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Amriswil

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Bischofszell. Die seit 1979 bestehende Gemeinde umfasst die ehemalige Munizipalgemeinde Amriswil mit deren ehemaligen Ortsgemeinden Amriswil, Biessenhofen, Oberaach und Räuchlisberg sowie (seit 1997) die ehemalige Ortsgemeinde Schocherswil. Das verstädterte Industriedorf liegt im Aachtal an der Kreuzung der Strassen Winterthur-Arbon und Konstanz-St. Gallen. 799 Amalgeriswilare. 1679 139 (evangelische) Einwohner; (ehemalige Ortsgemeinde) 1831 233; 1850 492; 1880 1533; 1910 3322; 1941 (inklusive Hemmerswil und Mühlebach) 5377; 1970 7601; (heutige politische Gemeinde) 1970 9190; 1980 9013; 1990 10'426.

Amriswil war im Mittelalter zusammen mit Brüschwil bischöflich-konstanzisches Lehen, während die von Helmsdorf auf Eppishausen vom 15. Jahrhundert an die Gerichtsherrschaft innehatten. Im frühen 17. Jahrhundert gelangte Amriswil an den Glarner Adam Tschudi, und 1665 wurde die Herrschaft dem Spital St. Gallen verkauft. Das Gericht, bestehend aus Amriswil, Hölzli und Brüschwil sowie Häusern in Rüti und Giezenhaus, wurde nun der stadt-sanktgallischen Herrschaft Bürglen (TG) einverleibt, deren Schicksal es bis 1798 teilte. Mitte des 14. Jahrhunderts entstand eine Marienkapelle, die zur Pfarrei Sommeri gehörte. Während man in Sommeri nach der Reformation (1529) mehrheitlich zum alten Glauben zurückkehrte, blieben die Einwohner von Amriswil dem evangelischen Bekenntnis treu, weshalb die Kapelle den Reformierten zugesprochen wurde. Ab 1630 wurden dort Wochenpredigten, ab 1680 regelmässige Sonntagsgottesdienste abgehalten, und seit 1710 wohnt der evangelische Pfarrer in Amriswil. Sommeri und Amriswil blieben in einer gemeinsamen Pfarrei verbunden, doch veränderte die Zuwanderung im 19. Jahrhundert die konfessionellen Verhältnisse: 1891 Bau einer grossen evangelischen Kirche in Amriswil, 1911 Trennung der Katholiken Amriswils von Sommeri und Gründung einer selbstständigen Pfarrei, 1939 Einweihung der katholischen Kirche St. Stephan.

Bis um 1830 war Amriswil ein unscheinbares Bauerndorf mit Acker- und Rebbau. Die Einführung eines Vieh- (1833) und eines Monatsmarktes (1840), die Gründung einer Käserei in Sommeri (1852), das Aufkommen der Kattunweberei und die Eröffnung einer Wirkerei durch den deutschen Flüchtling Joseph Sallmann (1849) standen am Anfang eines Strukturwandels, der sich nach der Eröffnung der Nordostbahn (1855) intensivierte. Zwischen dem Marktplatz und dem Bahnhof entstand ein neues Siedlungsgebiet, und das Zentrum verschob sich von den bisherigen Siedlungskernen um den Marktplatz und die Strassenkreuzung in Köpplishaus nach Nordosten. Die rasche Industrialisierung kann jedoch weder mit der Verkehrslage noch mit den bescheidenen Wasserkräften befriedigend erklärt werden. Vielmehr scheinen initiative Unternehmer wichtige Impulse gegeben zu haben. So wurde Amriswil mit den Firmen Sallmann, Laib und Tuchschmid zu einem Zentrum der Trikoterie, und die Bekleidungs- und Schuhindustrie fand mit den Firmen Esco und Löw ebenfalls bedeutende Vertreter. Das Wachstum führte zu strukturellen Problemen insbesondere bei der Wasserversorgung, die erst 1952 mit dem Bezug von Wasser aus dem Bodensee endgültig gelöst werden konnten. Mit der Zuwanderung, vor allem aus Italien, stieg der Anteil ausländischer Einwohner zwischen 1870 und 1910 von 7% auf 29%. Der Gemeinde schlossen sich 1925 die Einheitsgemeinde Hemmerswil und 1932 die Ortsgemeinde Mühlebach bei Amriswil an. Im Baugewerbe und im Dienstleistungssektor – Handelsfirmen, Gastgewerbe, Banken, Behindertenwerkstätte (1909), kantonales Kindergärtnerinnenseminar (1975) – entstanden neue Arbeitsplätze. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Trikoterie blieb jedoch bis um 1980 bestehen, als diverse Betriebe ihre Produktion einstellen mussten. Mittlerweile ist die Wirtschaftsstruktur ausgeglichener: 1990 gab es neben 90 landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben ca. 3300 Arbeitsplätze im 2. und 3. Sektor, wovon 47% zum Dienstleistungsbereich zählten. Überregionale Beachtung fanden im 20. Jahrhundert die Erfolge der lokalen Turn- und Sportvereine sowie die kulturellen Aktivitäten der vom Schriftsteller Dino Larese 1937 gegründeten «Akademie Amriswil».

Quellen und Literatur

  • J. Häberlin-Schaltegger, Gesch. der evang. Kirchgem. Sommeri-Amriswil, 1870
  • E. Leisi, Gesch. von Amriswil und Umgebung, 1957
  • E. Menolfi, Sanktgall. Untertanen im Thurgau, 1980
  • S. Länzlinger et al., Amriswil: von der Mitte des 19. Jh. bis zur Gegenwart, 1999
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Gregor Spuhler: "Amriswil", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.02.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001864/2010-02-10/, konsultiert am 28.03.2024.