de fr it

BrigStadt

Ansicht der Stadt und der Simplonstrasse. Kolorierte Aquatinta von Gabriel Lory (Sohn) für den Reisebericht Voyage pittoresque de Genève à Milan par le Simplon, der 1811 in Paris veröffentlicht wurde (Privatsammlung).
Ansicht der Stadt und der Simplonstrasse. Kolorierte Aquatinta von Gabriel Lory (Sohn) für den Reisebericht Voyage pittoresque de Genève à Milan par le Simplon, der 1811 in Paris veröffentlicht wurde (Privatsammlung).

Hauptsiedlung der politischen Gemeinde Brig-Glis VS, dem Hauptort des Bezirks Brig. Die Stadt im oberen Rhonetal, zwischen den Brücken über die Rhone und die Saltina gelegen, wurde 1972 mit den ehemaligen politischen Gemeinden Glis und Brigerbad zur Gemeinde Brig-Glis vereinigt. Markt-, Rast- und Zollort sowie Eisenbahnknotenpunkt am Fuss des Simplonpasses. 1215 Briga, französisch Brigue, italienisch Briga. 1798 468 Einwohner; 1802 412; 1827 596; 1850 721; 1860 1012; 1888 1172; 1900 2182; 1920 3132; 1950 3854; 1970 5191; 1980 9608 (mit Glis und Brigerbad); 1990 10'602; 2000 11'590.

Emaillierte Bronzefibel von 6,4 cm Länge aus dem 2. Jahrhundert n.Chr., gefunden in Gamsen bei Ausgrabungen des gallorömischen Dorfes von Brig-Glis/Waldmatte im Brandbestattungsgrab 2 (Geschichtsmuseum Wallis, Sitten, Inv. BW88-0012–5_1) © Geschichtsmuseum Wallis, Sitten; Fotografie Bernard Dubuis.
Emaillierte Bronzefibel von 6,4 cm Länge aus dem 2. Jahrhundert n.Chr., gefunden in Gamsen bei Ausgrabungen des gallorömischen Dorfes von Brig-Glis/Waldmatte im Brandbestattungsgrab 2 (Geschichtsmuseum Wallis, Sitten, Inv. BW88-0012–5_1) © Geschichtsmuseum Wallis, Sitten; Fotografie Bernard Dubuis.

Hinweise auf menschliche Anwesenheit in Brig sind einige wenige Funde aus der Bronze- (Armspange, Dolch) und der Latènezeit (zwei Skelette, zwei Walliser Armspangen, zwei Fibeln). Romanische Namen (Kastel, Saltina, Geschina) finden sich im Bereich des alten römischen Verkehrswegs, sonst überwiegen deutsche Namen. Seit 1988 fördern archäologische Untersuchungen in Gamsen bedeutende Siedlungsspuren aus der Eisenzeit, der Antike und dem Frühmittelalter zutage. Erstmals 1215 erwähnt ist ein Geschlecht de Briga, wahrscheinlich ein Zweig der erstmals 1181 in Naters fassbaren Mangoldi und vermutlich identisch mit den 1308-1335 bezeugten Junkern im Hof (de Curia). Deren Sitz war die sogenannte Höllenburg, ein Turm oberhalb von Brig, der im 17. Jahrhundert abgetragen worden ist. Ein 1970 abgebrochener Turm aus dem 13. Jahrhundert, mit einem Vorläufer aus dem 12. Jahrhundert (Turm und Ringmauer), war vielleicht Ausgangspunkt der Stadtsiedlung. Brig gehörte ursprünglich zur Grosspfarrei Naters, ab 1642 zur Pfarrei Glis, wurde 1957 eigene Pfarrei und erhielt 1967-1970 eine Pfarrkirche. 1624-1627 hatten die Jesuiten eine Niederlassung. 1662-1773 und 1814-1847 führten sie ein Kollegium (1663-1673 erbaut, 1673-1687 Kirchenbau). 1773-1814 wurde das Kollegium von Piaristen geführt. Seit 1848 wird es vom Kanton Wallis betrieben; Rektor war bis 1990 ein Weltgeistlicher. Ein erstes Kapuzinerkloster bestand 1650-1660; das bestehende Kloster ist 1947-1948 erbaut worden. 1661 wurde ein Ursulinenkloster mit Mädchenschule gegründet, die Ursulinenkirche datiert von 1732. Seit 1937 besteht das Missionshaus (zeitweise Seminar) der Mariannhiller-Missionare. 1304 wurde das Antoniusspital gestiftet (gotische Spitalkirche des 14. Jahrhunderts, erste Spitalordnung 1399). Es ging später an die Burgergemeinde Brig über und bestand bis 1908. Die Burgerschaft errichtete 1636-1637 die Sebastianskapelle (restauriert 1972-1973). 1951 erbaute Karl Schmid die Wehrmannskapelle.

Die Versuchung des heiligen Antonius. Auf 1494 datierter Schlussstein im Gewölbe der Antoniuskapelle in Brig (Fotografie Jean-Marc Biner).
Die Versuchung des heiligen Antonius. Auf 1494 datierter Schlussstein im Gewölbe der Antoniuskapelle in Brig (Fotografie Jean-Marc Biner).

Als Stadtgründer wird der Bischof von Sitten vermutet. Im 14. Jahrhundert ist Brig erstmals als Gemeinde belegt. Diese gewann an Bedeutung und bildete einen der sogenannten Gumper im Zenden Brig. 1518 wurde Brig Zendenhauptort, Sitz und Wahlort des Zendengerichts (1740-1741 Neubau des Zendenkerkers). Das Gemeindehaus ist 1618 erstmals erwähnt. Rechtsaufzeichnungen von 1576-1631 enthalten Bestimmungen über die Gemeindeorganisation, die Gewerbe- und Marktordnung, das Strafrecht und Luxusmandate. An der Spitze der Gemeinde standen zwei sogenannte Gewalthaber und ein Rat der Sechser. Eine Stadtmauer war wohl zugleich Schutzmauer gegen die Saltina, die immer wieder Verheerungen anrichtete, zuletzt 1920 und 1993. Überschwemmungen verursachte 1469, 1506, 1640, 1752, 1775, 1868 und 1920 auch die Rhone. 1755 und 1855 schädigten Erdbeben die Stadt. 1465, 1475, 1485 und 1575 dezimierte die Pest die Bevölkerung. 1799 plünderten französische Truppen die Stadt, verbrannten die Archive und richteten grossen Schaden an.

1658-1678 liess sich Kaspar Stockalper vom Thurm ein Schloss mit drei Türmen, Arkadenhof und Park erbauen, das Stockalperschloss, welches das Stadtbild dominiert. Prägend war einst auch der Renaissanceturm des Landeshauptmanns Kaspar Metzelten (1526). Die frühneuzeitliche Stadt charakterisierten weiter das alte Stockalperhaus (ca. 1533), der als Umschlag- und Lagerplatz dienende Salzhof (16. Jahrhundert, 1967 abgerissen), die Patrizierhäuser Wegener (17. Jahrhundert), Mannhaft (1709) und Fernanda von Stockalper (1727). Ausserhalb der Stadt erbaute 1677 Kaspar Stockalper vom Thurm für Georg Christoph Mannhaft das Schlösschen Matteni. In Brig stand ab der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Sust als Lager, Umschlagplatz und Zollstätte für den Warentransport über den Simplonpass. Bis ins 16. Jahrhundert bestanden an der Sust Rechte des Bischofs von Sitten, der diese und die Zollrechte als Lehen weitergab. 1397 wird ein Mass als Briger Mass bezeichnet. Die Verwalter der Sust (Ballenteiler) spielten auch eine politische Rolle. Der Wochenmarkt wurde 1572 neu belebt. Schneider, Schuhmacher und Transporteure schlossen sich vom 15. Jahrhundert an zu Bruderschaften und Korporationen zusammen.

Bau der Linie Bern-Lötschberg-Simplon (BLS). Fotografie, um 1910 (Mediathek Wallis, Martigny, Fonds Zaza-Ortelli).
Bau der Linie Bern-Lötschberg-Simplon (BLS). Fotografie, um 1910 (Mediathek Wallis, Martigny, Fonds Zaza-Ortelli). […]

Der Bau der neuen Strasse 1801-1805 über den Simplonpass, deren Ausbau 1949-1960 und der Nationalstrassenbau seit 1960 beeinflussten auch die Verkehrssituation in Brig: 1890-1905 beförderten Postkutschen 152'816 Personen von Brig nach Domodossola. 1906 fuhr das erste Auto von Brig aus über den Simplon, und seit 1919 verkehren Postautos über den Pass (ganzjährig seit 1970). Seit 1906 bzw. 1921 gewährleisten die Simplontunnels die Bahnverbindung mit Italien. 1874 erhielt Brig den Bahnanschluss nach Westen durch das Rhonetal, 1913 durch den Lötschbergtunnel nach Bern. 1926 entstand die Furka-Oberalp-Bahn. Dem 1877-1878 erbauten Bahnhof folgte 1910 ein Neubau, der auch als Güter- und Grenzbahnhof (Zollinspektorat) dient (1957, 1961 und 1993 Erweiterungen). 1859 wurde ein Telegrafenbüro errichtet, 1898 ein Telefon-Ortsnetz. Die Zahl der Hotelbetten ist von 120 (1800) über 425 (1912) auf 1000 (1993) gestiegen; 2002 betrug sie noch 820. Einer 1858 errichteten grösseren Sägerei folgten erst im 20. Jahrhundert weitere, kleinere Industriebetriebe (u.a. Holzbearbeitung, Teigwarenfabrikation, Telefonapparatebau, Strickwaren und Handschuhe); die Energie lieferte das 1900 erbaute Elektrizitätswerk Brig-Naters. 1976 erhielt Brig Anschluss an die im selben Jahr erbaute ARA. 1990 dominierte der 3. Sektor mit 81% der in Brig Erwerbstätigen gegenüber dem 2. (18%) und dem 1. Sektor (unter 1%). 2001 zählte Brig-Glis 7129 Beschäftigte in 803 Betrieben.

1889 war die erste Druckerei in Brig entstanden, in der ab 1899 der "Briger Anzeiger" erschien (seit 1933 "Walliser Nachrichten"). 1934-1941 publizierte die Jungkonservative Bewegung des Oberwallis den "Fenner". 1908 wurde das Oberwalliser Kreisspital eröffnet; 1978 folgte das Spital für Chronischkranke, 1992 das Altersheim Englischgruss. Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind Humanisten, Schulmeister und eine Notariatsschule in Brig bezeugt. Eine 1834 errichtete Stiftung unterstützte die Elementarschule Brig. 1897 übernahmen Marienbrüder die Primarschulen für Knaben. Als Nachfolger des alten Jesuitenkollegiums entstand 1848 das staatliche Gymnasium, seit 1858 mit einer Real- und seit 1952 mit einer Handelsabteilung. In dem von Ursulinen geführten Institut St. Ursula sind seit 1853 ein Lehrerinnenseminar, seit 1902 eine Handelsschule, ebenso eine Haushaltungs- und Webschule sowie seit 1985 eine Familienhelferinnenschule untergebracht. Seit 1953 wird eine kaufmännische Berufsschule geführt. 1992 eröffnete die Fern-Universität Hagen ihr Studienzentrum Brig, und im selben Jahr nahm eine Hotelfachschule den Unterrichtsbetrieb auf. 1800 und 1872 wurden Musikgesellschaften gegründet, 1906 eine Volksbibliothek, die 1971 in einer neuen Bibliothek (Neubau 1994-1995) aufging. Im Stockalperschloss befindet sich seit 1991 das Forschungsinstitut zur Geschichte des Alpenraums und ein Institut für Mehrsprachigkeit.

Quellen und Literatur

  • L. Carlen, Brig, 1968
  • L. Carlen, Zur Gesch. von Brig, 21980
  • L. Carlen, Brig in alten Ansichten, 2 Bde., 1983-95
Von der Redaktion ergänzt
  • Kuonen Ackermann, Carmela: Der Bezirk Brig, 2015, S. 146-227 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Wallis, 4).
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Louis Carlen: "Brig (Stadt)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.07.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002662/2013-07-17/, konsultiert am 28.03.2024.