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Aadorf

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Münchwilen (bis Ende 2010 Bezirk Frauenfeld). Die seit 1996 bestehende politische Gemeinde Aadorf deckt sich räumlich weitgehend mit der Ende 1995 aufgehobenen Munizipalgemeinde Aadorf, welche die ehemaligen Ortsgemeinden Aadorf, Aawangen, Ettenhausen, Guntershausen bei Aadorf und Wittenwil umfasste. Nur Heiterschen und Jakobstal (ehemalige Ortsgemeinde Wittenwil) wechselten per 1996 zur politischen Gemeinde Wängi. Aadorf ist heute ein Industriedorf, zwischen Winterthur und Wil (SG) an der Lützelmurg gelegen. 886 Ahadorf. Ehemalige Munizipalgemeinde Aadorf: 1850 2205 Einwohner; 1910 3224; 1960 4106; 1990 6880. Ehemalige Ortsgemeinde Aadorf: 1831 446 Einwohner; 1850 736; 1910 1524; 1960 2258; 1990 3850.

Ausschnitt aus der Marchenkarte der Grafschaften Thurgau und Kyburg, Hans Conrad Gyger 1655 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 1).
Ausschnitt aus der Marchenkarte der Grafschaften Thurgau und Kyburg, Hans Conrad Gyger 1655 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 1). […]

Von Bachwiesen stammen Streufunde aus der Bronze- und der Römerzeit. Flachgräber der Hallstattzeit lagen am Weg nach Elgg und westlich von Bruggwingert. Die Kirche (Alexander-Patrozinium, heutiger Bau von 1863-1865), um 840 wohl auf ehemaligem Reichsgut gegründet, wird 886 als Eigenkirche der Grafen im Linzgau erstmals genannt. Der ältere Friedhof (7./8. Jh.) an der Sonnhalde liegt weitab. Graf Udalrich IV. richtete um 890 zur Pflege seiner Grablege und seines Gedächtnisses eine der Kirche angegliederte Kleriker-Gemeinschaft ein, übertrug diese aber bereits 894/895 dem Kloster St. Gallen. Als dessen Propstei ging sie um 1000 ein. Die Kollatur der als Pfarrei fortbestehenden Kirche kam spätestens 1304 an die Herren von Bernegg, nach 1318 an Hermann von Hohenlandenberg-Greifensee, 1349-1350 an das Kloster Rüti (Inkorporation) und nach dessen Säkularisation 1525 an Zürich. Mitten durch die Pfarrei verlief ab 1427 die Hoheitsgrenze der Grafschaften Kyburg und Thurgau (heute Kantone Zürich/Thurgau). Der im Hoch- und Spätmittelalter dominierende Grundherr in Aadorf, das Kloster St. Gallen, verkaufte nach wiederholten Verpfändungen 1413 alle grundherrlichen Rechte samt Niedergericht dem nahen Kloster Tänikon. 1528-1529 wurde die Reformation eingeführt. Im Zuge der Gegenreformation baute Tänikon ab 1608 in Aadorf eine katholische Gemeinde auf, indem es seine zehn Schupflehenhöfe nur an Katholiken vergab. 1627 wurde mit Zürichs Einwilligung die Messe wieder eingeführt. Erst 1843 ging der Kirchensatz von Zürich an die beiden Kirchgemeinden, und 1844/1851 erfolgte die Teilung des Kirchenguts. Der simultane Gebrauch der Kirche durch Katholiken und Protestanten dauerte bis zum Bau einer reformierten Kirche 1954-1959. 1974 wurde die Kantonsgrenze zur Grenze zwischen den reformierten Kirchgemeinden Aadorf und Elgg. Die Kirchgemeinde Aadorf verlor dadurch Hagenbuch, Egghof und Haggenberg an Elgg.

Die Offnung von 1469 hielt erstmals die Rechtsverhältnisse in der Dorfgemeinde Aadorf fest. Diese begann sich bereits 1548 mittels eines Einzugsbriefs gegen Fremde abzuschliessen. Von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis 1820 gab es keine Neuaufnahmen ins Bürgerrecht mehr. Die steigende Anzahl Ansassen im 19. Jahrhundert führte 1871 zur Scheidung von Orts- und Bürgergemeinde (Korporation). In Aadorf betrieb man Ackerbau in Dreizelgenwirtschaft, Hanf- und Flachsbau sowie Rebbau (Blüte im 17. Jh.), aber wenig Handwerk. Mit der im frühen 19. Jahrhundert einsetzenden Intensivierung der Feldgraswirtschaft entstanden 1845 eine private, 1878 eine genossenschaftliche Käserei (bis 1984). Die Leih-, Viehleih- und Sparkasse Aadorf ging 1872-1873 aus der Fusion zweier 1852 mit Garantie der Bürgergemeinde gegründeten Spar- und Kreditinstitute hervor; ihr Konkurs 1910 schädigte die Bürgergemeinde schwer. Die gute Verkehrslage an der alten Landstrasse Zürich-St. Gallen, seit 1855 an der Bahnlinie und heute auch an der Autobahn A1 begünstigte die Industrialisierung stark. Zunächst entstanden an der Lützelmurg eine Spinnerei/Weberei (1825-1930) und die Sulzersche Rotfarb und Kattun-Buntdruckerei (1833-1923). 1870-1930 existierten zahlreiche Stickereibetriebe, 1928-1984 eine Strickwarenfabrik. Heute bestehen Betriebe für Sport- und Lederbekleidung. Der Textilindustrie folgten Firmen der Metallbranche, die teilweise aus Gewerbebetrieben hervorgingen: die Rollladenfabrik Griesser (1882) sowie diverse Unternehmen für Klima-, Sanitär-, Spül- und Fördertechnik. 1990 zählten 61% der Arbeitsplätze zum 2. Sektor.

1842 hatte die Zürcher Regierung die Grenzen der Zivilgemeinde Elgg bis an die Kantonsgrenze und damit in den Bann der traditionellen Flurnutzungs-, Kirch- und Schulgemeinde Aadorf hinein vorgeschoben. Infolge der Industrialisierung an der Lützelmurg entbrannte 1861-1869 der Streit um dieses Gebiet, das sogenannte Aadorfer Feld. Nachdem der Konflikt zugunsten Elggs entschieden war, dehnte sich Aadorf nur noch nach Norden und Osten aus. Um den Industriering (19./20. Jh.) sind seit 1945 Wohnquartiere (Friedau, Unterwieden) entstanden. Der ehemalige Dorfkern liegt damit heute am westlichen Siedlungsrand.

Quellen und Literatur

  • HS II/2, 103-106
  • A. Knoepfli, Gesch. von Aadorf, 1987
  • Meyer, Kirchgem., 93 f.
  • K. Sulzer, Vom Zeugdruck zur Rotfärberei, 1991
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

André Salathé: "Aadorf", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.04.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001893/2012-04-04/, konsultiert am 19.04.2025.