen herab und gingen im 19. Jahrhundert wegen der veränderten Verkehrssituation ein. Auch wegen der Jahrmärkte liess Bern noch im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts eine Abzweigung von der neuen Strasse nach Zürich von Hunzenschwil über Brugg nach Zurzach zu einer Chaussee ausbauen.

Das Recht, Wochenmarkt zu halten, erhielt der Flecken 1433. Zurzach zeigte zwar in der Bauweise (Rathaus, Kaufhaus, Spital, jedoch keine Mauer) bis zu einem gewissen Grad ein städtisches Gesicht, führte aber im Mittelalter und in der frühen Neuzeit kein eigenes Siegel, genoss keine Gerichtsprivilegien und unterstand einem Dorfrecht (1550, mit Anklängen an das Kaiserstuhler Stadtrecht). Ein Ratskollegium ist ab 1429 bezeugt. Im 18. Jahrhundert waren in Zurzach Bäcker, Metzger, Schuhmacher, Gerber, Strumpfwirker, Schiffer und Fischer ansässig, die auch von den Jahrmärkten profitierten.

Spätestens ab dem 11. Jahrhundert bestanden die Stiftskirche St. Verena und die Pfarrkirche St. Maria nebeneinander. Die Pfarrkirche wurde 1517 neu gebaut. In Zurzach hatten sich die Einwohner bis 1529 mehrheitlich der Reformation zugewandt. Nach 1531 kehrte rund die Hälfte der Einwohner zum alten Glauben zurück; die Pfarrkirche wurde fortan paritätisch genutzt, wobei die Reformierten unter Benachteiligungen zu leiden hatten. Erst nach dem Zweiten Villmergerkrieg wurde der Bau einer reformierten Pfarrkirche möglich; er erfolgte 1716-1717.

Zurzach war 1798-1803 Hauptort des Distrikts Zurzach des helvetischen Kantons Baden bzw. ab 1803 des aargauischen Bezirks Zurzach. 1876 erhielt es Anschluss an die Linie Winterthur-Bülach-Koblenz der Schweizerischen Nordostbahn (NOB). 1906-1907 wurde die Brücke über den Rhein gebaut. Die Industrialisierung begann in Zurzach mit Jakob Zuberbühler, der ab 1872 ein Weissnäherei- und Stickereiunternehmen und ab 1900 eine Schuhfabrik aufbaute (Bekleidungsindustrie). Er liess die Villa Himmelrych, das heutige Schloss Bad Zurzach, im Jugendstil erstellen. Das ehemalige Stickereigebäude übernahm die Unterwäschefirma Triumph (ab 1953 Triumph International), die noch Anfang des 21. Jahrhunderts in Zurzach ihren Hauptsitz unterhielt. Nach der Entdeckung der Salzlager wurde 1915 die Schweizerische Sodafabrik eröffnet. Diese gelangte 1922 an die Solvay AG, die bis 2004 in Zurzach produzierte. Auf der Suche nach Salz stiess man 1914 auch auf das Thermalwasser (Mineralquellen); die 1955 erneut gefasste Quelle wird seither durch die Thermalquelle AG ausgebeutet (Bäder). Ausbauten des Bades liessen das Bäderviertel anwachsen und  Zurzach entwickelte sich zu einem Kurort mit mehreren Hotels (Gastgewerbe). Die 1957 gegründete Mineralquellen AG vermarktete das Zurzacher Wasser. 1973 wurde die Rheuma- und Rehabilitationsklinik eröffnet. 1991 entstand das Weiterbildungszentrum für Physio- und Ergotherapeuten. 2003 erfolgte der Zusammenschluss mit der Badener Rehabilitationsklinik Freihof und der Höhenklinik Braunwald zur RehaClinic. Das Thermalbad zählte in den späten 1980er und den 1990er Jahren jährlich rund 800'000 Badeeintritte und die Hotellerie einschliesslich der Kliniken ca. 180'000 Logiernächte.

Zurzach verfügt über eine Ober-, eine Sekundar- (1817), eine Bezirks- (1835) sowie eine kaufmännische Berufsschule (1910), die alle im Ortsteil Bad Zurzach liegen. Die Schülerinnen und Schüler aus Kaiserstuhl besuchen die Sekundarschule in Stadel im Kanton Zürich. Das regionale Schwimmbad (1968), die Kreisschule, ein Friedhof (1969) und die Abwasserreinigungsanlage (1977) in Bad Zurzach wurden schon vor der Fusion von 2022 zusammen mit Nachbargemeinden betrieben. 1989 wurde der 1,2 km lange Tunnel der Nordumfahrung eingeweiht. Als administratives Zentrum des Bezirks beherbergt Bad Zurzach überdies das Bezirksamt (1803), das Bezirksgeometerbüro, das Bezirksgericht (1804), das Bezirksgefängnis, das Grundbuchamt und einen Posten der Kantonspolizei sowie als soziale Institutionen die Amtsvormundschaft, den schulpsychologischen Dienst, die Berufs-, die Jugend- und Familien-, die Sucht- und eine unentgeltliche Rechtsberatung. Das von der Historischen Vereinigung des Bezirks Zurzach (1925 gegründet) mitgetragene Bezirksmuseum vermittelt seit 1947 einen Überblick über die Lokalgeschichte (seit 1987 im Höfli).

Quellen und Literatur

Weblinks
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Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
römische Zeit: Tenedo
um 700: Urtzache
um 830: Zuriaca
Variante(n)
Bad Zurzach (2006-2021)
Endonyme/Exonyme
Zurzac (französisch nicht mehr gebräuchlich)
Zurzach (deutsch)

Zitiervorschlag

Katrin Roth-Rubi; Christoph Herzig: "Zurzach", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.11.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001851/2022-11-29/, konsultiert am 07.10.2024.