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Weinfelden

"Der Flecken Wynfelden". Ausschnitt aus dem Übersichtsplan der Herrschaft Weinfelden von Hans Conrad Gyger, 1662-1663 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 166).
"Der Flecken Wynfelden". Ausschnitt aus dem Übersichtsplan der Herrschaft Weinfelden von Hans Conrad Gyger, 1662-1663 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 166).

Politische Gemeinde des Kantons Thurgau, Bezirk Weinfelden, Bezirkshauptort. Das Regionalzentrum liegt auf der rechten Seite des Thurtals am Fuss des Ottenbergs und am Kreuzungspunkt der Eisenbahnlinien Zürich-Romanshorn (seit 1855) und Wil-Konstanz (seit 1911). Die Munizipalgemeinde Weinfelden bestand 1803-1870; die 1816 gebildete Ortsgemeinde wurde 1870 mit der Munizipal- zur Einheitsgemeinde Weinfelden vereinigt. Seit 1995 ist die ehemalige Ortsgemeinde Weerswilen (ohne Beckelswilen) Teil der politischen Gemeinde. 838 Quivelda. Ehemalige Munizipal- und Ortsgemeinde: 1831 2130 Einwohner; 1850 2256; 1870 2622. Politische Gemeinde: 1900 3516 Einwohner; 1950 5823; 2000 9456.

Übersichtsplan der Herrschaft Weinfelden, in der Zürich die niedere Gerichtsbarkeit und die Zehntrechte besass, von Hans Conrad Gyger, 1662-1663 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 166).
Übersichtsplan der Herrschaft Weinfelden, in der Zürich die niedere Gerichtsbarkeit und die Zehntrechte besass, von Hans Conrad Gyger, 1662-1663 (Staatsarchiv Zürich, Plan N 166). […]

Zahlreiche Funde auf dem Thurberg ab der Jungsteinzeit (Steinbeile, Streitäxte, Lappenbeile, Spinnwirtel, römische Münzen) deuten auf eine alte Landsiedlung hin. Am Ottenberg standen die Herrschaftssitze Bachtobel, Thurberg, Neuenburg und Straussberg, die wahrscheinlich in den Appenzeller Kriegen 1405-1407 zerstört wurden. Die 1180 erstmals erwähnte Burg Weinfelden – Sitz kyburgischer Ministerialen, der Ritter von Weinfelden – gelangte mit Gütern und Rechten Ende des 13. Jahrhunderts an die Freiherren von Bussnang. Über Streubesitz in Weinfelden verfügten auch das Domstift Konstanz, die Abteien Reichenau und St. Gallen sowie die Grafen von Toggenburg. Als Folge des Konflikts zwischen König Sigismund und Herzog Friedrich IV. von Habsburg lag das Hochgericht der Grafschaft Thurgau als verpfändeter Teil der umstrittenen landesherrlichen Rechte 1417-1499 bei der Stadt Konstanz. Nach dem Schwabenkrieg 1499 ging das Landgericht im Thurgau an die eidgenössischen Orte, deren Landvögte danach bis 1798 in Frauenfeld die hohe Gerichtsbarkeit über Weinfelden ausübten.

Albrecht von Bussnang, österreichischer Landrichter im Thurgau, und sein Schwager Wilhelm von Enne teilten vermutlich die Herrschaft Weinfelden um 1380 auf. 1418 verlieh König Sigismund das Gericht Weinfelden gemeinsam an Walter von Bussnang und Wilhelm von Enne. Der Sohn des Letzteren verkaufte seinen Teil 1431 an die Stadt Konstanz. Der andere Teil, nämlich das Schloss und die halbe Herrschaft Weinfelden, wechselte wiederholt den Besitzer. Über den St. Galler Kaufmann Hugo von Watt kam er um 1435 an den Konstanzer Patrizier Berchtold Vogt, unter dessen Herrschaft Weinfelden im Plappartkrieg 1458 von eidgenössischen Truppen belagert wurde, und ging 1466 an Christian Kornfail aus Wien. Unter ihm erhielt das Dorf 1474 die erste Offnung. 1496-1550 war die Familie Muntprat aus Konstanz Inhaberin der Teilherrschaft. Sebastian Muntprat tauschte 1542 seine Rechte an der Vogtei Eggen mit der Stadt Konstanz gegen den anderen Teil von Weinfelden und vereinigte damit die Gerichtsherrschaft wieder in einer Hand. Auf dem Erbweg kam sie 1550 an Hans Dietrich von Gemmingen, der sie 1555 an Johann Jakob Fugger (1516-1575) aus Augsburg verkaufte. Nach weiteren Handwechseln erwarb sie die Stadt Zürich 1614, die sie bis 1798 als äussere Obervogtei verwaltete. Zum Gericht Weinfelden gehörten neben Weinfelden die Weiler Burg, Vorder-Ottenberg, Aufhäusern, Stelzenhof, Eyerlen, Teile von Bachtobel und Boltshausen sowie die Mühle im Sangen.

Ab 1255 wirkte ein Leutpriester in der Johannes dem Täufer geweihten Kirche, die bis 1316 eine Filiale von Bussnang war. Der Verkauf des Kirchensatzes von Weinfelden 1354 durch Graf Konrad von Fürstenberg und Adelheid von Griessenberg an Ritter Hermann von Breitenlandenberg wurde 1355 von Herzog Albrecht II. von Habsburg bestätigt. Mit Unterstützung von Zürich trat Weinfelden 1528 zur Reformation über. Bereits nach dem Zweiten Kappeler Landfrieden von 1531 wurde die katholische Messe wieder eingeführt, doch blieben die vom eidgenössischen Landvogt begünstigten Katholiken gegenüber den Reformierten in Weinfelden in der Minderzahl. Unter der Zürcher Herrschaft entwickelte sich das Dorf gar zur Hochburg des reformierten Glaubens im Thurgau und die Einführung der konfessionellen Parität, die der Friedensvertrag nach dem Zweiten Villmergerkrieg 1712 brachte, änderte wenig an den konfessionellen Stärkeverhältnissen. Im 19. Jahrhundert gehörten die Katholiken von Weerswilen und Ottoberg sowie ab 1867 auch jene von Märstetten zur Kirche in Weinfelden.

Das Patronatsrecht wechselte oft die Hand, bis die Stadt Zürich bei der Herrschaftsübernahme 1614 das Zehntrecht von den Freiherren von Gemmingen und die Kollatur der reformierten Kirchgemeinde von Arbogast von Schellenberg erwarb. Die Pfarrei wählte ihren Priester 1463-1676 selbst, danach hatte bis 1821 die Familie Reding von Biberegg die Kollatur inne. Die beiden Konfessionen teilten das gemeinsame Kirchengut 1675 und das Armengut 1713 auf. Die von Jakob Grubenmann 1726 neu errichtete paritätische Kirche wurde 1902 abgerissen und durch eine reformierte Kirche ersetzt. 1904 bauten die Katholiken südöstlich des Dorfs beim Friedhof ebenfalls eine neue Kirche.

Die 1491 erstmals bezeugten Vierer und der Weibel gehörten dem Rat an, der nach 1514 bis zu 24 Mitglieder umfasste. Der von der Herrschaft gewählte Ammann leitete die Rats-, die Gerichts- und die Gemeindeversammlungen. Der Rat ernannte unter anderem den Säckelmeister, Schreiber, Spitalmeister und Zoller am Kaufhaus sowie die Förster. Die 1523 erstmals erwähnte Gemeindestube befand sich 1586 im ersten Stock des Kaufhauses. Wann das Rathaus gebaut wurde, ist unbekannt, doch verpachtete die Gemeinde 1550 die Wirtsstube im Rathaus. 1606 muss das Kaufhaus neu gebaut worden sein und hiess nun Rathaus. Dieses wurde 1832 durch den von Baumeister Rudolf Hofmann erstellten Neubau ersetzt.

Von der frühen Neuzeit bis zum Ende der Restauration war Weinfelden als regionaler Versammlungsort bedeutend. Bis 1798 trat der thurgauische Gerichtsherrenstand jährlich im 1649 errichteten Gasthaus Zum Trauben zusammen. Die Quartierhauptleute der acht thurgauischen Militärquartiere tagten ab 1619 unter dem Vorsitz des zürcherischen Obervogts in Weinfelden stets im Rathaus. Auf dem Rathausplatz rief Paul Reinhart 1798 die Freiheit des Thurgaus aus und forderte Thomas Bornhauser, der führende Kopf der Regenerationsbewegung, 1830 für den Kanton Thurgau eine Verfassungsänderung. Vergeblich bemühte sich Weinfelden, Hauptstadt des neuen Kantons zu werden. Seit 1831 tagt aber der Grosse Rat jedes zweite Halbjahr im Wechsel mit Frauenfeld in Weinfelden.

Im Dorf, das hauptsächlich Ackerbau betrieb, spielte der Weinbau, insbesondere am Ottenberg, eine wichtige Rolle für den Export ins Toggenburg und nach Schwaben. Um 1790 standen auf dem gesamten Rebgebiet 55 Torggel, die dem Zürcher Obervogt den Zehnten abzuliefern hatten. Spätestens ab 1600 waren die Gemeindebürger berechtigt, auf der Allmend Obstbäume zu pflanzen, deren Nutzung ihnen und ihren Nachkommen allein zustand. 1744 zählte die Gemeinde dort 1050 Kirsch-, 200 Apfel- und 100 Birnbäume. Bereits 1799 wurde der allgemeine Weidgang abgeschafft, die Allmend aufgeteilt und an die Bauern verkauft.

Der Marktflecken Weinfelden erhielt 1567 einen Wochenmarkt sowie 1568 und 1691 je zwei Jahrmärkte; im 19. Jahrhundert besass Weinfelden gar einen fünften Jahrmarkt. Mehrere Familien betrieben Handel mit Wein, Eisen- und Apothekerwaren, die vor allem über den Rhein und die Thur transportiert wurden. Noch 1858 unterhielt die Gemeinde ein eigenes Schiff. Die 1615 erneuerte Mühle im Sangen wurde 1770 stillgelegt. Nachdem die Gemeinde von der Zürcher Herrschaft 1784 das Mühlenrecht erhalten hatte, errichtete sie die Mühle Weinfelden. Die Familie Meyerhans baute sie ab Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Handelsmühle aus und richtete später unter anderem in Baar, Malters sowie Villmergen Filialbetriebe ein.

Wichtige Gewerbetriebe bildeten die Baumwollweberei Eduard Bühler & Co. 1857-1930 (1888 274 Beschäftigte) und die Schuhfabrik Freudiger & Co. 1910-1944 (1923 110 Beschäftigte). 1871 wurde die Thurgauische Kantonalbank eröffnet. In Weinfelden haben der Gewerbeverband sowie die Industrie- und Handelskammer Thurgau seit 1870, der Thurgauische Landwirtschaftliche Kantonalverband seit 1935 ihre Geschäftsstellen. 2010 unterrichteten 110 Lehrkräfte am gewerblichen Bildungszentrum Weinfelden und 85 an jenem für Wirtschaft.

Quellen und Literatur

  • H. Lei, Evangelisch Weinfelden, 1979
  • H. Lei, Weinfelden, 1983
  • J. Witgert-Welter, … und wählte sich eigenmächtig einen Pfarrer …, Liz. Basel, 1999
  • A. Knoepfli, Schloss Weinfelden, 2001
  • T. Holenstein, Gesch. der Schützenges. Weinfelden, [2002]
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Erich Trösch: "Weinfelden", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002025/2013-11-06/, konsultiert am 09.10.2024.