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Pfyn

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Steckborn, an der Thur zwischen Frauenfeld und Steckborn gelegen. Die Munizipalgemeinde Pfyn bestand 1803-1997 und umfasste die Ortsgemeinde Herdern (1803-1816), Lanzenneunforn (1803-1816), Weiningen (1803-1994), Dettighofen und Pfyn. Die Munizipalgemeinde Pfyn und die Ortsgemeinden Dettighofen und Pfyn bilden seit 1998 die politische Gemeinde Pfyn. 280 Ad Fines. Ehemalige Munzipalgemeinde Pfyn: 1850 1105 Einwohner; 1900 1227; 1950 1530; 1990 2068. Ehemalige Ortsgemeinde Pfyn: 1831 533 Einwohner; 1850 789; 1900 891; 1950 1187. Politische Gemeinde Pfyn: 2000 1804.

Vorrömische Zeit

Die ältesten bis anhin entdeckten Siedlungsspuren liegen rund 1,5 km westlich von Pfyn im ehemaligen Torfmoor Breitenloo, in der schwachen Senke einer Seitenmoräne des Thurgletschers, und stammen aus dem Jungneolithikum (4300 v.Chr.). Der Siedlungsplatz wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts beim Torfstechen entdeckt, geriet aber in der Folge wieder in Vergessenheit. In den Kriegsjahren 1940-1941 wurde der Platz bei Entwässerungsarbeiten zur Kulturlandgewinnung erneut angeschnitten. Dank der Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit konnte die Siedlung mit einer Fläche von etwa 1000 m2 im Herbst 1944 von internierten polnischen Soldaten unter Leitung von Karl Keller-Tarnuzzer untersucht werden. Aufgrund der topografischen Verhältnisse sowie der im Jahr 2002 durchgeführten Sondierbohrungen kann davon ausgegangen werden, dass damit etwa 60% des Siedlungsareals ausgegraben wurden. Anhand der Planunterlagen von 1944 können 17 Hausgrundrisse definiert werden. Die Häuser orientieren sich giebelständig an einer von Norden nach Süden verlaufenden Hauptgasse. Die Bauten sind fast ausschliesslich zweischiffig und weisen Längen von 4 bis 11 m und Breiten von 3,5 bis 5,5 m auf. Auffallend ist, dass mehrfach Häuser recht unterschiedlicher Grösse nebeneinander lagen, was wohl auf grössere Wohnhäuser mit kleineren Ökonomiegebäuden hinweist. Die Hausböden bestanden aus aufwendigen Unterzugskonstruktionen und darüberliegenden Spaltbrettern oder Prügeln, die meist mit Lehm überzogen waren. Fundansammlungen unter den Böden und partielle Brandspuren an der Unterseite sprechen dafür, dass mindestens einzelne Bauten durch die Unterzugskonstruktionen leicht vom Erdboden abgehoben waren. Von den Wänden und Dächern der Häuser war, wie dies üblich ist, nur wenig vorhanden, jedoch sind Bretterwände und Flechtwände belegt.

Keller-Tarnuzzer hat bereits aufgrund der relativen Fundarmut auf die Einphasigkeit der Siedlung hingewiesen und die enge Verwandtschaft des keramischen Fundmaterials mit der sogenannten Michelsberger Kultur Südwestdeutschlands erkannt. Um 1960 wurde von der deutschen Forschung die Eigenständigkeit der Pfyner Keramik innerhalb der Michelsberger Kultur herausgestellt. Seit diesem Zeitpunkt gilt Pfyn-Breitenloo als namengebende Station der sogenannten Pfyner Kultur. Die Nachsondierungen 2002 und 2004 führten zu einem etwas differenzierteren Bild der Siedlung. So konnte unter anderem die Zeitstellung dendrochronologisch geklärt werden. Die verwendeten Bauhölzer sind zwischen 3706 und 3704 v.Chr. geschlagen worden und bestätigen die Einphasigkeit. Eine weitere neolithische Siedlung muss rund 400 m nordwestlich von Breitenloo bestanden haben. Der wenigen Keramik nach zu schliessen, die in einem ehemaligen Torfstich zutage kam, gehört sie ebenfalls der Pfyner Kultur an. Die Siedlung ist nie systematisch untersucht worden und dürfte beim industriellen Torfabbau im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört worden sein.

Luftaufnahme des Kastellhügels und des Städtchens aus Südwesten, 1995 (Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld).
Luftaufnahme des Kastellhügels und des Städtchens aus Südwesten, 1995 (Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld). […]

Wegen Pfyns Bedeutung als Patenstation der Pfyner Kultur und als römischer Kastellort entzogen sich die übrigen Epochen etwas dem archäologischen Blickfeld. So sind etwa bronzezeitliche Beilfunde sowie nicht lokalisierbare Grabfunde aus der Umgebung von Pfyn seit langem bekannt, erst in den letzten Jahren ist man aber auf bronzezeitliche Siedlungsschichten im Ort selbst aufmerksam geworden. Eisenzeitliche Funde und Befunde sind bis heute nur wenige bekannt.

Römische Zeit

Nordwestecke der spätrömischen Kastellmauer mit den Überresten eines Turms. Fotografie, 1995 (Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld).
Nordwestecke der spätrömischen Kastellmauer mit den Überresten eines Turms. Fotografie, 1995 (Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld). […]

Die Gleichsetzung des in den Quellen genannten Ad Fines mit dem heutigen Pfyn ist unbestritten. Ebenso steht fest, dass sich der Ortsname auf die Provinzgrenze zwischen den Provinzen Rätien und Belgica bzw. Germania Superior bezieht. Auch der Verlauf der römischen Strasse von Oberwinterthur (Vitudurum) über Frauenfeld nach Pfyn und weiter Richtung Arbon (Arbor Felix) ist gut bekannt. Unsicher bleibt dagegen der Verlauf einer Strassenverbindung in Richtung Eschenz (Tasgetium). Spuren einer kaiserzeitlichen Ansiedlung fehlen fast vollständig. Neben Hinweisen auf einen Gutshof im Heerenziegler sind Einzelfunde sowie Teile eines grossen Steinbaus aus Spolien bekannt.

Anders ist die Situation für die spätrömische Zeit, wo im Bereich des Städtlihügels das Kastell lag. Der Hügel ist heute durch die Thur und den Mühlebach erodiert und im Süden und Osten verkleinert, sodass von der Mauer nur Teile der Nord- und Westseite erhalten sind. Erst mit den Ausgrabungen der Jahre 1976, 1980-1981 und 1990-1992 wurde die Festung besser erforscht. Die erhaltene Höhe der zum Teil in der heutigen Bebauung integrierten römischen Mauern beträgt stellenweise über 3 m. Insgesamt sind sechs halbrunde Türme bekannt; zu Beginn des 21. Jahrhunderts fehlen jedoch noch Toranlagen und der Graben. Über die Bebauung der etwa 15'000 m² grossen Innenfläche ist wenig bekannt. Man fand etwa einen Sodbrunnen und Reste von Holzbauten. Besondere Bedeutung erhielt das Kastell Pfyn, zu dem auch ein kleineres Gräberfeld im Bereich des Hofs Adelberg gehörte, durch die Funde. Zahlreiche Münzen und andere Objekte weisen auf eine Belegung durch römisches Militär, darunter auch berittene Truppen, vom späteren 3. Jahrhundert bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts hin. Die Festung Pfyn deckte während dieser Zeit die rückwärtige Verbindungslinie der Grenzverteidigung längs der Rheinlinien zwischen Arbon und Oberwinterthur (Limes). Über das Ende des Kastells Pfyn ist nichts bekannt, doch deutet die Bartholomäuskirche auf eine Siedlungskontinuität im Kastellbereich hin.

Vom Mittelalter bis in die Gegenwart

In der Kirche wurden in Einzelgräbern zahlreiche mittelalterliche Skelettreste gefunden. Grundherr war im Mittelalter das Domstift Konstanz. Die Vogtei war zuerst im Besitz der Ministerialen von Klingenberg, ab 1488 gehörte sie Jakob Mötteli. 1560 gelangte sie an Peter von Gundelfingen, 1567 an Otto Graf zu Eberstein, 1584 an Wolf Wambold von Umstadt und 1614 schliesslich an die Stadt Zürich, die einen Obervogt einsetzte (bis 1798). 1476 verwüstete ein Brand das Städtchen, das auf den Ruinen des römischen Kastells errichtet worden war. Das Dorf Pfyn wurde nordwestlich des Brandplatzes neu errichtet. Die im römischen Kastell liegende Bartholomäuskirche war das Zentrum einer grossen frühmittelalterlichen Pfarrei, der zu Beginn auf dem linken Thurufer Felben, Wellhausen, Hüttlingen, Mettendorf, Harenwilen und Eschikofen, auf dem rechten Weiningen, Lanzenneunforn, Gündelhart, Hörhausen, Hörstetten, Dettighofen und Müllheim angehörten. Nach der Gründung des Klosters Reichenau lösten sich Hüttlingen und Müllheim von Pfyn ab. Innerhalb der Pfarrei entstanden im Spätmittelalter die Kaplaneien Felben, Gündelhart und Weiningen, die später selbstständig wurden. 1155 war das Domkapitel Konstanz Kollator der Pfarrei und belehnte einen Domherrn damit, der die Seelsorge durch einen Vikar besorgen liess. 1528 wurde in Pfyn die Reformation durchgeführt. Die zur Pfarrei Pfyn gehörenden Dörfer wie etwa Gündelhart oder Hörstetten blieben jedoch mehrheitlich katholisch. Bereits 1533 wurde wieder ein katholischer Priester eingesetzt. Das Pfrundvermögen blieb beiden Konfessionen gemeinsam und sie praktizieren den Simultangebrauch der Kirche bis heute. Im 18. Jahrhundert war ein Grossteil der Bevölkerung reformiert. Die Kollatur ging 1804 an den Kanton, nach 1840 an die Kirchgemeinden.

1414 und 1502 erhielt Pfyn von der Dompropstei Offnungen. Die Gemeinde liess 1794-1795 die Thurbrücke errichten und durfte dafür bis 1850 einen Brückenzoll erheben. In Pfyn wurde insbesondere Obstbau betrieben, 1905 gab es auf dem Gemeindegebiet über 9100 Obstbäume. 1822 entstand die Schloss-, 1879 die Dorfkäserei. 1858 gründete Heinrich Bertschinger eine Baumwollspinnerei, die bald Strumpfgarn aus Baumwolle und Wolle, sogenanntes Vigognegarn, herstellte. Ab 1896 war sie bekannt als Vigognespinnerei Pfyn (1911 93 Beschäftigte, 1923 106), 1994 ging sie als VSP Textil AG in Konkurs. 2005 stellten Industrie und Gewerbe die Hälfte der Arbeitsplätze in der Gemeinde, die Landwirtschaft noch einen Fünftel. Ab 1970 wurde der ehemalige Rebberg am Ortsrand zum begehrten Standort einer heterogenen Einfamilienhaussiedlung.

Quellen und Literatur

  • «Die Vigogne-Spinnerei Pfyn», in Die industrielle und kommerzielle Schweiz beim Eintritt ins 20. Jh. 5, 1902, 368-371
  • A. Hasenfratz, «Bemerkungen zur Pfyner Siedlung Breitenloo bei Pfyn», in Die ersten Bauern 1, 1990, 207-212
  • Kdm TG 6, 2001, 234-258
  • Ad Fines, das spätröm. Kastell Pfyn, 2 Bde., 2003-08
  • U. Leuzinger, Pfyn Breitenloo – die jungsteinzeitl. Pfahlbausiedlung, 2007
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Albin Hasenfratz; Hansjörg Brem; Erich Trösch: "Pfyn", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001982/2010-09-28/, konsultiert am 09.12.2024.