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Cully

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Lavaux-Oron, bildet seit 2011 mit Epesses, Grandvaux, Riex und Villette (Lavaux) die neue Gemeinde Bourg-en-Lavaux. Cully umfasste das gleichnamige Städtchen am Ufer des Genfersees, den Flecken Chenaux in den Rebbergen und einige Bauernhöfe auf den Anhöhen (über 700 m). 967 Cusliacum. 1568 62 Haushalte; 1764 483 Einwohner; 1798 615; 1850 880; 1900 1101; 1950 1296; 2000 1798.

Das Pfarrhaus. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, 1826 (Musée historique de Lausanne).
Das Pfarrhaus. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, 1826 (Musée historique de Lausanne).

In Cully sind zwei neolithische Seeufersiedlungen (eine bei Moratel), römische Zeugnisse (Münzen, Statuen, Grundmauern), die vor allem auf die durch Cully führende Strasse zum Grossen St. Bernhard zurückzuführen sind, sowie zwei hochmittelalterliche Friedhöfe nachgewiesen. 967 schenkte der König von Burgund Cully der Kathedralkirche von Besançon. Da Cully von der Pfarrei Villette abhing, das spätestens 1079 dem Bischof von Lausanne gehörte, waren Kompetenzkonflikte unvermeidlich; ein Abkommen von 1154 nützte wenig. Das Kapitel von Besançon verkaufte 1246 Cully dem Bischof von Lausanne. Das lokale Meieramt blieb kurze Zeit unabhängig, geriet dann aber unter die Kontrolle der Gerichtsherren von Lutry. Die Einwohner von Cully genossen dieselben Freiheiten wie die von Villette. 1359 erhielten sie das Recht, einmal wöchentlich Markt zu halten, sowie das Befestigungsrecht. Im 14. Jahrhundert wurden die Häuser eng und kreisförmig um die Kirche herum gebaut; im 15. Jahrhundert vergrösserte sich die Ortschaft in Richtung See und erhielt einen rechteckigen Grundriss. Unter Berner Herrschaft (1536-1798) war Cully Teil der Vogtei Lausanne. Nachdem 1598 die Familie, welche das Meieramt ausgeübt hatte, ausgestorben war, gründeten die Berner die Kastlanei Villette mit Sitz in Cully. Obschon die Stadt Freiheiten und auch eigenes Territorium besass, war sie gleichzeitig von Villette abhängig, dessen Hauptort sie war. Ab dem 14. Jahrhundert verwaltete sie ihre kommunalen Besitztümer selbst und erhob Steuern unter der Aufsicht eines Gouverneurs, ab dem 17. Jahrhundert eines Bannerherrn. Cully wurde durch die jährlich viermal zusammentretende Bürgerversammlung und durch einen Rat von im 16. Jahrhundert neun, im 18. Jahrhundert dreizehn Mitgliedern verwaltet. Die Stadt Cully bildete zwei der acht Viertel von Villette und delegierte dementsprechend ihre Abgeordneten. Spätestens ab 1365 besass Cully eine dem heiligen Stephan geweihte Kapelle, die nach der Reformation Filialkirche von Villette blieb; ab 1556 stand ihr ein Diakon vor. 1766 wurde Cully Kirchgemeinde und umfasste auch die Dörfer Riex und Epesses, 1837 den Flecken Chenaux und 1845-1863 Grandvaux.

Beim Ausbruch der Französischen Revolution blieb die Gegend berntreu, was 1791 die Abhaltung eines «aristokratischen» Banketts erlaubte. 1798 wurde Cully dank seiner zentralen Lage Hauptort des neuen Bezirks Lavaux und blieb es bis 2006. Die «Confrérie» oder Bürgergemeinde der Stadt besass ein adliges Lehensgut, den Zehnten, Wälder und zahlreiche Rebberge. Als 1824 die Aufteilung Villettes vorgenommen wurde, musste Cully Teile seiner Güter an Chenaux und weitere nicht zur «Confrérie» gehörende Teilgemeinden abtreten, was zu Protesten der Einwohner führte und anhaltenden Groll hinterliess. Ende des 20. Jahrhunderts hatte Cully einen Gemeinderat (Legislative) von 55 Mitgliedern, die aufgrund einer gemeinsamen Liste gewählt worden waren. Neben der Primarschule eröffnete Cully in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit eine Industrieschule, 1949 eine Sekundarschule und in den 1990er Jahren ein Progymnasium. Das Spital von Lavaux stammt von 1942. Cully, das im Zentrum der Weingegend Lavaux liegt, widmete sich während Jahrhunderten fast ausschliesslich dem Weinbau; der Hafen spielte bis zur Eröffnung der Zuglinie zum Simplon 1861 eine wichtige Rolle beim Gütertransport. Weil die neuen Strassen die abgelegenen Gebiete des Lavaux den Städten Lausanne und Vevey näher brachten als Cully, verfügte dieses nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch über ein kleines Einfluss- und Einzugsgebiet. Cully besitzt grosse Weinanbauflächen, ein aufstrebendes Industrieviertel und in der Nähe des Hafens eine Tourismus- und Erholungszone.

Quellen und Literatur

  • Cully, 1000 ans d'histoire, 1972
  • C. Lehmann-Jomini, La genèse de l'Infirmerie de Lavaux, 1878-1942, Liz. Lausanne, 1978
  • A. Friedli, Histoire de la ville de Cully, 1993
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Germain Hausmann: "Cully", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002416/2017-05-04/, konsultiert am 28.03.2024.