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Château-d'Œx

Château-d'Œx im Jahr 1807. Aquarell von Niklaus Gatschet (Nicolas Gachet), der 1791-1797 Landvogt in Saanen war (Musée du Vieux Pays-d'Enhaut, Château-d'Œx; Fotografie Sylviane Pittet).
Château-d'Œx im Jahr 1807. Aquarell von Niklaus Gatschet (Nicolas Gachet), der 1791-1797 Landvogt in Saanen war (Musée du Vieux Pays-d'Enhaut, Château-d'Œx; Fotografie Sylviane Pittet).

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Pays-d'Enhaut. Grösste Gemeinde des Kantons mit dem grossflächigen Dorf Château-d'Œx im oberen Saanetal, den Dörfern L'Etivaz, Les Moulins und Les Granges, 35 Weilern und 22 Alpen. Im 14.-18. Jahrhundert gliederte sich die Gemeinde in die sieben établées (Fraktionen) Sous le Scex, Mont, Village, Frasse, Entre deux Eaux, Monteiller und L'Etivaz. 1115 Oit, Oyz, Oix, Oyez, deutsch früher Oesch. 1416 120 Haushalte; 1764 1751 Einwohner bzw. 480 Haushalte (ohne L'Etivaz); 1803 2001 Einwohner; 1850 2054; 1900 3025; 1930 3840; 1950 3381; 1980 2872; 1990 3110; 2000 2949.

Ein spätpaläolithisches und mesolithisches Abri (9500 bis mindestens 6000 v.Chr.) diente als saisonale Niederlassung. Messerfunde weisen in die Bronzezeit. Auf eine keltische Besiedlung deuten nur Ortsbezeichnungen (Combe=Tal, Joeur=Wald, Man=Fels) hin, die im Dialekt bis ins 20. Jahrhundert weiterlebten. Das Fehlen von Eisenerzen und die Kargheit des Bodens verhinderten wahrscheinlich eine Romanisierung des Talgebiets, das ohnehin in gallorömischer Zeit nur dünn bevölkert gewesen sein dürfte. Dagegen erreichte die alemannische Besiedlung, die sich vor dem 10. Jahrhundert nur bis Le Vanel (Gemeinde Rougemont) erstreckt hatte, schliesslich auch höher gelegene Gebiete wie die Weiden von L'Etivaz im südlichen Teil der Gemeinde. Das Tal (Hochgau oder Ogo, vielleicht auch Œx, obschon einer anderen Deutung zufolge Œx von Äesch, d.h. Esche, abgeleitet ist) eroberten die Grafen von Greyerz ab dem 10. Jahrhundert über La Tine bzw. den Creux de l'Enfer. In der Folge bildete Château-d'Œx mit Rossinière eine Kastlanei. Die dem heiligen Donat geweihte und 1175 erstmals erwähnte Kirche von Château-d'Œx hing vom 1080 gegründeten Cluniazenserpriorat Rougemont ab. Sie wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf La Motte wiederaufgebaut, wo sich eine Burg der Grafen von Greyerz befand. Eine Feste stand vermutlich einst auch auf dem Felssporn Château Cottier. Nach Rodungen wurde eine intensive gemischte Landwirtschaft betrieben (Gerste, Heu, Hanf, Käse). 1388 erfolgte die Ablösung der Fallpflichten, und 1403 schlossen die Dorfgenossen gegen den Willen des Grafen von Greyerz einen Burgrechtsvertrag mit Bern ab.

Kirche und Pfarrhaus von Château-d'Œx. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, um 1828 (Privatsammlung, alle Rechte vorbehalten).
Kirche und Pfarrhaus von Château-d'Œx. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, um 1828 (Privatsammlung, alle Rechte vorbehalten).

1555 erhielt Bern den oberen Teil der Grafschaft Greyerz; Château-d'Œx wurde in die deutschbernische Vogtei Saanen eingegliedert. Rechte und Freiheiten wurden nun nach bernischem Recht gewährt und nicht mehr nach dem Landrecht von Moudon. Kirchlich unterstand Château-d'Œx jedoch weiterhin dem Kapitel Lausanne. Die nach 1555 reformierte Pfarrei umfasste bis 1713 auch L'Etivaz. Die lange Tradition militärischer Vereine fand 1794 mit der Gründung einer Schützengesellschaft (die sogenannte abbaye) durch Bürgerfamilien ihren Höhepunkt. In bernischer Zeit erlebte die Wirtschaft einen erheblichen Aufschwung. Die Allmende wurde aufgeteilt und war vor Ende des 16. Jahrhunderts verkauft. Die Privatalpen wurden an Käser verpachtet, die dort Greyerzer produzierten. Im 18. Jahrhundert verkauften die Einwohner den Käse ihrer rund 2000 Kühe auf dem Markt von Vevey, zu dem sie über den Col de Jaman gelangten. Von Marseille aus wurde dieser Käse bis nach Asien und Amerika exportiert.

1798 kam Château-d'Œx zum neu gegründeten Kanton Léman. 1800 wurden bei einem Brand die auf dem zentralen Hügel stehenden Holzhäuser zerstört; deren Eigentümer hatten mit dieser Lage die Grundstücksteuer umgangen. Dank der Kollekte des Dekans Philippe-Sirice Bridel kam genügend Geld für den Wiederaufbau der Häuser in Stein zusammen. Die Gemeinde liess Maurer aus Savoyen, Schreiner aus dem Simmental und Gipser aus dem unteren Greyerzerland kommen. Die Emigration der vorhergehenden Jahrhunderte ins Mittelland und ins Ausland dauerte indes auch im neuen Kanton Waadt an.

1849 wurde das Institut Henchoz eröffnet, ein Progymnasium, das die vorherige Lateinklasse ersetzte. Die Primarschule erhielt 1907 ein neues Gebäude. Nach 1847 bestand eine grössere Gemeinde der Freikirche des Kantons Waadt mit zwei Priestern. Die katholische Pfarrei wurde 1896 eingerichtet, die anglikanische Kirche 1899 erstellt. Auch andere religiöse Gemeinschaften, wie zum Beispiel die Darbysten, fassten im Tal Fuss. Bis 1953 bildeten die Liberalen und Freisinnigen getrennte politische Lager, die je ihre eigene Zeitung herausgaben. Der freisinnige "Le Progrès" ging indes 1940 im liberalen "Journal de Château-d'Œx" auf, das 1989 zum "Journal du Pays-d'Enhaut" wurde. Erst 1957 gelangten mit der Einführung des Proporzes Sozialisten und Agrarier ins Gemeindeparlament. Das Spital, das 1926 die alte Krankenstation ersetzt hatte, wurde 1979 zum Alters- und Pflegeheim sowie Bezirkspital (mit Solarheizung) umgestaltet. Das 1912 erbaute Gemeindehaus wurde 1958 restauriert. Seit 1922 besteht das Musée du Vieux Pays-d'Enhaut.

Im 19. Jahrhundert litt Château-d'Œx mehrfach unter Viehseuchen; zum Schutz der Milchwirtschaft wurde deshalb fremden Herden der Durchzug untersagt. Der Käsetransport, der früher durch Träger erfolgt war, wurde nun mit Lastpferden abgewickelt. Auf der Route über den Col de Chaude nach Villeneuve (VD) erreichte man das Ufer des Genfersees, ohne freiburgischen Boden betreten zu müssen. Die Abschaffung der kantonalen Zölle und Währungen 1848 führte zur Aufhebung des freiburgischen Zollpostens an der Fahrstrasse, die Château-d'Œx seit 1748 mit dem Getreide- und Viehmarkt von Bulle verband. Verbesserungen in der Viehzucht hatten zur Folge, dass die Aufzucht von Schlachtvieh der Simmentaler Rasse die Käseproduktion teilweise verdrängte. Der Bau der Strasse über den Col des Mosses (1865-1871) sowie die Anlage einer neuen Strasse nach Bulle (1895) verbesserten die Verkehrsmöglichkeiten. Ein Elektrizitätswerk in La Chaudanne war von 1894 bis ca. 1901 in Betrieb. Mit der Eröffnung der Montreux-Berner-Oberland-Bahn (MOB) 1904 stieg die Attraktivität von Château-d'Œx als Sommerkurort, der von der Nähe zur Waadtländer Riviera profitierte. Besonders geschätzt wurde Château-d'Œx von englischen Touristen (1916-1918 beherbergte der Ort englische Internierte). Ein halbes Dutzend Grandhotels mit Tennisplätzen (Klub seit 1894) und Eisbahnen entstanden, die Hängebrücke Turrian (1883), ein Schwimmbad und ein Campingplatz (1932), eine Gondelbahn (1945) und der Pont du Berceau (1945). Der Agrarsektor ist bis heute wichtig geblieben; das Schwergewicht liegt wieder auf der Käseherstellung. Zusätzliches Einkommen schafft der Wintertourismus. Um attraktiv zu bleiben, wurden die touristischen Angebote aber diversifiziert (Heissluftballons, Rafting). Einheimisches Handwerk, Sägereien und Kiesabbau sind die Hauptzweige des Industriesektors. Das Gebiet La Pierreuse steht seit 1945 unter Naturschutz.

Quellen und Literatur

  • E. Henchoz, L'Ancienne Abbaye de Château-d'Œx, 1946
  • «Le centenaire du collège Henchoz», in Journal de Château-d'Œx, Dez. 1949
  • A. Gétaz, Le Pays d'Enhaut sous les comtes de Gruyère, 1949
  • C. Quartier, Le Pays-d'Enhaut, 1980
  • Sur nos monts quand la nature ...: le Pays-d'Enhaut tourné vers l'avenir, hg. von F. Lieberherr-Gardiol, E. Stucki, 1987
  • M. Henchoz, G. Morier-Genoud, Château-d'Œx et son district au début du siècle, 1990 (mit alten Fotografien)
  • D. Birmingham, «Gruyère's Cheesemakers», in History Today, 1991, 21-26
  • «Chronique archéologique 1992», in RHV, 1993, 163-167
  • D. Birmingham, Switzerland: a village history, 2000
  • Premiers hommes dans les Alpes, 2002, 159-163
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

David Birmingham: "Château-d'Œx", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.05.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002593/2017-05-01/, konsultiert am 19.03.2024.