Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Hauptort des Bezirks Arbon. Bis 1998 Orts- und Munizipalgemeinde. Letztere umfasste die Ortsgemeinden Arbon und Frasnacht, somit das Gebiet der neuen politischen Gemeinde. Die Kleinstadt liegt auf einem halbinselförmigen Sporn am Südufer des Bodensees. Ihr mittelalterlicher Kern schliesst an den spätrömischen Kastellbezirk mit Schloss und Kirche an. Arbon wurde im 19. Jahrhundert zum Fabrikort und ist heute wichtigstes Industriezentrum des Oberthurgaus. Der Ortsname Arbona ist vermutlich keltischen Ursprungs. Um 280 Arbore Felice, ältester schriftlicher Beleg im "Itinerarium Antonini", 771 in pago Arbonense. Ehemalige Munizipalgemeinde Arbon: 1850 927 Einwohner; 1870 1919; 1888 3073; 1910 10299; 1941 8570; 1970 13'122; 1990 12'415. Ehemalige Ortsgemeinde Arbon: 1824 645 Einwohner; 1870 1396; 1888 2500; 1910 9598; 1941 7897; 1970 12'227; 1990 11'043.
Vorrömische Zeit
Unmittelbar südlich des Städtchens Arbon erstreckte sich in vorgeschichtlichen Zeiten die heute vollständig verlandete Seebucht rund 700 m ins Landesinnere. 1885 wurden in der sogenannten Bleiche, am Südrand dieser Bucht, Siedlungsreste aufgedeckt, die Jakob Messikommer als neolithisch erkannte. Im gleichen Jahr wurden unter seiner Leitung umfangreiche Sondierungen durchgeführt. Eine kleinere Grabung folgte 1925. Die Entsumpfung des Gebiets zwischen Bleiche und Obersteinach führte 1944 zur Entdeckung einer frühbronzezeitlichen Siedlungsstelle, die in der Folge durch Karl Keller-Tarnuzzer unter Mithilfe polnischer Internierter weitgehend untersucht worden ist. Spätere Grabungen in den 1980er und 1990er Jahren trugen zur Klärung der siedlungsgeschichtlichen Verhältnisse in der Bleiche bei. So steht heute fest, dass wenigstens zwei Siedlungshorizonte der sogenannten Pfyner Kultur (erste Hälfte 4. Jahrtausend) vorhanden sind. Eine weitere Dorfsiedlung ist zwischen 3384 und 3370 v.Chr. datiert, also in die bis dahin kaum erforschte Übergangszeit zwischen Pfyner und Horgener Kultur. Grosse wissenschaftliche Bedeutung kommt ebenfalls der 1944 entdeckten frühbronzezeitlichen Station zu. Eine Neubeurteilung der Funde und Befunde spricht für 2-4 Siedlungsphasen zwischen ca. 1700 und 1500 v.Chr. Was die Hauskonstruktionen anbelangt, so wird heute ebenerdige Pfostenbauweise vertreten. Die durchschnittliche Hausgrundfläche betrug 23 m². Bronzefunde, die 1921 bei Baggerarbeiten im Bereich des alten Hafens gemacht worden sind, deuten zudem auf eine spätbronzezeitliche Siedlung hin. Keramik- und heute nicht mehr lokalisierbare Grabfunde belegen eine latènezeitliche Siedlungstätigkeit.
Römische Zeit
Die Geschichte der Ansiedlung Arbor Felix lässt sich vorläufig nur für die spätrömische Zeit näher beschreiben, als das Kastell Arbon ein Element der Grenzverteidigung des Römischen Reichs war. Der Zeitraum von der römischen Eroberung bis etwa 300 n.Chr. ist dagegen nur durch spärliche Münz- und Keramikfunde dokumentiert. Nach diesen und Aufzeichnungen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert bestand eine kleinere, zivile Siedlung im Bereich des heutigen Bergliquartiers, westlich des mittelalterlichen Stadtkerns. Neuere Beobachtungen und Funde in dieser Gegend fehlen zwar, doch gehören 1991 an der Hilternstrasse entdeckte Kalköfen ebenfalls in die Kaiserzeit. Die Lage einer ersten römischen Siedlung auf dem flachen Hügelrücken über dem See war wohl von strategischen und verkehrstechnischen Überlegungen bestimmt, doch fehlt bis heute im Raum Arbon der Nachweis für die vermutete römische Strasse zwischen Pfyn und Bregenz. Besondere Bedeutung hatte das spätrömische Kastell, das in der "Notitia Dignitatum" als Stützpunkt einer Kohorte von Pannoniern genannt ist. 378 n.Chr. zog gemäss Ammianus Marcellinus Kaiser Gratianus über Arbon gegen Osten. Nachdem dieses Kastell lange im Bergliquartier vermutet worden war, wurden erst 1957 auf der Westseite des Schlosses die Fundamente eines Turms entdeckt. Darauf konnten bei Grabungen (1958-1962, 1973, 1986, 1990) weitere Teile des Kastells im Bereich des Schlosses und der Martinskirche freigelegt werden: Demnach umfasste es rund 10'000 m² auf der Ostspitze des Stadthügels und reichte bis an das Seeufer. Bis heute sind kurze Abschnitte der ursprünglich wohl etwa 350 m langen und 2,2-2,5 m dicken Wehrmauer mit Halbrund- und Vierecktürmen im Westen, Norden und Süden nachgewiesen. Im Osten ist dagegen vom Verlauf der Mauer nur wenig bekannt. Teile einer Toranlage wurden im Bereich der Nordmauer aufgedeckt. Gegen Westen wies die unregelmässig angelegte Festungsanlage einen Wehrgraben auf. Von der Innenbebauung waren bis 1986 nur wenige Reste von einfachen Gebäuden zum Vorschein gekommen. Unter der Martinskirche fand sich das Badegebäude der Festung, das als Basis für die sich bis heute folgenden Kirchenbauten diente. Zumindest ein Teil der Bewohner des Kastells wurde im Gräberfeld im Bergli beigesetzt, das bis ins 7. Jahrhundert weiter benutzt worden ist. Das spärliche Fundmaterial aus dem 4. Jahrhundert erlaubt keine sicheren Aussagen über die Erbauungszeit der Festung, doch ist eine Entstehung im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert wahrscheinlich.
Frühmittelalter bis 1798
Nach dem Abzug der römischen Grenztruppen um 401 verblieb in Arbon eine zivile gallorömisch-rätische Bevölkerung. Dies erklärt die Bremsung und Verlagerung der alemannischen Besiedlung um Arbon im 6. Jahrhundert, die Ortsnamen Frasnacht und Feilen (Gemeinde Roggwil), die auf eine romanisch-althochdeutsche Bilingualität vor 800 hinweisen, und die Christengemeinde im frühen 7. Jahrhundert, die Gallus im castrum Arbonense antraf. Sie wurde vom Priester Willimar betreut, dessen geistliches Oberhaupt wohl der Bischof von Konstanz war. Die weltliche Gewalt repräsentierte der tribunus Arbonensis Talto. Seine Amtsbezeichnung macht ein Weiterwirken römischer Verwaltungstradition wahrscheinlich, denn bereits im 4./5. Jahrhundert hatte ein im Kastell Arbon stationierter tribunus dem dux der Provinz Raetia unterstanden.
Die Herausbildung von Gebietseinheiten war Folge einer Ausbauperiode seit dem frühen 7. Jahrhundert. Dabei übernahmen die fränkische Herrschaft, das Bistum Konstanz und später das Kloster St. Gallen entscheidende Funktionen. Mitglieder der Waltram-Sippe hatten als fränkische Königsbeamte seit Beginn der Ausbauperiode die Macht in Arbon inne. Nach Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung um die Mitte des 8. Jahrhunderts zählte die Waltram-Sippe weiterhin zur Führungsgruppe, wenn auch mit geringerer Machtfülle, und trieb den Landesausbau weiter voran. Ein Hinweis, dass dieser zwischen alemannischem Neusiedelland und altem romanisch-churrätischem Einflussbereich voranschritt, ist die vielgestaltige Namensschichtung im 744 erstmals belegten Arbongau. Der Begriff "Arboner Forst" (forestus Arbonensis) dürfte ebenfalls mit dem Landesausbau in Zusammenhang stehen.
Mit der Einführung der Grafschaftsverfassung fiel der Arboner Kastellbezirk – wohl aus königlicher Hand – an die Konstanzer Bischofskirche. Der Bischof wurde weltlicher Herr der Burg Arbon, des Arbongaus und der Arboner Kirche. In den folgenden, langen Fehden zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Kloster St. Gallen erwiesen sich die Arboner als bischofstreu.
Die bischöfliche Grundherrschaft bestand vermutlich schon im 9. Jahrhundert aus den fünf Kelnhöfen Arbon, Egnach, Erdhausen, Wiedehorn (beide Gemeinde Egnach) und Horn. Durch die Binnenkolonisation vermehrten sich bis zum 13. Jahrhundert die Höfe und das Kulturland. Hinzu kamen Einkünfte aus dem umfangreichen Besitz der St. Martinskirche. Der Landungs- und Stapelplatz steigerte den Stellenwert Arbons als bischöfliches Verwaltungszentrum. Eine darin eingesetzte Ministerialenfamilie nannte sich von Arbon. Ihre mit der Zeit erworbenen Besitzungen und Rechte, darunter Burg und Stadt Arbon sowie die Kirchenvogtei, kaufte der Bischof von Konstanz 1282 und 1285 zurück.
In der Urkunde Friedrichs I. Barbarossa von 1155, die den Arboner Forst umschreibt und alle Konstanzer Besitzungen und Rechte verzeichnet, fehlt die Stadt Arbon noch. Sie wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit einem ca. 8 ha umfassenden Mauerring, Stadttoren und Stadtgraben angelegt. In der Offnung von 1255, der ältesten Urkunde der Stadt, sind die Pflichten der Bürger gegenüber dem Bischof festgehalten, der Markt und die niedere Gerichtsbarkeit, zudem Vogt, Ammann, Meier und Cellerar als Beamte aufgeführt. 1262-1264 bzw. 1266 residierte hier der minderjährige Konradin, Herzog von Schwaben, als Mündel des Bischofs Eberhard von Waldburg. Als Dank für die Gastfreundschaft stellte er den Arbonern 1266 das Privileg aus, Recht, Gericht und Bann innerhalb der Stadtmauern selber auszuüben.
1322-1334 liess Bischof Rudolf von Montfort die verfallene Burg wieder aufbauen. Die Herrschaft Arbon wurde immer wieder an Adlige und reiche Bürger anderer Städte – so an die von Wolfurt (1365-1382), Ulrich Payer von Hagenwil (1382-1422) und Rudolf Mötteli von Ravensburg (1422-1441) – verkauft oder verpfändet. Die Bischöfe behielten indes die Oberhoheit über die Stadt, und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde mehrmals das Recht des Bischofs bzw. seines in Arbon residierenden Vogts bestätigt, den Ammann aus den Reihen der Bürger von Arbon zu bestimmen. Der Zwölfer- bzw. Gemeinderat wurde dagegen von 25 Arboner Bürgern gewählt. 1441 fiel die Herrschaft Arbon wieder an das Hochstift, dem eine Erweiterung seiner Arboner Herrschaftsrechte gelang: König Friedrich III. verlieh ihm den Seewinkel zwischen Arbon und Horn, und 1463 erwarb der Bischof Horn im Tausch gegen Goldach. Damit hatte die Obervogtei Arbon den Umfang erreicht, der bis 1798 unverändert blieb. Arbon und Horn machten das Stadtgericht Arbon aus, wo der Bischof die Landeshoheit besass. Nach der Eroberung des Thurgaus 1460 stand Egnach als eigenes Gericht unter eidgenössischer Landeshoheit. Die bischöflich-konstanzische Obervogtei Arbon wurde zu einer Exklave. 1499 verlangten die Eidgenossen vom Bischof das Mannschaftsrecht über Arbon. Ob sich Arboner am Schwabenkrieg beteiligt haben, ist unbekannt, doch beanspruchten die Eidgenossen angesichts der bischöflichen Zugeständnisse auch die Landeshoheit über Arbon. Das Hochstift verteidigte diese jedoch nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil Konstanz und Arbon über den Bodensee unmittelbar miteinander verbunden waren. Auf dem Seeweg kamen beim grossen Stadtbrand von 1494 auch die Einwohner von Buchhorn (Friedrichshafen) zu Hilfe.
Im frühen 16. Jahrhundert liess Bischof Hugo von Hohenlandenberg das Schloss Arbon als bischöfliche Nebenresidenz zu seiner heutigen Form ausbauen. Das Verhältnis der Bischöfe zur Bürgerschaft Arbons blieb nicht unbelastet, unter anderem weil sich 1528 die Mehrheit der Reformation angeschlossen hatte. 1605 wurde der reformierte Stadtschreiber wegen Treulosigkeit angeklagt, danach versahen nur Katholiken diese Funktion. Erst im Diessenhofener Traktat von 1728 wurde die Verteilung der Stadtämter gemäss der im Thurgau geltenden Parität festgelegt. 1789 wurden neben dem bischöflichen Obervogt der einheimische Untervogt, der Gerichtsschreiber und zwölf Stadträte (Stadtammann, Stadtschreiber, Spitalmeister, Umgelter, Armenpfleger, Spendmeister, Kirchenpfleger, Säckelmeister, Mühlemeister, Baumeister, Gredmeister [Stapelhaus-Aufseher], Zoller) aufgeführt. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an hatten sie ihren Amtssitz im Rathaus an der Südwestecke der Stadtmauer. Sie unterstanden dem bischöflichen Hof zu Meersburg, wo auch die Hofkammer als oberste Verrechnungsstelle residierte.
Im ehemaligen Kastellbezirk entstand Ende des 13. Jahrhunderts die Galluskapelle in romanischem Stil über einem vermutlich karolingischen Vorgängerbau. Um 1770 fand eine barocke Restaurierung statt. Die Kapelle war bis 1782 Begräbnisstätte von Arboner Vögten und Gönnern der Kirche. Die Pfarrkirche St. Martin trat an die Stelle einer romanischen Basilika. Ihr 1490 erbauter Chor wurde beim Neubau des Schiffs 1786-1789 um einen Meter verkürzt. Die letzte Innenrenovation erfolgte 1986. Der 1457 in Holz und Stein vermutlich als bürgerlicher Wehrturm errichtete freistehende Glockenturm erhielt 1895 seine heutige Form, erst 1911 eine direkte Verbindung zur Kirche, und wurde 1997 renoviert. Die nach dem Stadtbrand von 1390 erbaute und 1424 erstmals erwähnte Johanneskapelle im mittelalterlichen Stadtkern wurde 1491 vom Bischof von Konstanz neu geweiht. In kriegerischen Zeiten diente sie als Ersatz für die ausserhalb der Mauern stehende St. Martinskirche. Während der Gegenreformation hielten die Reformierten zeitweise ihre Gottesdienste darin ab. Im 17. Jahrhundert wurde sie profaniert.
Das Kirchspiel Arbon umfasste um 900 Egnach, Steinebrunn, Roggwil, Steinach, Untereggen, Goldach und Mörschwil, die sich über die Jahrhunderte von der Arboner Kirche lösten. So bauten die Egnacher 1727, die Roggwiler 1746 ihre eigene Kirche. 1528 trat Arbon fast ausnahmslos zum neuen Glauben über, und 1532 wurde eine paritätische Kirchgemeinde gegründet. Dennoch kam es zu längeren konfessionellen Auseinandersetzungen. So befahl 1593 Bischof Andreas von Österreich den reformierten Arbonern, zum alten Glauben zurückzukehren oder Arbon zu verlassen. Es folgten langwierige Briefwechsel zwischen dem Bischof, den Eidgenossen und der Arboner Bürgerschaft. 1682 teilten die Arboner den Friedhof in einen katholischen und einen reformierten Abschnitt. Das von Zürich, Bern und dem Bischof 1728 ratifizierte Diessenhofener Traktat brachte mit der formellen Gleichstellung von Katholiken und Reformierten in Arbon eine gewisse Beruhigung. Die Übergriffe in die Rechte der Reformierten durch den Obervogt und den katholischen Stadtammann gingen aber weiter. Die St. Martinskirche blieb bis 1924 paritätische Ortskirche.
Lebensgrundlage der Einwohner Arbons war bis in die frühe Neuzeit die Landwirtschaft, vor allem Acker-, Obst- und Weinbau, ergänzt durch Handwerke und die Marktfunktionen. Besondere Bedeutung hatte der Anbau von Flachs, der zu Leinwand gewoben wurde. Zunächst orientierte sich Arbon vermutlich am Konstanzer Leinwandhandel, vom Spätmittelalter an im Wesentlichen an St. Gallen, das dem kleinen Leinenort mit Bleiche (1546) den Zugang zum Fernhandel verschaffte. Nach dem Dreissigjährigen Krieg erlebte das Leinwandgewerbe einen Aufschwung und eine Erweiterung durch die Färberei (1676) und das Mangen. Im Gewerbe gut vertreten waren Rot- und Weissgerbereien sowie bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Messerschmiede; nachgewiesen sind auch (Ader-)Lasseisenmacher. Im 18. Jahrhundert bestand zudem eine Ziegelhütte.
Als Folge des Pfälzischen Erbfolgekriegs vertrieb ab 1692 eine Kolonie von Handelsherren meist süddeutscher Herkunft (unter anderen von Furtenbach, Albrecht, Mayr, von Albertis) von Arbon aus ihre billige "Schwabenleinwand". Dank schweizerischen Handelsprivilegien in Frankreich und der lokalen Handels- und Gewerbefreiheit nahm Arbon einen spektakulären Aufschwung zum bedeutenden Leinenort. Die Tuchherrenpaläste des 18. Jahrhunderts legen davon Zeugnis ab. Das Aufkommen der Baumwolle, die Französische Revolution mit der Zerstörung des Handelsplatzes Lyon, das Aussterben der Arboner Kaufmannsfamilien, Konkurse und Interessenlosigkeit nachfolgender Generationen führten gegen Ende des 18. Jahrhunderts zum Niedergang.
1798 bis zur Gegenwart
Die fürstbischöfliche Landeshoheit in Arbon endete 1798 mit dem Einmarsch französischer Truppen. Von seinen schweizerischen Besitzungen durfte das Hochstift keine Einkünfte mehr beziehen. Obervogt Karl Franz Ignaz Wirz von Rudenz verliess Arbon im Mai 1798, kehrte zwar mit den im Mai 1799 einrückenden österreichischen Truppen wieder zurück, musste aber im Oktober 1799 endgültig Abschied nehmen. Das Hochstift Konstanz wurde 1803 aufgelöst, womit die fürstbischöflichen Herrschaftsrechte in Arbon erloschen. Der Bischof von Konstanz bzw. der Bistumsverweser blieb noch bis 1815 geistlicher Oberhirte der Arboner Katholiken. Im neu gegründeten Kanton Thurgau waren Arbon und Horn in der Mediationszeit (1803-1815) zu einer Gemeinde vereinigt, der eine elfköpfige Behörde mit einem Gemeindeammann und zwei Statthaltern vorstand. Die ehemaligen bischöflichen Besitzungen in Arbon – unter anderem Schloss und Schlossgut – wurden 1805 versteigert. Durch die Restauration wurden Horn und Arbon wieder getrennt, stimm- und wahlberechtigt waren nur noch Ortsbürger. In den Hungerjahren 1816-1817 liess der Gemeinderat Suppenverteilungen vornehmen und verbilligt Saatkartoffeln verkaufen. Der Führer der Thurgauer Liberalen, Thomas Bornhauser, wirkte 1831-1851 als Pfarrer in Arbon. Unter seinem Einfluss entstand 1833 die paritätische Primar- und Sekundarschule.
Mit der Kantonsverfassung von 1869 wurden die Orts- und die 1857 gebildete Munizipalgemeinde Arbon alleinige Trägerinnen der Gemeindegewalt. Der Besitz der Bürgergemeinde innerhalb der Stadt – unter anderem Rathaus, Stadtplätze und Ringmauer – ging an die Ortsgemeinde über. Ab 1873 amtierte ein fünfköpfiger Ortsverwaltungsrat als vorberatende, vollziehende und beaufsichtigende Behörde. 1898 wurde die Sitzzahl auf sieben, 1907 gar auf 15 erhöht, 1922 wieder auf elf reduziert. 1928-1957 stellten die Sozialdemokraten den Gemeindeammann. Ihre Mehrheit im Ortsverwaltungsrat erreichte 1946 den Höhepunkt (fünf SP-, drei PdA-, zwei FDP-Mitglieder, ein Mitglied der Konservativen Volkspartei). Seit 1933 verfügt die Ortsgemeinde weder über eine Gemeindeversammlung noch (trotz versuchter Einführung) über ein Parlament – eine Einmaligkeit in der Schweiz.
1945 erwarb die Ortsgemeinde Arbon das Schloss, das nach verschiedenen Ausbauetappen als Kultur- und Bildungsstätte (unter anderem Historisches Museum) dient. Im Westen der Stadt sind neben der gewerblichen Berufsschule (1977) im Stacherholz 1963 eine Sekundar-, 1972 eine Primarschule sowie eine Sportanlage entstanden. 1985 wurde der Seeparksaal (mit Mehrzwecksaal) in Betrieb genommen, 1991 das Schwimmbad am See neu eröffnet. Seit 1993 entlastet eine Umfahrung die Innenstadt.
An der Industrialisierung partizipierte Arbon mangels Wasserkraft vorerst zögernd. 1801 existierten neben den Leinwandhandelshäusern eine Tuchhandlung, eine Bleiche und die Eisenhandlung von Franz Xaver Stoffel. Die aufkommende Baumwollindustrie führte zur Gründung einer Baumwollbandweberei, von Stoffdruckereien und 1822 der Seidenbandweberei im Schloss durch Franz Xaver Stoffel und seine Söhne. Diese war mit zum Teil über 200 Arbeitskräften jahrzehntelang von grosser Bedeutung; sie stellte 1907 den Betrieb im Schloss ein.
1819 begann der Ausbau der Strassen Arbon-Frauenfeld und Arbon-Schaffhausen. Erst 1898 folgte die Verbindung nach St. Gallen. 1834 wurde mit dem Abbruch der alten Stadtbefestigung begonnen. Angesichts der ungünstigen Landungsverhältnisse lehnte Arbon 1840 den Bau des thurgauischen Hafens am Bodensee zugunsten von Romanshorn ab. Der Bau des Hafendamms 1892 ermöglichte es erstmals Dampfschiffen, in Arbon anzulegen. Die 1869 eröffnete Bahnlinie Rorschach-Romanshorn (1925 elektrifiziert) riss eine tiefe Lücke in den Arboner Weinberg. Im Industrialisierungsprozess verschwand der Rebbau in Arbon fast vollständig.
Hatte sich die Einwohnerzahl Arbons bereits 1850-1880 verdoppelt, so übertraf sie im enormen industriellen Aufschwung bis zum Ersten Weltkrieg die Grenze von 10'000 Einwohnern. Die Firmen von Arnold Baruch Heine (1911 2200 Beschäftigte) und Saurer (1911 1500 Beschäftigte) wurden zu den grössten thurgauischen Fabriken und rangierten 1905 personalmässig unter den 20 grössten Schweizer Unternehmen. 1910 waren 35,8% aller Berufstätigen Arbons in der Stickerei, 27,7% in der Metall- und Maschinenindustrie beschäftigt. Weitere Betriebe nahmen am Aufschwung teil, namentlich die Stickereien Stauder & Cie. (1911 120 Beschäftigte), Jean Hardegger (200) und Jakob Müller-Schär (66), der Stickmaschinenhersteller Karl Bleidorn (75), der Apparatebauer Heinrich Vogt-Gut (83), die erste schweizerische Velofabrik von Gustav Adolf Saurer (23) und in der Holzbearbeitungsbranche Burkhard Zöllig (81).
Neben den Industriekomplexen entstanden vor dem Ersten Weltkrieg grössere Quartiere (Bergli, Neuquartier) für Angestellte und Arbeiter. Standen 1801 148 Wohnhäuser in Arbon, so waren es 1912 über 1000 Gebäude. Das Bevölkerungswachstum und der hohe Ausländeranteil (1910 48%) trugen zu Spannungen bei, die sich unter anderem 1902 in einem mehrtägigen Krawall entluden. Die Ursachen sind vor allem in den misslichen Wohnverhältnissen der Unterschicht zu suchen.
Im wirtschaftlichen Niedergang nach dem Ersten Weltkrieg verzeichnete Arbon 1921 einen Höchststand von 600 Arbeitslosen. 1926 endete die Firma Heine infolge der Stickereikrise in der Liquidation. Arbeitsbeschaffungsmassnahmen führten zur Erweiterung des Hafendamms (1919), zur Errichtung eines Teils der Quaianlagen (1922) und zum Bau des Strandbads (1930-1933). 1924 war die reformierte Kirche auf dem Bergli vollendet (Innenrenovation 1987). Adolph Saurer hatte der evangelischen Kirchgemeinde den Bauplatz geschenkt, nachdem 1916 erstmals auf Initiative der Katholiken – mit der zugewanderten Arbeiterschaft hatte sich deren Zahl 1880-1910 von 708 auf 5326 erhöht – eine Trennung diskutiert worden war. 1911 löste sich das katholische Horn von Arbon, 1920 folgten die Horner Protestanten. 1937 wurde in Arbon das katholische Vereinshaus eingeweiht.
Zum wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg trug wesentlich die Firma Saurer bei, deren Personalbestand jedoch ab Beginn der 1980er Jahre mangels Innovation und infolge Missmanagements wieder schrumpfte. Ende des 20. Jahrhunderts waren in Arbon Industrieunternehmen wie die Arbonia-Forster, grössere Betriebe der Branchen Maschinen, Apparate, Druck, Lebensmittel, Verkehrsmittel, Holz und Leder sowie Dienstleistungs- und Handelsfirmen vertreten. Die Arbeitgebervereinigung Arbon (AVA) zählte 60, der Arboner Gewerbeverein 200 Mitglieder. 1990 waren bei einer ausgeglichenen Pendlerbilanz 5291 Personen in Arbon erwerbstätig, davon 1% im 1., 55% im 2. und 44% im 3. Sektor.
Eine jahrhundertealte Tradition im gesellschaftlichen Leben Arbons verkörpert der Martini-Markt. Ihren festen Platz haben auch der Fasnachtsumzug und Maskenbälle verschiedener Vereine. Im Sommer locken das Seenachtsfest und seit kurzem Openair-Filmvorführungen Tausende nach Arbon. Aktiv sind Musikvereine, Orchester und Chöre. Als Jugendbegegnungsstätte dient eine umgebaute Fabrik am See.
Quellen und Literatur
- BürgerA Arbon
- J. Winiger, A. Hasenfratz, Ufersiedlungen am Bodensee, 1985
- S. Hochuli, Die neolith. und bronzezeitl. Seeufersiedlungen von Arbon Bleiche TG, 1993
- U. Leuzinger, Die jungsteinzeitl. Seeufersiedlung Arbon/Bleiche 3, Befunde, 2000
- H. Brem et al., Arbon – Arbor Felix, 1992
- K. Beyerle, «Grundherrschaft und Hoheitsrechte des Bf. von Konstanz in Arbon», in SVGB 32, 1903, 31-116; 34, 1905, 25-146
- P. Egger-Perler, «Namensschichtung und Besiedlungschronologie zwischen Konstanz und St. Gallen», in ThBeitr. 128, 1991, 5-306
- K. Buenzli, «Arbon vor dem Ersten Weltkrieg», in ThBeitr. 129, 1992, 5-120
Variante(n) | Arbor Felix
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