Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Jura-Nord vaudois, mit den Weilern Les Tuileries-de-Grandson (seit 1834) und Corcelettes, am Nordufer und westlichen Zipfel des Neuenburgersees, an der Flanke eines Moränenhügels mit dem Flüsschen Grandsonnet auf dessen Südseite. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts Grancione. 1803 822 Einwohner; 1850 1248; 1900 1771; 1950 1800; 2000 2759; 2010 3039.
Ur- und Frühgeschichte
Im Mai 1895 entdeckte ein Bauer in Les Echâtelards im Boden seines Ackers einen Menhir von ungefähr drei Tonnen. Dieser riesige Monolith von 3,4 m Höhe aus dem Neolithikum wurde in der Nähe des Fundorts aufgestellt. Grandson ist aber vor allem für seine prähistorischen Ufersiedlungen bekannt. 1854, nach dem Erscheinen von Ferdinand Kellers berühmter Publikation über Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen, welche bei breiten Schichten Begeisterung für die "Pfahlbauern" auslöste, machte Frédéric Troyon den Autor auf die Fundstelle von Corcelettes aufmerksam, wo er zwischen zahlreichen Pfahlwerken Vasen gefunden hatte. 1930 wurden in der Gemeinde mehrere Seeufersiedlungen identifiziert: In Corcelettes eine grosse aus der Bronzezeit und eine kleinere aus dem Neolithikum; in Les Buttes zwei weitere aus dem Neolithikum; in Le Repuis, Le Stand und Les Tuileries drei andere, die ebenfalls der Jungsteinzeit zugerechnet werden, obwohl keine Fundgegenstände zum Vorschein kamen. 1995 wurde auf dem Campingplatz Belle-Rive eine ins Endneolithikum zurückreichende Siedlung entdeckt, die aus der Zeit zwischen 2741 und 2488 v.Chr. datiert. Eine weitere endneolithische Fundstelle aus der Lüscherzkultur orteten Archäologen 2017 und untersuchten sie 2018 teilweise (Corcelettes I).
Die bedeutendste Fundstelle in Grandson ist Corcelettes Les Violes aus der Bronzezeit. Sie gehört zu den 56 Ufersiedlungen der Schweiz, die im Unesco-Welterbe Aufnahme fanden. Ungeachtet der massiven Entnahme von Fundobjekten im 19. Jahrhundert und der Erosion im 20. Jahrhundert bleibt sie eine der grössten und am besten erhaltenen Pfahlbausiedlungen am Neuenburgersee. Wahrscheinlich ist sie diejenige schweizerische Siedlung aus der Bronzezeit, von welcher weitaus am meisten Metallobjekte in die verschiedenen kantonalen und ausländischen Museen sowie in Privatsammlungen gelangten.
Das einzige Zeugnis aus der Eisenzeit in Grandson ist eine Fibel des Typs Certosa; aus der römischen Zeit sind bisher auf dem Gemeindegebiet nur einzelne Funde (Ziegel, Mauerreste) aufgetaucht.
Vom Mittelalter bis zur Gegenwart
Die Entwicklung von Grandson ist eng an das Schloss und ihre Besitzer, die Herren von Grandson, gebunden, die um 1000 in Erscheinung traten. Einen schriftlichen Beleg für die aus einem einfachen Burgflecken bestehende Siedlung gibt es erst aus der Zeit um 1100, aber zweifellos bestand sie schon früher. Um 1146 oder zumindest vor 1178 förderten die Herren von Grandson die Ansiedlung des benediktinischen Priorats Saint-Jean, das zur Abtei La Chaise-Dieu in der Auvergne gehörte: Sie schenkten ihm die Kirche Saint-Jean-Baptiste, die bei dieser Gelegenheit umgestaltet und mit hervorragenden, auf monolithischen Säulen ruhenden romanischen Kapitellen ausgestattet wurde (der Chorraum erfuhr um 1300-1308 eine Vergrösserung; wohl 1378 wurde die Kirche von einem Brand heimgesucht). Kirchlich war Grandson bis 1438 Giez zugeteilt, danach erhielt die Prioratskirche die Rechte einer Pfarrkirche. Die Ankunft der Benediktiner trug massgeblich zur Entwicklung des Orts bei, der wohl um 1300 – ausser auf der Seeseite – mit Mauern umschlossen war und einen deutlich städtischen Charakter hatte. Für den Unterhalt der Mauern waren die Meierämter Provence, Bonvillars, Fiez, Concise und Yvonand zuständig. Otto I. von Grandson baute das alte romanische Schloss um und vergrösserte es zwischen 1277 und 1281 und zu Beginn des 14. Jahrhunderts beträchtlich. Ein Grossbrand (wohl 1378, aber erst 1397 belegt) zerstörte alle Bedachungen des Gebäudes und einen grossen Teil des Fleckens. Die Burgunderkriege verursachten vor allem am Schloss grosse Schäden. Ab 1293 wird eine Bürgergemeinde erwähnt und vor 1328 verlieh Otto I. Grandson ein Stadtrecht. An der Nordseite der Kirche lagen Markthallen, in der Vorstadt Le Revelin, nahe des Tores nach Giez, sind Metzgereien belegt. Otto I. förderte die Bettelorden und erlaubte den Franziskanern 1289, ein Kloster am Westeingang des Städtchens zu errichten. Davon erhalten blieben nur der Kirchturm und einige Überreste der Konventsgebäude. Ein Spital, das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut wurde und 1420 unter die Schirmherrschaft des Städtchens Grandson geriet, befand sich in der Rue Basse, ganz in der Nähe des 1837 zerstörten Torturms Gey. Der 2 km südwestlich von der Hauptsiedlung gelegene Weiler Les Tuileries-de-Grandson hiess Fiez-Pittet-dessous, bevor Guillaume Amiet und sein Bruder, Ziegelbrenner aus Bevaix, sich 1459 dort niederliessen. Les Tuileries-de-Grandson gehörte zuerst zur Gemeinde Montagny-près-Yverdon, ebenso wie die Chamard genannte Örtlichkeit, wo Lehm abgebaut wurde, und kam 1834 zu Grandson.
Der Handstreich von Guillaume Farel, der 1531 die Altäre der Franziskanerkirche zerstören liess, und die Predigten des aus Frankreich stammenden Pfarrers Jean Le Comte bereiteten die Reformation vor, die von Bern aber erst 1554 nach einer – nach den Regeln des sogenannten Plus erfolgten – Abstimmung in der Gemeinde eingeführt wurde. Die Klostergebäude der Franziskaner wurden zwischen Grandson und den eidgenössischen Orten Bern und Freiburg aufgeteilt. Der Kreuzgang beherbergte nach der Säkularisation bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Friedhof. Das Priorat Saint-Jean wurde aufgehoben und bald entstanden in seinen Gebäuden das Rathaus und die Schule; die Häuser des Pfarrers und des Diakons liess die Berner Obrigkeit erst 1728/1729 einrichten. Unter bernischer Herrschaft wurde die Gemeinde durch einen 24-köpfigen Rat verwaltet, wobei die 12 ersten Räte das Gericht bildeten. 1475-1798 gehörte die Stadt zur gemeinen Herrschaft Grandson, 1798-2006 zum gleichnamigen Bezirk. Die Ideen der Französischen Revolution wurden von Gabriel-Antoine Miéville eingeführt, dem Redaktor des Peuple vaudois: bulletin officiel, des Organs der provisorischen Versammlung und Vorläufers der Gazette de Lausanne.
Im 19. Jahrhundert veränderten grosse Baumassnahmen den Ort und die unmittelbare Umgebung stark. Nach 1819 wurde die Franziskanerkirche abgebrochen und der Friedhof nach Les Collombaires verlegt, um die Rue Basse direkt bis zur Kantonsstrasse zu verlängern. 1890 wurden die Fundamente der Kirche zerstört, um dem Rathaus Platz zu machen. 1858 trennte die auf einem Damm verlaufende Eisenbahnstrecke Yverdon-Biel das Städtchen vom Seeufer. 1879 senkte sich durch die Juragewässerkorrektion der Wasserstand, weshalb der vom Mittelalter an am westlichen Eingang von Grandson gelegene Hafen schliessen musste. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden neue Quais erbaut, prunkvolle Häuser entstanden am neuen Ufer, so der Wohnsitz der Familie Vautier mit dessen astronomischem Observatorium. Der Ausbau der Durchgangsstrasse, die in das Kantonsstrassennetz einbezogen wurde, führte 1848-1855 zur Begradigung und Verbreiterung der Rue Basse und bedingte die Zurückversetzung von dreissig Fassaden. Auf dem Schlossplatz entstand eines der bemerkenswertesten Gotteshäuser der evangelischen Freikirche des Kantons Waadt (1898 geweiht).
Die Einkünfte der Einwohner von Grandson stammten aus der Landwirtschaft, insbesondere aus der Viehzucht an den Jurahängen, aber auch aus der Fischerei. Der weit verbreitete Weinbau ging am Ende des 19. Jahrhunderts mit den aufgetretenen Rebkrankheiten deutlich zurück. Die Industrie richtete sich im 19. Jahrhundert hauptsächlich auf die Tabakverarbeitung aus, so die im Schloss angesiedelte Firma Vos, Decoppet & Cie., die 1831 von H. Vautier & Cie. übernommen wurde. Die vermögenden Vautier waren fest in die Lokalpolitik eingebunden, 1899-1914 hatten sie das höchste Exekutivamt (syndicature) inne. Ihre Fabrik am Westeingang der Stadt wurde 1972 geschlossen. Neben verschiedenen Unternehmen der Baubranche (Herren Frères & Cie., Beati Frères SA), des Transport- und Tiefbauwesens (1896 Landi, 1920 Cand, 1974 Fusion zur Cand-Landi SA) und für Baumaterialien (Les Sables & Graviers La Poissine SA) sind in Grandson die Ateliers d'études de construction automobile Sàrl (PKW-Prototypen von internationalem Ruf) beheimatet, die 1968 von Franco Sbarro in Les Tuileries-de-Grandson eröffnet wurden. 1933 erfolgte im Quartier Le Repuis die Gründung eines Arbeiterhilfsvereins für Jugendliche, der 1975 zu einem Berufsbildungszentrum wurde. Seit den 1970er Jahren sind im Bereich Tourismus und Freizeit grosse Anstrengungen unternommen worden, 1971 entstand der Kleinbootshafen, das Schloss wurde für das Publikum geöffnet (ca. 40'000 Besucher pro Jahr), und 2000 wurde ein Natur- und Kulturpfad eingeweiht. Das historische Zentrum, insbesondere die Rue Basse mit dem dichten Automobilverkehr, entvölkerte sich, während an den benachbarten Hängen, den ehemaligen Rebbergen, neue Wohnquartiere entstanden. 2000 beschäftigte der Tertiärsektor zwei Drittel der Bevölkerung von Grandson. Der Autobahnabschnitt der A5 Yverdon-Solothurn, der Grandson mit Vaumarcus verbindet, wurde 1999-2005 gebaut; er war das letzte noch fehlende Stück des Nationalstrassennetzes auf waadtländischem Boden.
Quellen und Literatur
- GemA
- V. Gross, Station de Corcelettes, 1882
- B. van Muyden, A. Colomb, Antiquités lacustres, 1896 (Nachdr. 1984, Vorwort und Texte von Y. Mottier)
- V.-H. Bourgeois, Les monuments mégalithiques le long du Jura suisse, 1926, 81 f.
- E. Sprockhoff, «Ein Geschenk aus dem Norden», in Helvetia Antiqua, 1966, 101-110
- ArS 7, 1984, 73-78; 11, 1988, 146-154
- A. Hafner, Die frühe Bronzezeit in der Westschweiz, 1995, 54 f., 64
- D. Weidmann, «La conservation de la station littorale de Grandson-Corcelettes: rive nord du lac de Neuchâtel», in Actes de la rencontre internationale de Marigny-Lac de Chalain, 1996, 47-59
- M. Grandjean, «Villes neuves et bourgs médiévaux, fondements de l'urbanisme régional», in L'homme dans la ville, cours général public 1983-1984, 1984, 61-100
- HS III/1, 735-743
- M. Fontannaz, Les cures vaudoises, 1986
- D. de Raemy, Grandson, le bourg et le château, 1987
- M. Grandjean, Les temples vaudois, 1988
Ersterwähnung(en) |
2. Hälfte des 11. Jahrhunderts: Grancione
um 1100: de castro Grancione
um 1126: castri Grandissoni
1154 : apud Grantionem
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